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LANDWIRTSCHAFT/1649: Empfehlung für abgestimmten Umbau der Nutztierhaltung (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 388 - Mai 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Empfehlung für abgestimmten Umbau der Nutztierhaltung
Einblick ins Gutachten "Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung" des Wissenschaftlichen Beirates Agrarpolitik

von Christine Weißenberg


Das Gutachten versucht auf knapp 400 Seiten möglichst umfassend aus verschiedenen Perspektiven die Situation der deutschen Nutztierhaltung vor dem Hintergrund der Marktzusammenhänge sowie der Aspekte der gesellschaftlichen Diskussion darzustellen. Die 14 WissenschaftlerInnen des vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) eingesetzten Beirats (WBA) sehen bei aller Differenzierung und Anerkennung der wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklung sehr deutlichen Handlungsbedarf vor allem in den Bereichen Tier- und Umweltschutz. So hält der WBA "die derzeitigen Haltungsbedingungen eines Großteils der Nutztiere für nicht zukunftsfähig" und mahnt andere Wettbewerbsstrategien als die der Kostenführerschaft an, denn "mittel- bis langfristig sind Exportsteigerungen auf Basis eines kostenfokussierten Geschäftsmodells für Deutschland unwahrscheinlich". Angeführt wird auch, dass "teilweise nicht allein Kosten-, sondern auch Wachstumszwänge ein Problem für die weitere Verbesserung des Tierschutzes darstellen können".

Veränderte Haltung kostet

Der Beirat hat in Form von Leitlinien Vorschläge für Zielvorgaben zur Entwicklung der Tierhaltung gemacht. Darunter fallen umgestaltete Haltungsbedingungen (u. a. Zugang zu unterschiedlichen Klimazonen - vorzugsweise mit Außenklima, verschiedene Funktionsbereiche, Angebot von Einrichtungen, Stoffen und Reizen zur artgemäßen Beschäftigung, Nahrungsaufnahme und Körperpflege), verändertes Management (u. a. Verzicht auf nicht-kurative Eingriffe wie Schwänze und Schnäbel kürzen, verringerter Arzneimitteleinsatz) und eine andere Ausrichtung bei den Zuchtzielen (stärkere "Berücksichtigung funktionaler Merkmale statt Konzentration auf Leistungsparameter, um Robustheit zu fördern). Immer wieder wird für die Abwägung möglicher Veränderungen auf Zielkonflikte hingewiesen. Meist ist die Wirtschaftlichkeit betroffen. Deshalb wurde eine grobe Kostenschätzung vorgenommen, die von 13 bis 23 Prozent Mehrkosten in der Größenordnung von drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr ausgeht. Dies wären drei bis fünf Prozent der Aufwendungen privater Haushalte für Lebensmittel in Deutschland. Weil diese Zusatzkosten sogar im Rahmen der bekundeten Zahlungsbereitschaft eines großen Anteils der Bevölkerung liegen, lehnen die Wissenschaftler eine reine Kostenargumentation gegen Verbesserungen im Tierwohlbereich ab.

Insbesondere für den Tierschutz, aber auch für die Themenbereiche Umweltschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit, Fairness und Sozialverträglichkeit sowie Raumnutzungskonflikte spricht der WBA Empfehlungen aus, welche Maßnahmen kurz-, mittel- oder langfristig von welchen Akteuren angegangen und umgesetzt werden können. Für den Tierschutz wird insbesondere die nötige Mischung verschiedenster Maßnahmen von Politik und anderen Akteuren zum Auffangen der Mehrkosten betont. Dazu zählen u. a. Fördermöglichkeiten mit Mitteln der zweiten Säule der Europäischen Agrarpolitik (GAP), z. B. durch angepasste Investitionsförderung oder Einführung von laufenden Tierwohlzahlungen. Zur besseren Ausstattung sollen Mittel aus der ersten in die zweite Säule verschoben werden. wird vorgeschlagen, Tierschutzzahlungen im Rahmen der ersten Säule zu integrieren, was Ähnlichkeit mit der Greeningprämie haben könnte. Bei allen Vorschlägen sind Zielkonflikte und Verteilungskämpfe um Mittel unvermeidbar, was einen umfassenden Diskussionsprozess erfordert, den der WBA möglichst zügig einfordert - auch damit sich für die Bauern und Bäuerinnen eine verbindliche Orientierung ergibt und sie sich auf neue Zielgrößen einstellen können.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 388 - Mai 2015, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juli 2015

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