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LANDWIRTSCHAFT/1614: Für einen Umbau der Landwirtschaft (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 377 - Mai 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Für einen Umbau der Landwirtschaft
Biologischer Landbau ist keine Alternative, sondern das bessere System

von Marcus Nürnberger



Auf der Biofach 2014, Anfang des Jahres in Nürnberg, wurden die Zahlen für den Biosektor bekannt gegeben. Der Biomarkt boomt weiter, war die gute Nachricht. Etwas verhaltener war die Reaktion auf die Wachstumszahlen der Anbaufläche. Diese liegen geschätzt, für das Jahr 2013, bei nur noch knapp einem Prozent. Was ist los im Ökosektor? Funktionieren die Mechanismen von Angebot und Nachfrage nicht mehr? Das Gegenteil ist der Fall. Sie funktionieren, und zwar außerordentlich gut. Das Angebot an Bioware ist vorhanden, nur kommt es derzeit immer öfter aus dem Ausland. Sehr zum Nachteil der heimischen Bioproduzenten.


Raus aus der Nische, und dann?

Viele Jahre haben die Anbauverbände über das Nischendasein der Bioprodukte geklagt. Dann kam der Durchbruch. Bio kam in die Supermärkte. Die Nachfrage überstieg die Produktion. Die Europäische Union standardisierte die Produktion. Bei deutschen Kontrollstellen sorgte man sich um die Qualität der ausländischen Ware. Insbesondere die von den Discountern gesuchten Biomöhren tauchten immer wieder in großen Chargen wie aus dem Nichts auf. Damals verließ man sich auch auf die Qualitätskontrollen des Lebensmitteleinzelhandels. Größere Skandale blieben aus. Dennoch hatte der globalisierte, zumindest europäisierte Markt auch den Biosektor erfasst. Regionalität rückte immer mehr in den Hintergrund. Saisonalität war schon länge verloren gegangen. In besonderer Weise trifft dies die Kartoffelanbauer. Obwohl sie bis weit in den Mai gute einheimische Ware anbieten konnten, bezog der Lebensmitteleinzelhandel mit Beginn der Spargelsaison neue Kartoffeln aus Ägypten oder Israel. Die heimischen Kartoffeln blieben liegen. Die Macht der einzelnen Produzenten gegenüber einem stark konzentrierten Zwischenhandel und nur wenigen Handelsunternehmen war zu gering. Wie wirksam die Vernetzung und das organisierte Auftreten der Erzeuger auf einem immer unübersichtlicheren Markt sein kann, zeigen seit einigen Jahren Zusammenschlüsse wie der Biokartoffelverein.

Bio um jeden Preis, das geht nicht. Gerade im vergangenen Jahr, in dem der Abstand von konventionellen zu Bioprodukten immer geringer wird ist es nicht erstaunlich, dass es immer weniger umstellungswillige Erzeuger gibt. Längst müssten aber bei den Bioverbänden die Alarmglocken schrillen. Die Zeiten, in denen Bundesministerinnen Zukunftsziele von 20 Prozent Bioanbaufläche formulieren, sind lange vorbei. Das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Christian Schmidt zeigt sich gegenüber der taz denn auch wenig beunruhigt: Schließlich würden ja nur die Wachstumsraten der Bioflächen sinken, eine Schrumpfung der Fläche in diesem Jahr sei hingegen nicht zu erwarten. Vor allem aber scheinen vielen Verbrauchern, zumindest in den Discountern, die Herkunft der Bioprodukte gleichgültig zu sein. Am Ende entscheidet der Preis der Produktion und der ist im Ausland oftmals niedriger als in Deutschland. Aber es wächst auch die Verbrauchergruppe, der Regionalität, die Produktion in bäuerlichen Strukturen und der direkte Kontakt wichtig ist. Das zeigt sich nicht zuletzt an den wachsenden Bewegungen, wie die der Stadtgärten und der Solidarischen Landwirtschaft.


Bio ist mehr

Die Europäische Union überarbeitet zurzeit die EU-Bioverordnung mit dem Ziel, die Standards europaweit anzugleichen. Die Einführung des EU-Biosiegels im Jahr 2000 hatte den deutschen Markt für Biowaren aus ganz Europa geöffnet. Der Versuch der Bioverbände, die nicht organisierte, vor allem ausländische Konkurrenz nach dem Motto, Verbandsbio ist besser als EU-Bio abzudrängen, ist gescheitert. Die jetzige Überarbeitung der EU-Bioverordnung soll gerade diesen Unterschied aufheben. Für die deutschen Biobauern geht es zukünftig darum, den Mehrwert ihrer Produkte auf dem Markt, am besten schon gegenüber den Handelsunternehmen, deutlich zu machen. Der Preis dürfte hier nur selten das bestechende Argument sein. Versteht man den biologischen Landbau als eine andere, nachhaltige Form der Landbewirtschaftung, dann ergibt sich der Mehrwert auch aus der gesellschaftlichen Relevanz der heimischen Produktion. Eigentlich geht es dem Biolandbau nicht darum einen Teil des Lebensmittelmarktes zu erobern. Es geht um einen Umbau der der ganzen Landwirtschaft. Weg von intensiven, duchrationalisierten und rein am Profit interessierten Unternehmen, hin zu einer auskömmlichen, die natürlichen Ressourcen schonenden, die Biodiversität steigernden, gesellschaftlich anerkannten Nahrungsmittelproduktion. Die Ergebnisse des Weltagrarberichts und des Weltklimaberichts zeigen eindeutig in diese Richtung. Wichtige Schritte machen derzeit vor allem die von grünen Ministerien geführten Bundesländer, indem sie, wie in Hessen, Biolandbau als verpflichtendes Fach an den Berufsschulen einführen, Fördersätze erhöhen und Ökoaktionspläne aufgelegt werden. In Zeiten, in denen Wirtschaftlichkeits- und Renditedenken auch im Ökosektor immer mehr in den Vordergrund rücken, sollte es die Aufgabe der Anbauverbände sein zu verhindern, dass die Nachhaltigkeit und damit die Zukunftschancen einer ganzflächigen ökologischen Landwirtschaft zugunsten eines konventionellen Ansatzes, ausgerichtet auf hohe Erträge zu geringen Kosten, nur ohne Pestizide und mineralische Dünger, geopfert wird.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 377 - Mai 2014, S. 11
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2014