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INTERNATIONAL/207: Bessere Ernährung für Malawis Landbevölkerung (idw)


Fraunhofer-Gesellschaft - 04.11.2019

Bessere Ernährung für Malawis Landbevölkerung


Malawi gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Fisch ist eine wichtige Nahrungsgrundlage der Landbevölkerung des südostafrikanischen Binnenstaats. Doch die Bestände des Malawisees sind in den vergangenen Jahren dramatisch geschrumpft. Vor allem der Chambo, die beliebteste Buntbarschart und wichtiger Proteinlieferant, landet nur noch selten in den Fangnetzen der Fischer. Forscher der Fraunhofer EMB haben ein ganzes Paket an Maßnahmen ergriffen, das die prekäre Ernährungslage verbessern soll: Unter anderem mit neuen Aufzuchtanlagen, optimierten Zuchtprotokollen wollen die Forscherteams die Effizienz der Zucht des Chambo steigern und die Produktion von Fisch und Gemüse verbessern.

Der Malawisee ist der drittgrößte See Afrikas, der neuntgrößte weltweit. Er beherbergt etwa 470 Fischarten, davon sind die meisten Buntbarscharten. Chambo heißt eine bei der Bevölkerung besonders beliebte Tilapienart, eine besonders wichtige Proteinquelle und Ernährungsgrundlage. Doch diese endemische Nutzfischart mit dem Fachnamen Oreochromis karongae ist stark überfischt. Um die Ernährungslage der Bevölkerung zu verbessern, wollen Forscherinnen und Forscher der Fraunhofer EMB im Projekt »Ich liebe Fisch« zusammen mit den Partnern mit unterschiedlichsten Strategien die Aufzucht und Produktion des Chambo steigern, effizienter und nachhaltiger gestalten und so der prekären Versorgung mit Proteinen entgegenwirken. Partner im internationalen Forschungsprojekt sind die Gesellschaft für Marine Aquakultur mbh (GMA) in Büsum, die Lilongwe University of Agriculture and Natural Resource (LUANAR), das Quantum for Urban Agriculture and Environmental Sanitation (QUALIVES) und der Innovative Fish Farmers Network Trust (IFFNT). Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung BLE fördert das Vorhaben, das bis Ende 2020 läuft, mit 1,65 Mio. Euro.

Aquakultur ist eine der Maßnahmen, um die Landbevölkerung Malawis mit mehr Chambo-Buntbarschen zu versorgen. Die Produktion vor Ort ist jedoch gering und nicht effizient. Eines der drängendsten Probleme ist die unzuverlässige Versorgung der Teichbesitzer mit Setzlingen. Eine der Hauptaufgaben der Projektpartner besteht daher darin, Methoden zu etablieren, die eine stabile Versorgung der Aquakultur-Bauern, welche die Fische zur marktfähigen Größe aufziehen wollen, mit Setzlingen sicherstellen.

Aufzuchtanlage zur Nachzucht von eigenen Laichfischbeständen

In einer neuen, eigens vom »Ich liebe Fisch«-Projekt konzipierten und installierten solargestützten Aufzuchtanlage am Bunda College, die unabhängig von der lokalen Netz-Stromversorgung ist, können effizient große Mengen an Fischlarven aufgezogen werden, bis sie die Größe von Fingerlingen mit etwa zehn Gramm Gewicht erreicht haben. Die so gezüchteten jungen Fische, auch Setzlinge genannt, werden dann zu einem günstigen Preis an die Aquakultur-Farmer verkauft. »Bis zu einem marktüblichen Gewicht von 250 bis 330 Gramm können die Fische dann in den Teichbetrieben vor Ort großgezogen werden«, weiß Dr. Sebastian Rakers, Wissenschaftler an der Fraunhofer EMB in Lübeck.

Das Forscherteam arbeitet dabei mit mehreren Communities zusammen, die unterschiedlich organisiert sind: Während einige auf eine langjährige Aquakulturerfahrung zurückblicken, sind andere erst im Aufbau begriffen. Aufgabe der Forscher ist es, die unterschiedlich ausgeprägten Wissensstände zu harmonisieren. »Wir bieten hier ein breites Spektrum an Technologien an. Wir vermitteln den Betreibern der Teichwirtschaften das Know-how, beispielsweise welchen Untergrund sie auswählen müssen, unterrichten sie aber auch in Kryokonservierungstechnologien, die helfen, das ganze Jahr über Fisch zu produzieren«, sagt Rakers.

Reproduktionsraten durch Kryokonservierung erhöhen

Die Kryokonservierung von Chambo-Fischspermien gibt es bislang noch nicht, die Partner erarbeiten im Projekt neue Einfrier-Protokolle für Spermien des Oreochromis karongae, um gezielt Laichpopulationen mit erhöhter Reproduktionsleistung zu züchten. Im ersten Schritt werden vielversprechende Fischstämme ausgewählt, die etwa resistent gegenüber Krankheiten sind und gute Wachstumsparameter aufweisen. Deren Spermien werden eingefroren, wobei man sie mit Frostschutzmitteln vermischt. So verhindert man, dass sich Eiskristalle bilden, die die Zellbestandteile zerstören würden. Die Spermien werden bei -196 °C in flüssigem Stickstoff gelagert und konserviert. »Es kann vorkommen, dass Männchen und Weibchen nicht zeitgleich laichreif sind. Die Folge sind geringe Reproduktionsraten. Die kryokonservierten Spermienproben nutzen wir, um die Paarungszeit zu verlängern und um gezielt Laichpopulationen mit erhöhter Reproduktionsleistung zu züchten«, erläutert der Wissenschaftler. Die Kryokonservierungstechnik wird bereits von den Partnern in Malawi getestet.

Gemüse- und Fischzucht kombinieren durch Aquaponik

Eine weitere Maßnahme ist die Intensivierung von integrierter Aqua- und Agrikultur (IAA), welche die Aufzucht von Fischen in Aquakultur mit dem Anbau von Gemüse verknüpft. Hierzu gehört vor allem die Düngung von Gemüsepflanzen mit Teichwasser, was erhebliche Mengen an Kunstdünger einsparen kann, da das Nitrat aus dem Teichwasser zur Düngung der Pflanzen als »Abfallprodukt« aus der Fischzucht praktisch kostenlos zur Verfügung steht. Eine Variante aus der IAA, die Fisch- und Pflanzenzucht in einem geschlossenen Kreislauf verknüpft, nennt man Aquaponik. »Hier wird die Aquakultur mit Hydroponik kombiniert - also mit der Aufzucht von Pflanzen ohne Erde«, erläutert der Biologe. Das System funktioniert, indem man die Exkremente und Futterreste aus der Fischzucht als Nährstoffe für das Gemüse verwendet. »Die Exkremente gelangen ins Wasser und reichern es so mit Nährstoffen an. Das nährstoffreiche Wasser pumpen wir in die Pflanzenbeete, wo nitrifizierende Bakterien das von den Fischen ausgeschiedene Ammonium in Nitrat umwandeln, das dann von den Pflanzen verwertet wird.« Zum Vergleich: Aquaponik verwendet nur etwa ein Zehntel des Wassers vom Gartenbau auf Bodenbasis und hilft dabei, Wasser zu sparen. Dies ist in Ländern wie Malawi wichtig, die in hohem Maß auf regenversorgte Landwirtschaft und auf Aquakultur angewiesen sind.

Gesunde Fische durch optimale Futterzusammensetzung

Darüber hinaus widmen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im weiteren Verlauf des Projekts der Fragestellung, wie die Produktionsleistung der Fische in den Teichen der Farmer durch optimiertes Futter erhöht werden kann. Üblicherweise werden die Reste aus der Maisproduktion an die Fische verfüttert, welche die Menschen nicht mehr verwerten können und die nur noch einen Restgehalt von etwa drei Prozent Protein enthalten. »Da verwundert es nicht, dass die Tiere schlecht gedeihen«, so Rakers. Das Problem der minderen Futterqualität war zu Beginn des »Ich liebe Fisch«-Projekts in diesem Ausmaß nicht erwartet worden. Das Projektkonsortium sah jedoch einen beträchtlichen Handlungsbedarf in der Erschließung von geeigneten Proteinquellen für die Fischernährung innerhalb Malawis, um vollwertiges, aber auch bezahlbares Fischfutter für die ländlichen Aquakultur-Bauern herzustellen. Die Erzeugung von hochwertigen Proteinen über die Produktion von Insektenlarven ist dabei eine Option, die in Malawi kostengünstig über die Nutzung von organischen Substraten realisiert werden könnte. »Wir formulieren die identifizierten proteinreichen Rezepturen mit in Malawi lokal erhältlichen Rohstoffen, um den Züchtern vor Ort eine ökonomische Herstellung zu ermöglichen.« Die Produktion von Larven der Schwarzen Soldatenfliege (Black soldier fly, Hermetia illucens) zur Gewinnung tierischen Proteins wird in der restlichen Laufzeit des Projekts bis Ende 2020 verfolgt.

Diverse Trainingskurse für die Kleinfarmer, die von der Fischproduktion über Produktentwicklung, Marketing bis hin zu Ernährungskursen reichen, komplettieren den Maßnahmenkatalog. Während des Projektverlaufs beobachten Rakers und seine Kolleginnen und Kollegen darüber hinaus den Gesundheits- und Ernährungsstatus der ländlichen Bevölkerung, um Fortschritte dokumentieren zu können. Erste Erfolge der Forschungsarbeiten seien bereits zu vermelden, so der Biologe: »Durch die kontrollierte Larvenaufzucht konnten wir mehr Fingerlinge für die Teichwirtschaft anbieten und verzeichnen bereits höhere Erträge und einen Anstieg des Biomasseanteils.« Rakers und die Projektpartner sind zuversichtlich, mit ihrem Maßnahmenpaket langfristig den Ernährungszustand, die Gesundheit und das Einkommensniveau der Bevölkerung zu ver-bessern und neue Einnahmequellen zu schaffen.

Dieses Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution96

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer-Gesellschaft, 04.11.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2019

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