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INTERNATIONAL/091: Brasilien - Regierung setzt auf Supernahrungsmittel, Pilotprojekt in 15 Gemeinden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Juli 2013

Brasilien: Regierung setzt auf Supernahrungsmittel - Pilotprojekt in 15 Gemeinden

von Fabiola Ortiz


Bild: © Embrapa

Feld mit nährstoffangereicherten Pflanzen in Itaguaí
Bild: © Embrapa

Rio de Janeiro, 17. Juli (IPS) - In weniger als zehn Jahren sollen den Brasilianern acht von Wissenschaftlern mit Nährstoffen angereicherte 'Supernahrungsmittel' zur Verfügung stehen. Das Pilotprojekt ist bereits in insgesamt 15 Gemeinden in elf Bundesstaaten angelaufen.

Die Forscher nutzen die Methode der Biofortifikation, um den Mikronährstoffgehalt in Grundnahrungsmitteln zu erhöhen. Damit sollen in der Bevölkerung die Ursachen von Anämie, Blindheit, der Schwächung des Immunsystems und von Entwicklungsstörungen bekämpft werden. Nach Angaben der UN-Ernährungsorganisation FAO leiden auf der Welt etwa zwei Milliarden Menschen an Mangelerscheinungen.

Vor ungefähr zehn Jahren begann das staatliche Unternehmen 'Embrapa' mit dem Projekt 'Biofort', um innerhalb eines internationalen Bündnisses neue Pflanzensorten mit hohem Anteil von Mikronährstoffen zu produzieren. Embrapa konzentrierte sich auf die Nahrungsmittel, die in dem südamerikanischen Land am meisten verzehrt werden: Reis, Bohnen, Maniok, Süßkartoffeln, Mais, Kürbis und Weizen.

"Wir versuchen, den Gehalt an Eisen, Zink und Provitamin A zu erhöhen. Diese Nährstoffe fehlen nicht nur in Brasilien, sondern auch in anderen Teilen Lateinamerikas und der Welt. Dieser Mangel verursacht den so genannten verdeckten Hunger", sagte die Lebensmitteltechnologie-Ingenieurin Marilia Nutti, die das Biofort-Projekt koordiniert.


Eisenmangel weit verbreitet

Laut Nutti leidet etwa die Hälfte aller Kinder in Brasilien an Eisenmangel. Um die Pflanzen anzureichern, werden Exemplare derselben Spezies miteinander gekreuzt und die besten Saatkörner weiterverwendet. "Die Biofortifikation soll den Ärmsten der Armen helfen. Dieses Verfahren ist vom wissenschaftlichen und finanziellen Standpunkt her durchführbar."

Das Programm wird von den Forschungsgemeinschaften 'HarvestPlus' und 'AgroSalud' unterstützt, die in Lateinamerika, Afrika und Asien arbeiten. Finanziert werden sie mit Mitteln aus der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, von der Weltbank und von anderen internationalen Entwicklungsinstitutionen. An dem mit fast zehn Millionen US-Dollar finanzierten Projekt sind 15 Universitäten sowie andere Forschungseinrichtungen beteiligt.

Der Eisengehalt von Bohnen kann durch Biofortifikation von 50 Milligramm auf 90 Milligramm pro Kilo gesteigert werden. Maniok, der von Natur aus fast kein Betakarotin enthält, wird pro Gramm mit neun Mikrogramm dieser Vorstufe von Vitamin A angereichert. Bei Süßkartoffeln steigt der Anteil von zehn auf 115 Mikrogramm pro Gramm. Und in jedem Kilogramm Reis finden sich 18 statt wie bisher zwölf Milligramm Zink.

Im etwa 70 Kilometer von Rio de Janeiro entfernten Itaguaí erhalten bereits um die 8.000 Kinder im Vorschulalter diese angereicherten Nahrungsmittel. In der Industriestadt mit rund 110.000 Einwohnern wird jährlich ein Bruttoinlandsprodukt von 14.000 Dollar pro Person erwirtschaftet. Die meisten Beschäftigten erhalten den Mindestlohn von umgerechnet rund 600 US-Dollar monatlich.

In Itaguaí werden derzeit Süßkartoffeln, Kürbis, Bohnen und Maniok auf einem Hektar Fläche angebaut und die Kleinbauern fortgebildet, deren Ernten für die Schulspeisungen verwendet werden.

"Itaguaí hat Modellcharakter. Im dritten Jahr in Folge haben wir den Preis für das beste Schulessen gewonnen. Wir haben ehrgeizige Pläne, um rasch alle städtischen Bildungsstätten und alle Kleinbauern zu erreichen", sagte die kommunale Beauftragte für Umwelt, Landwirtschaft und Fischerei, Ivana Neves Couto.

In der Stadt gibt es 62 staatliche Schulen, an denen 17.000 Schüler angemeldet sind. 2010 begann die Stadtverwaltung damit, angereicherte Nahrungsmittel an 13 Vorschulen mit etwa 8.000 Kindern zu verteilen. Alle Kleinbauern sollen in das Projekt eingebunden werden, damit binnen zwei Jahren alle Schulen in Itaguaí sowie die Märkte beliefert werden können.


Weltweite Forschungen

Brasilien ist das einzige Land, das acht Kulturpflanzen anreichert. In Bangladesch, der Demokratischen Republik Kongo, Indien, Kolumbien, Mosambik, Nicaragua, Pakistan, Peru und Uganda wird mit jeweils einem Lebensmittel experimentiert.

Nutti hält es für notwendig, dass die Regierung die Biofortifikation landesweit als Instrument zur Nahrungssicherung einsetzt. Panama habe das Verfahren bereits in die offizielle Agenda aufgenommen. In Brasilien sollen diese neuen Lebensmittel vor allem dabei helfen, die Ernährungsprobleme in den verarmten Bundesstaaten Maranhão, Piauí und Sergipe im Nordosten zu lindern. Für ein Land mit insgesamt rund 200 Millionen Einwohnern ist die Initiative bisher aber noch nicht weit genug entwickelt. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.embrapa.br/programas_e_projetos/biofortificacao-de-alimentos-no-brasil-2013-biofort
http://www.gatesfoundation.org/Who-We-Are
http://www.harvestplus.org/
http://www.agrosalud.org/
http://www.ipsnoticias.net/2013/07/brasil-cocina-superalimentos/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2013