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INTERNATIONAL/019: Mauretanien - Neue Agrarinitiative soll Selbstversorgung verbessern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. September 2011

Mauretanien: Neue Agrarinitiative soll Selbstversorgung verbessern

Von Med Abderrahmane


Nouakchott, 5. September (IPS) - Die Regierung Mauretaniens unternimmt einen neuen Anlauf, um die Selbstversorgung des bitterarmen nordwestafrikanischen Sahellandes zu verbessern. Das Vorhaben stützt sich auf die Ausweitung der Bewässerungsanlagen, die Einführung ertragreicherer Getreidesorten, den Einsatz moderner Geräte und eine umfassende Schulung der beteiligten Kleinbauern, denen gute Abnahmepreise für ihre Ernten zugesichert werden.

Rechtzeitig vor Beginn der Erntesaison 2011/12 erhalten zudem 125 junge arbeitslose Hochschulabsolventen nach einer technischen Schulung die Chance, sich durch Ackerbau auf einer eigenen Parzelle im Süden eine bäuerliche Existenz zu schaffen. Am Ufer des Senegal-Flusses, auf der M'Pourie-Ebene in der Nähe der Stadt Rosso, überlässt die Regierung den Jungfarmern insgesamt 1.500 Hektar Land zur Bewirtschaftung.

Zu den Begünstigten gehört Rabia Mint Zeidane. Seit Mai schuftet die studierte Volkswirtin unter glühender Sonne auf ihrem zehn Hektar großen Land und befreit gemeinsam mit zwei Landarbeitern die Bewässerungsgräben von üppig wucherndem Schilf. Sie möchte Reis anbauen und sicher sein, dass sich ihre Felder ausreichend bewässern lassen.

Mint Zeidane ist nach eigenen Angaben fest entschlossen, sich in der traditionellen Männerdomäne des Reisanbaus erfolgreich zu behaupten. Neben der zusätzlichen Fachausbildung und dem Stück Land verdankt sie der Regierung ein Startkapital von umgerechnet 1.430 US-Dollar und zwei Milchkühe.

Im Rahmen ihrer jüngsten Agrarinitiative führt die mauretanische Regierung in sechs der 13 Regionen des Landes auch den Anbau von Weizen ein. Mit Hilfe einer verstärkten Bewässerung von 20.000 Hektar (2010) auf bis zu 30.000 Hektar soll zusätzliches Agrarland gewonnen werden. Auf 3.700 Hektar Land wird Reis angepflanzt. Auf geeigneten Böden soll die Anbaupalette zudem durch Weizen, Obst und Gemüse ergänzt werden.

Anders als bei einer vor zehn Jahren gescheiterten Agrarinitiative haben sich die Regierung und die regionalen Behörden in der Hauptstadt Nouakchott und in Rosso diesmal um eine durchdachte Vorbereitung ihres Programms bemüht. Die interessierte Öffentlichkeit wurde informiert, Kredite bereitgestellt, Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung durchgeführt und die Wasserversorgung verbessert.

Angesicht der bedrohten Nahrungsmittelsicherheit im 3,2 Millionen Menschen zählenden Land und rasant steigender Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis, Weizen und Zucker sah sich die Regierung gezwungen, die Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuholen und die Produktivität der einheimischen Landwirtschaft zu verbessern.


Gründliche Vorbereitung verspricht Erfolg

Der für die Kontrolle der Weizenproduktion zuständige Agraringenieur Salem Merrakchi rechnet mit dem Erfolg der Agrarinitiative. "Wenn die Bauern den Rat technischer Experten befolgen, können sie gute Erfolge erwarten", sagte er. Er rechne mit einer Verdoppelung der Weizenernte von 1.882 auf über 3.840 Tonnen. Der Experte räumte ein, einige Regionen seien für den Weizenanbau nicht geeignet, dort gebe es Probleme. "Dort kennt man sich mit dem Weizenanbau nicht so gut aus. Zudem wurden Felder nicht rechtzeitig auf die Aussaat vorbereitet, es fehlte eine gezielte Schädlingsbekämpfung und das Vieh weidete auf den bestellten Feldern."

Bettar Ould El Bou, Generaldirektor der Landwirtschaftsbank 'Crédit Agricole', die mit bäuerlichen Sparkassen und Landwirtschaftskooperativen zusammenarbeitet, hofft, dass die bereits durchgeführte Reform der Kreditvergabe eine wirksamere Kontrolle der Mittelvergabe ermöglicht. Er berichtete, in den vergangenen zehn Jahren habe sein Institut umgerechnet mehr als 43 Millionen Dollar an Krediten vergeben. Bislang seien jedoch nicht einmal 30 Prozent zurückgezahlt werden. Zudem hätten viele Gläubiger das Geld nicht in die Landwirtschaft investiert.

Derzeit läuft in den südlichen Regionen Trarza, Brakna und Gorgol, wo die Feldbestellung bereits begonnen hat, noch nicht alles rund. Der Bauer Mohamed El Ghaly Ould Maayouf, der an der Straße zwischen Rosso und Boughé ein großes Feld besitzt, beklagt die hohen Produktionskosten des Reisanbaus. "Sie belaufen sich auf rund 1.300 Dollar, denn Löhne, Treibstoff und Transport sind außerordentlich teuer", stellte er fest. Ratten und Vögel, unerwartet schwere Regenfälle und üppig wuchernde Wasserpflanzen schmälern ebenfalls seine Erträge. Selbst bei einem wirksameren Schutz vor Vögeln und wucherndem Schilfrohr könne er höchstens vier Tonnen Reis pro Hektar ernten. Rentabel aber werde der Reisanbau erst ab fünf Tonnen pro Hektar, betonte Maayouf.

Niang Samba Demba, der Vorsitzende einer Dachorganisation von Agrarkooperativen in der Südregion Gorgol, kritisierte, dass die in den 80er Jahren begonnne Einführung von Bewässerungsmethoden bis heute nicht abgeschlossen ist. "Viele Farmer gaben das Bewässern ihrer Felder auf, weil es sich nicht gelohnt hatte. Zu hoch waren die Ernteverluste durch Schädlinge, durch fehlende Dreschmaschinen und klimatische Unwägsamkeiten. Wegen ihrer Schulden konnten sie keine neuen Kredite beantragen", sagte er.

"Wenn wir diesmal scheitern, gibt es keine Entschuldigung. Die Kredite stehen bereit, und das Programm wird von höchster Stelle unterstützt", betonte der Agrarexperte. "Für die Bauern gibt es jetzt Wasser, Traktoren und Erntemaschinen, besseres Saatgut, Qualitätsdünger und technische Beratung. Jetzt geht es ums Überleben des Weizenanbaus und um die Chance einer unabhängigen Getreideproduktion" erklärte er. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2011