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GENTECHNIK/557: Gentechnikfreie Soja aus Brasilien? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 406 - Januar 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Gentechnikfreie Soja aus Brasilien?
Eine Reise durch Regionen mit dem Blick nach Europa

von Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der AbL


Ist gentechnikfreie Soja aus Brasilien auch in Zukunft noch beziehbar? Um dieser und anderen Fragen nachzugehen, habe ich mich im Oktober, gerade rechtzeitig zur Sojaaussaat, auf den Weg gemacht und zwei große Soja-Anbauregionen in den Bundesstaaten Parana und Mato Grosso besucht. Schon wenige Tage nach der Direktsaat sprießt die Soja durch die Weizen- oder Maisstoppeln. Nach 45 Tagen beginnt die unscheinbare weiße oder lila Blüte. Im Januar wird geerntet.

Wir haben mit Farmern, Lagerhändlern, einer Ölmühle, Saatgutvermehrern und Händlern gesprochen und verschiedene Eindrücke gesammelt. Kurz gesagt: Ja, es ist möglich, weiterhin gentechnikfreie Soja aus Brasilien zu beziehen, es braucht aber auf beiden Seiten des Atlantiks Anstrengungen und Bewegung. Der gentechnikfreie Sojaanbau ist dort in den letzten beiden Jahren zurückgegangen, obwohl hier in Europa die Nachfrage (nach den Marktverunsicherungen 2014) wieder gestiegen ist. Was fehlt, sind vor allem Transparenz und längerfristige Verträge. Selbst Farmer, die aktuell GV-Soja anbauen, würden gerne wieder auf gentechnikfreie Soja umstellen, wenn die Abnahme sichergestellt und das "Premium" hoch genug ist, um die Mehrkosten für die Trennung der gentechnikfreien Produktion zu decken.

Qualitätssicherung

Die Gentechnikfreiheit bei der Soja sicherzustellen, ist nur ein geringes Problem, darin sind die Brasilianer erprobt. Sie säen früher, trennen bei Ernte, Transport und Lagerung, um die Kontamination zu verringern. Einfacher ist das bei gentechnikfreien Betrieben. Wir haben eine große Genossenschaft besucht, die Maßnahmen ergreift, um 99,99 % Gentechnikfreiheit sicherzustellen. Sie verfolgen die Ware vom Saatgut bis nach Europa.

Markt

Ein Problem ist die Marktkonzentration derjenigen, die gentechnikfreie Ware annehmen oder verarbeiten. Im Süden gibt es eine Sojaölmühle, Imcopa, in der Mitte weitere Verarbeiter wie Caramuru und Selecta, im Norden Amaggi. Zudem nehmen nicht alle Agrarhändler gentechnikfreie Soja auf, weil das entsprechend mehr Kapazitäten verlangt. Deshalb überlegen die Farmer, sich zusammenzuschließen, eigene Silos zu bauen, sogar Sojamühlen zu betreiben und selber nach Europa zu liefern. In Mato Grosso gibt es hier schon weitreichende Überlegungen. Ein Zusammenschluss der Farmer kann entsprechende Volumina bereitstellen, gibt ihnen aber auch mehr Einfluss beim Aushandeln und Durchsetzen des Premiums.

Saatgut

Bedrohlich ist die Konzentration im Saatgutmarkt. Bei der Soja ist Monsanto mit seinen Unterfirmen marktbeherrschend. Bei den Gentechniksorten wird derzeit vor allem Roundup Ready 2 (Glyphosatresistenz) eingesetzt und vermehrt Intacta (Glyphosatresistenz und Bt-Insektengift). Forschungsfragen und Versuche sind in den letzten Jahren immer mehr auf GVO-Saatgut ausgerichtet werden. Hingegen wird das Angebot an gentechnikfreien Sojasorten immer mehr verknappt. Vor zwei Jahren hat Monsanto mindestens vier konventionelle Sojasorten vom Markt genommen, obwohl sie gut und ertragssicher waren. Neue Sorten mit konventionellem Züchtungsfortschritt kommen ausschließlich als GVO-Variante auf den Markt. Das macht Farmer sauer. Mehrere haben betont, dass dies einer der Hauptgründe für sie sei, gentechnikfrei anzubauen. Noch gibt es gute konventionelle Sorten, die sich über die Jahre bewährt haben. Wichtig ist, diese - zu erhalten.

Deals

Bei Einführung der ersten GV-Sojabohne (RR1, Glyphosatresistenz), haben sich viele Lagerhändler darauf eingelassen, die Sojaernte bei der Anlieferung auf GVO zu untersuchen. Selbst wenn nur wenige Prozentanteile GVO enthalten waren, verlangte Monsanto Lizenzgebühren für die volle Fracht. Zusätzlich hatte Monsanto beim Verkauf des GV-Saatguts einen hohen Preis verlangt. Farmerorganisationen haben gegen diese Doppeleinnahmen des Konzerns geklagt und letztendlich gewonnen. Monsanto muss den Farmern die erhöhten Gebühren zurückzahlen. Um die Auszahlung aber einzugrenzen, lässt Monsanto beim Kauf der aktuellen GV-Sorte Intacta nun die Bauern unterschreiben, dass sie auf Lizenzrückzahlungen von Monsanto verzichten.

Der Spritzmittelverbrauch ist erheblich und keineswegs wie versprochen durch die GV-Sorten zurückgegangen. Ein Berater erklärte, dass es mindestens zehn glyphosatresistente Unkräuter und Gräser gibt, die relevante Schäden verursachen. Das führt dazu, dass vermehrt andere Spritzmittel eingesetzt werden, auch Paraquat und 2,4 D-Pestizide, die bei uns verboten sind. Bayer und BASF wollen mit neuen GV-Pflanzen auf den Markt, die eine Glufosinat- oder Imidazolinonresistenz haben. Einige Farmer stellen sich durchaus die Frage, wie lange das System der engen Fruchtfolge und des intensiven Spritzmitteleinsatzes noch funktioniert.

Viele der Gebiete, in denen jetzt Soja wächst, waren einst Regenwald oder Cerrado, die artenreichste Savanne der Welt. Abgeholzt wurde zunächst für Viehwirtschaft oder Eukalyptusplantagen. Erst später wurden dort Soja u. a. Exportprodukte angebaut. Zwar gibt es das Regenwaldmoratorium, laut Greenpeace die wirkungsvollste Maßnahme gegen Abholzung. Trotzdem werden im Amazonas und im Cerrado weitere Flächen gerodet, weil vor allem die Nachfrage aus China jährlich um zehn Prozent wächst.

Landfrage

Unerträgliche Zustände gibt es nach wie vor in der Landfrage. Landlose müssen sich unter erheblichen Mühen ihr Recht auf produktives Land erkämpfen. Es kommt nach wie vor zu Verhaftungen und Ermordungen. Andere Gruppen, wie Nachfahren ehemaliger Sklavenarbeiter, haben es noch schwerer, zu erreichen, dass ihnen zumindest für eine Subsistenzwirtschaft ausreichende Flächen zur Verfügung gestellt werden. Obwohl ihnen die Flächen rechtlich zustehen, wissen Großgrundbesitzer dies zu verhindern. Nach wie vor werden Indigene mit brutaler Gewalt vom Land vertrieben. Außerlandwirtschaftliche Investoren graben auch in Brasilien Land ab. Der Wirtschaftskurs Brasiliens wird sich daran messen lassen müssen, ob die Vernichtung wertvoller ökologischer Gebiete und soziale Armut und Unterdrückung noch weiter zunehmen oder zurückgedrängt werden können.

Viele Brasilianer, die wir getroffen haben, haben eine hohe Meinung von Europäern. Ein Handelsberater sagte, wenn es eine Chance gebe, die Abholzung und den immensen Pestizidgebrauch zu stoppen, dann indem aus Europa entsprechende Nachhaltigkeitsanforderungen an Importsoja gestellt werden. Sofern Europa und insbesondere Deutschland überhaupt weiter Importsoja beziehen will, müssen wir absichern, dass dies gentechnikfrei ist, aber auch, dass andere ökologische und soziale Mindestkriterien eingehalten werden. Dafür bedarf es einer klaren Nachfrage, Zeithorizonte und Abnahmesicherheiten. Die Brasilianer haben zugesichert, dass sie liefern können und auch gerne wollen.

Dank an alle, die diese Einblicke mit ermöglicht haben!

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 406 - Januar 2017, S. 20
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2017

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