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GENTECHNIK/472: Neue Probleme statt Lösungen durch Gentechnik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 335 - Juli/August 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Neue Probleme statt Lösungen durch Gentechnik
In Indien, China und den USA setzt man gegen Schädlinge nun wieder auf altbewährte Rezepte

Von Annemarie Volling


Dem größten Gentechnik-Konzern Monsanto geht's nicht gut. Einerseits gerät er durch Billigkonkurrenz aus Fernost massiv unter Druck, denn nach Auslaufen des Patentschutzes auf sein Produkt Roundup bzw. auf den darin enthaltenen Wirkstoff Glyphosat, bringen asiatische Konkurrenten Nachahmerprodukte auf den Markt, die durch niedrigere Preise erhebliche Marktanteile abschöpfen. Hinzu kommt, dass immer wieder neue Unkrautresistenzen gegen Roundup festgestellt werden, alleine in Argentinien gibt es 14 offiziell anerkannte Resistenzen.

Aber auch der zweiten Sparte ihrer gentechnisch veränderten Pflanzen, die bestimmte Insektengifte produzieren (sog. Insektenresistenz, Bt-Pflanzen), geht es nicht besser. Denn vermehrt kommt es zu Resistenzbildungen der eigentlichen Zielschädlinge. Bereits 2008 haben US-Wissenschaftler der Universität von Arizona festgestellt, dass der Baumwollkapselbohrer in den US-Bundesstaaten Arkansas und Mississippi Resistenzen gegen das Bt-Gift entwickelt, das eigentlich den Baumwollkapselwurm beim Fressen töten soll. Die Wissenschaftler hatten festgestellt, dass die Schädlinge mittlerweile die 50 bis 500-fache Dosis an Bt-Toxin überleben konnten.

In Indien berichtete die zweitgrößte Tageszeitung The Hindu im März 2010, dass Monsantos Wissenschaftler Resistenzen gegen Bt-Baumwolle festgestellt und öffentlich zugegeben haben. Gegen die dort seit 2002 angebaute Bt-Baumwolle Bollgard I sind resistente Formen des "roten Baumwollkapselwurms" gefunden worden.


Resistenzmanagement empfohlen

Spannend ist, dass Monsanto dieses Phänomen als völlig natürlich betrachtet. Bollgard II sei dem gewachsen, weil sie zwei unterschiedliche Bt-Gifte enthielte. Sie werde seit 2006 angebaut und Monsanto hätte noch keine Resistenzen entdeckt.

In ihrer Ursachenanalyse kommt Monsanto einerseits zu der Schlussfolgerung, dass die Bauern nicht ausreichend große Refugienflächen angelegt hätten. Zum Vergleich: In Amerika und Deutschland schreibt Monsanto auf 20 Prozent der Fläche konventionellen Anbau vor, um zu schnelle Resistenzbildungen zu vermeiden. In bestimmten Regionen in Amerika, wo die Fruchtfolge stark auf Bt-Mais und Bt-Soja eingeschränkt ist, schreibt Monsanto auf 50 Prozent der Fläche Resistenzmanagement vor. Zum anderen sei der illegale Anbau von Bollgard I Schuld, denn vor der offiziellen Zulassung sei deren Giftgehalt zu niedrig gewesen, so dass leichter Resistenzen entstehen konnten. Monsantos Lösung für dieses Problem ist Bollgard III. Bis dahin sollen die Bauern besser geschult werden. Wichtig seien geeignete Anbaumaßnahmen, dazu gehörten: ausreichend große Refugienflächen, tiefes Pflügen, Beseitigung von Ernterückständen und möglichst breite Fruchtfolgen... Mit genau diesen Methoden könne laut der Biologischen Bundesanstalt und der niedersächsischen Landwirtschaftskammer der Maiszünsler bei konventionellen Sorten zu 99 Prozent in Schach gehalten werden. Die Frage ist, wo bei der Gentechnik dann noch ein ökonomischer Vorteil liegen soll.


China: Gentechnik-Baumwolle fördert neuen Schädling

In Nordchina haben chinesische Wissenschaftler die Entwicklung von Schädlingspopulationen in den letzten zehn Jahren untersucht. Ihr Ergebnis: Durch den Anbau von Bt-Baumwolle, die gegen den Schädling Baumwoll-Kapseleule resistent ist, geht dieser Schädling zwar zurück. Allerdings konnten sich statt dessen andere Schädlinge - Weichwanzen - denen das Bt-Gift nichts antut, ausbreiten. Ehemals ein eher unbedeutender Schädling in Nordchina, ist der Schadensbefall um das 12-fache gestiegen und hat sich jetzt zum Hauptschädling für die Region entwickelt. Nach Angaben der Wissenschaftler besteht ein direkter Zusammenhang mit der Ausweitung des Bt-Anbaus. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Weichwanzen sich deshalb ausbreiten konnten, weil das breite Spektrum an Pestiziden durch den Anbau von Bt-Baumwolle reduziert wurde. Die Ernteausfälle können sehr hoch sein, deshalb greifen die Bauern jetzt wieder vermehrt zu Pestiziden. Laut den Wissenschaftlern nutzen die Bauern derzeit schon zwei Drittel so viel Gift wie früher, mit steigender Tendenz. Die Insekten stellen auch eine Gefahr für viele andere Feldfrüchte wie Bohnen, Getreide und Gemüse dar.

Die Raupe des Westlichen Bohnenschneiders war in Amerika einst kein Problem im Maisanbau. Jetzt verursacht sie massive Schäden in Regionen, wo bspw. MON 810 angebaut wird, wie ein Bericht von Christoph Then (Testbiotech) vom März 2010 aufdeckte. "MON 810 produziert ein Insektengift, das die natürlichen Konkurrenten des Westlichen Bohnenschneiders verdrängt. So wird ihm eine neue ökologische Nische geschaffen", so der Autor der Studie. Der Schädling breitet sich seit 2000 über den gesamten Mais-Gürtel der USA aus, die Schäden würden nach den ausgewerteten Informationen deutlich zunehmen.


"Neuer" Schädling auch in USA

Amerikanische Bauern werden zwar informiert, wie der Schädling zu erkennen ist und welche Spritzmittel gegen ihn wirken, allerdings ohne den Zusammenhang zu MON 810 herzustellen. Statt dessen empfehlen Gentechnik-Konzerne eine neue Sorte: "Smart Stax". Ein neuer gentechnisch veränderter Mais, der gleich sechs verschiedene Insektengifte produziert und zwei Herbizidresistenzen aufweist. Es fragt sich, ob der Mensch der Gewinner in diesem "Wettrüsten" mit der Natur sein kann. Schon jetzt sind die ersten Opfer auszumachen. Zu den Opfern werden in jedem Fall die Umwelt und die Landwirte gehören, die immer mehr Geld für immer mehr Patente auf Saatgut ausgeben müssen, ganz zu schweigen von dem dazugehörigen, konzerneigenen Spritzmittel. Mögliche kurzfristige Arbeitserleichterungen werden durch Resistenzmanagement, erhöhte Kosten und Abhängigkeiten wettgemacht. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Natur ein cleveres und komplexes System ist und es sich empfiehlt, darin nicht wahllos zu manipulieren. Gesucht werden problemorientierte Lösungen, die die Ursachen landwirtschaftlicher Problemfelder anschauen und im Einklang mit den natürlichen Lebensgesetzen stehen. Statt der Gewinnmaximierung von Konzernen muss das Wissen der Bäuerinnen und Bauern, die weltweit auf Vielfalt und Ernährungssouveränität setzen, im Vordergrund stehen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 335 - Juli/August 2010, S. 16
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2010