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GENTECHNIK/442: Gentechnik hält schleichend Einzug (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 326 - Oktober 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Gentechnik hält schleichend Einzug
Immer häufiger kommt es zu unkontrollierten Verunreinigungen von Saatgut

Von Anneke Jostes


Immer häufiger finden sich Verunreinigungen mit gentechnisch veränderten Konstrukten in sowohl zur Aussaat als auch zum Verzehr bestimmten Pflanzensaaten. Einer Recherche von Bioland und Greenpeace zufolge waren im Jahr 2009 von 386 in Deutschland für die Aussaat bestimmten Mais-Proben 22 mit genmanipulierten Organismen verunreinigt. 11 Saatgutpartien enthielten den Genmais Mon810, der EU-weit zum Anbau zugelassen, in Deutschland aber seit April verboten ist. Seit 2006 besteht eine Absprache der Bundesländer, nach der Saatgut mit dem Gen-Mais Mon810 verunreinigt sein darf. Oft sehen die Länder bis zur Grenze von 0,1 Prozent keinen Handlungsbedarf. Damit verstoßen sie nach Auffassung von Greenpeace und Bioland gegen das europäische Reinheitsgebot für Saatgut. In der Praxis führt eine Verunreinigung von 0,1 Prozent bei Maissaatgut zu 80 bis 100 gentechnisch veränderten Pflanzen pro Hektar.


Spärlicher Informationsfluss

Bereits im Jahr 2007 kam es in den Bundesländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern unwissentlich auf insgesamt 1.500 ha zur Aussaat von mit illegalem Gen-Raps verunreinigtem Saatgut der Sorte Taurus. Obwohl die Offenlegung der betroffenen Flächen gemäß Umweltinformationsgesetz rechtlich vorgeschrieben ist, wurden entsprechende Auskünfte dem Anbauverband Bioland durch die zuständigen Ministerien verweigert. Dies veranlasste Bioland mit der Unterstützung von Greenpeace, eine Bekanntgabe der mit verunreinigtem Rapssaatgut kontaminierten Flurstücke in den betroffenen Bundesländern gerichtlich zu erzwingen. Für die Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen liegen seit September diesen Jahres entsprechende Verwaltungsgerichtsurteile vor, die die Landwirtschaftsministerien zwingen, die Flächen öffentlich zu machen. "Die Blockadepolitik der niedersächsischen Landespolitik ist gescheitert. Durch die eindeutige Rechtslage hätte dieser Prozess vermieden und Steuergelder gespart werden können," so Harald Gabriel, Geschäftsführer von Bioland Niedersachsen. "Es kann nicht sein, dass Informationen über Verunreinigungen von Saatgut erst über langwierige Behördenanfragen zugänglich werden oder gar von Betroffenen eingeklagt werden müssen", sagt Stephanie Töwe, Gentechnikexpertin von Greenpeace. "Verbraucher, Landwirte und Hersteller haben ein Recht auf Gentechnikfreiheit. Deshalb muss ein hundertprozentiges Reinheitsgebot für Saatgut gelten."


Raps besonders riskant

Gerade Gen-Raps ist eine besonders problematische Frucht, bei der eine Koexistenz mit Nicht-GVO Anbau praktisch unmöglich ist. Gentechnisch veränderter Raps kann im Boden über zehn Jahre keimfähig bleiben, sich mit natürlich vorkommenden Pflanzen wie Hederich kreuzen und sich über benachbarte Rapsfelder durch Pollenflug und Insekten ausbreiten. Zwar sehen die Behörden Maßnahmen in Reaktion auf unwissentlich ausgebrachtes verunreinigtes Saatgut vor. Ob diese in jedem Fall ausreichend sind, darf bezweifelt werden. In Niedersachsen wurden die betroffenen Landwirte verpflichtet, den aufgelaufenen Raps wieder einzuarbeiten. Doch eine längere Anbaupause von Raps oder ein besonderes Controlling der Flächen, wie es sonst bei Gentech-Versuchsstandorten verpflichtend durchgeführt werden muss, wurden nicht zwingend vorgeschrieben. Bei der Aussaat des kontaminierten Saatgutes ist vermutlich nur ein Teil des Gen-Rapses aufgelaufen, so dass durch die nachfolgende Bodenbearbeitung ein Teil der keimfähigen Rapskörner immer noch im Boden als Samenbank verblieben ist und in den kommenden Jahren aufwachsen kann.


Ursache unbekannt

Laut Feststellung des Ernährungsministeriums liegen über die Ursprünge der Verunreinigungen "keine belastbaren Informationen vor". Die Grünen-Agrarexpertin Ulrike Höfken machte gegenüber der Saarbrücker Zeitung das Fehlen konkreter Schutzbestimmungen für die Maschinenreinigung, Lagerung und Transport als häufigste Ursache für die Verunreinigungen aus. Hier liege ein "fatales Versäumnis" der Bundesregierung vor.

Dass die illegalen Genkonstrukte auf den Feldern längst nicht halt machen, sondern auch auf den Tellern der Verbraucher landen, beweist der Fund von verunreinigtem Leinsamen in Brot, Brötchen und Müsli im September diesen Jahres. Auch hier war massiver Druck seitens Greenpeace erforderlich, um betroffene Hersteller und Handelsketten öffentlich zu machen und zu erreichen, dass die den kontaminierten Leinsamen enthaltenden Produkte vom Markt genommen wurden.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 326 - Oktober 2009, S. 20
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2009