Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

GENTECHNIK/430: Aus wahltaktischen Überlegungen Verbot von Genmais-Anbau (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 322 - Mai 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Wenn Bauern und Bürger Politikern keine Wahl lassen

Aus wahltaktischen Überlegungen verbietet die
Bundeslandwirtschaftsministerin den Genmais-Anbau

Von Marcus Nürnberger


Plötzlich war es da! Das Verbot. Kein Genmais MON 810 mehr in Deutschland. "Ich habe heute Morgen veranlasst, dass das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine Schutzklausel nach Paragraf 20 Absatz 3 Gentechnikgesetz und Artikel 23 der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG verhängt", so die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, am 14. April 2009. "Damit ist der Anbau von MON 810 in Deutschland verboten." Diesmal ist es ein Anbauverbot. Schon einmal gab es einen Vorstoß der CSU gegen den Genmais MON 810. Ende April 2007 hatte Horst Seehofer als damaliger Landwirtschaftsminister den Saatgutverkauf, zu einem Zeitpunkt, da das Saatgut längst zur Aussaat bei den Bauern war, verboten. Schon damals argumentierte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, dass nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen ein "berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass der Anbau von MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt". Eine lange Haltbarkeit kann man Seehofers damaligen Aktivitäten allerdings nicht bestätigen. Schon im Herbst wurde der Verkauf wieder zugelassen. Der Gentechnikkonzern Monsanto war der Aufforderung der Behörde nach Vorlage eines Monitoringplans, wie ihn das EU-Recht bereits seit 2003 beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen vorsieht, nachgekommen. Dass das Unternehmen bei der Prüfung des eigenen Produkts keine negativen Einflüsse entdecken konnte verwundert indes nicht. Ein weiteres Kuriosum ist es, dass die Anbauzulassung für MON 810 bereits seit zwei Jahren ausgelaufen ist. Eine Neuzulassung ist zwar von Seiten des Unternehmens beantragt, aber noch nicht erteilt. Solange sieht das EU-Recht vor, darf der Mais weiter angebaut werden.


Kalt erwischt

Dass die Entscheidung aus dem Landwirtschaftsministerium genau zu diesem Zeitpunkt kommt, beweist ein Gespür für die Situation. Die Feiertage zum Anschleichen nutzend, war es der Landwirtschaftsministerin nach eigener Aussage nicht möglich gewesen, die Bundeskanzlerin vorab in ihre Entscheidung einzuweihen. Während von höchster politischer Stelle bisher keine Reaktion kam, kritisierte die Wissenschaftsministerin Anette Schavan, als ausgesprochene Befürworterin der Grünen Gentechnik, umgehend den Entschluss. Zudem kündigte sie an, den Forschungsetat für diese Technologien weiter auszubauen. Dass auf Regierungsebene ein Hoheitskampf um das Thema Gentechnik entbrannt ist, zeigt sich in der Ankündigung der Forschungsministerin Ende Mai, mit einem Runden Tisch einen "längeren Dialog" zu starten. "Es geht bei Zukunftstechnologien wie der grünen Gentechnik nicht nur um forschungspolitische Fragen, sondern um eine Wertedebatte mit weitreichenden Folgen. Diese Debatte werde ich auch führen", sagte die CDU-Vize. Einladen will sie alle Akteure, darunter Verbände, Unternehmen, Wissenschaft, Nichtregierungsorganisationen. Gespannt sein darf man indes, ob sich am Ende wirklich eine ausgewogene Runde in Berlin zusammenfindet.


Sieg der Bewegung

Vor allem die Vertreter der gentechnikkritischen Umweltschutz-, Dritte Welt- und Landwirtschaftsorganisationen werden von der Ministerin gerne als unsachlich und zu emotionalisiert hingestellt. Dabei ist es vor allem dem enormen Druck aus der zivilgesellschaftlichen Bewegung zu verdanken, dass es zum jetzigen Verbot kam. Die von Unzähligen oft ehrenamtlich geleistete Aufklärungsarbeit in Vorträgen und auf Diskussionsveranstaltungen vor Ort ist zu einer Macht angewachsen, die nicht mehr zu ignorieren ist. Ganz besonders deutlich zeigt sich die Stärke der Anti-Gentechnik-Bewegung im aktuellen Genmaisverbot. Auch wenn Frau Aigner ihre Entscheidung allein mit den Ergebnissen neuer wissenschaftlicher Studien aus Luxemburg begründet sehen will, so wird doch deutlich, dass ein nicht geringer Anteil des Verbots dem CSU-Wahlkampf in Bayern anlässlich der bevorstehenden Europawahl geschuldet ist. Der bayrische Umweltminister Söder hat längst begriffen, dass sich mit der Forderung nach einem gentechnikfreien Bayern die sich im Rahmen der Milchpreisdiskussion von der Partei abgewendeten Bauern zumindest teilweise zurückgewinnen lassen. So ist auch zu erklären, dass Landeschef Horst Seehofer von seiner Nachfolgerin gleich noch ein Verbot der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora fordert. Ein vom Land selbst durchgeführter 10 jähriger Genmais-Freisetzungsversuch wurde vorzeitig beendet. Dass es nur dem von der CSU herbeigesehnten Wahlargument "gentechnikfreies Bayern" in diesem Jahr doch nichts werden könnte, ist die Schuld des Bundessortenamtes, das bereits vor zwei Jahren Monsanto weitere Freisetzungsversuche im Freistaat genehmigte.


Saatgut ganz billig?

Monsanto indes gibt sich kämpferisch. Das Unternehmen hat beim Verwaltungsgericht Braunschweig Klage eingereicht und dringt auf eine Eilentscheidung bis Mitte Mai, dem spätesten Saattermin. Der Unternehmenssprecher droht derweil schon mal mit möglichen Schadensersatzforderungen in Höhe von ca. vier Millionen Euro, sollte es bei dem Verbot bleiben. Wie sich diese Summe zusammensetzt will er nicht erläutern. Die Saatgutkosten jedenfalls liegen deutlich niedriger. Nach Aussagen eines Landwirts gegenüber der Tageszeitung sowie des Landesbauernverbands Mecklenburg-Vorpommern beliefen sie sich auf 90 bis 100 Euro/ha. Damit wäre das Genmais-Saatgut nur etwa halb so teuer wie konventionelles Maissaatgut. Dass das Unternehmen sein innovatives high-tech Produkt zum Schleuderpreis absetzt, um die Landwirte zum Anbau zu bewegen, wollte der Firmensprecher nicht bestätigen.


Futtermittel nicht vergessen

Mit dem Verbot in Deutschland haben mittlerweile sechs Länder, Österreich, Ungarn, Griechenland, Frankreich und Luxemburg, von der Möglichkeit Schutzklausel Gebrauch gemacht. Anders als es Aigner und Schavan glauben machen wollen, geht es um viel mehr als eine Einzelfallentscheidung. Über 80 Prozent der Bevölkerung sind nach wie vor gegen Gentechnik in Lebensmitteln. Das aber lässt sich nur erreichen, wenn man auf einen Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen generell verzichtet. Die wirtschaftlichen Interessen von Agrarkonzernen können an dieser Stelle ruhig ignoriert werden. Im nächsten Schritt gilt es jetzt, das Verbot konsequent umzusetzen und auch die Importe gentechnisch veränderter Futtermittel zu unterbinden.


*


Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 322 - Mai 2009, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2009