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GENTECHNIK/420: "Gentechnisch veränderter Reis wird am Markt nicht akzeptiert" (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Gentechnisch veränderter Reis wird am Markt nicht akzeptiert"

Der kalifornische Reisanbauer Greg Massa hat auf einem Besuch in
Deutschland von seinem Engagement gegen die Gentechnik berichtet


Von Annemarie Volling


FRAGE: Herr Massa, Sie kommen aus Kalifornien, wie sieht die Landwirtschaft dort aus?

GREG MASSA: Die landwirtschaftliche Produktion in Kalifornien ist - gemäß seiner unterschiedlichen Regionen und Klimate - extrem vielfältig. Eigentlich bauen wir alles an: von Reis bis Bananen. Landwirtschaft ist einer der großen Wirtschaftszweige Kaliforniens. Bei uns wachsen 80 Prozent der weltweiten Mandelproduktion. In meiner Region, am Sacramento Fluss, werden schwerpunktmäßig Pfirsiche und Nüsse angebaut. Mein Betrieb ist 300 Hektar groß, eine durchschnittliche Betriebsgröße der Reisbauern - meist Familienbetriebe. 100 Hektar meines Betriebes bewirtschafte ich ökologisch: Reis, Weizen und Mandeln. Hinzu kommen 200 Hektar konventioneller Reis. Die Ernte von 200.000 ha Rund- und Mittelkornreis in Kalifornien wird zu 50 Prozent nach Japan, Taiwan, Süd-Korea sowie Jordanien und die Türkei exportiert. Die anderen 50 Prozent gehen hauptsächlich in die inländische Verarbeitung, zu Kelloggs oder der Brauerei Anheuser-Busch, die Produzenten von Budweiser.

FRAGE: Sie sind Präsident der Kalifornischen Reisfarmer...

GREG MASSA: Ja, in unserem Zusammenschluss haben sich 200 kalifornische Reisfarmer organisiert mit dem Ziel, den Reisanbau wirtschaftlicher zu gestalten. Die wichtigsten Einflussfaktoren sind unserer Meinung nach die Verbesserung unseres Reisvermarktungssystems und die Biotechnologie. Wobei wir uns klar gegen die Freisetzung und den Anbau von gentechnisch verändertem Reis aussprechen, weil GV-Reis am Markt nicht akzeptiert wird und weil die Haftungsregelungen völlig unklar sind.

FRAGE: Spielt denn das Thema Gentechnik in Kalifornien eine Rolle?

GREG MASSA: Es gab schon mehrere Freisetzungsversuche. Bayer hat einen herbizidtoleranten Liberty Link Reis, die Universität von Kalifornien einen salztoleranten Reis getestet, und Ventria Bioscience hat versucht, einen Pharma-Reis freizusetzen.

FRAGE: Einen Pharma-Reis?

GREG MASSA: Genau, einen Reis, in den menschliche Gene eingebaut wurden, die dafür sorgen sollen, dass die Pflanze zwei menschliche Eiweiße produziert. Der Extrakt aus dem Pharma-Reis soll zur Produktion eines Medikaments gegen Durchfallerkrankungen bei Kindern dienen. Fatalerweise ist die Pharma-Reis-Sorte genau die gleiche Reissorte, die ich und auch die meisten anderen Kalifornischen Reisfarmer anbauen. Optisch wäre der Pharma-Reis nicht von unserem Lebensmittelreis zu unterscheiden gewesen. Und: der Pharmareis sollte inmitten unserer Anbauregionen freigesetzt werden.

FRAGE: Und, was geschah dann?

GREG MASSA: Die Kalifornischen Reisfarmer haben, nachdem das Freisetzungsvorhaben von Ventria Bioscience bekannt wurde, unsere vier größten Importeure befragt, wie sie reagieren würden, wenn es zur Freisetzung kommen würde. Die Antwort war klar: Sie würden keinen Reis mehr aus Kalifornien beziehen, auch dann nicht, wenn er billiger wäre. Die Kontaminationsgefahr sei einfach zu hoch. Japan hätte sofort seinen Import gestoppt. Das wäre für die Reisfarmer ein Verlust von 500 Mio US-Dollar jährlich. Daraufhin haben wir Kalifornischen Reisfarmer eine Petition gegen die Freisetzungspläne verfasst, die sogar der größte Getreidehändler - ADM - mit unterzeichnet hat. Anfangs hatte die Kalifornische Reiskommission den Freisetzungsversuch genehmigt, aber die Empörung in der Öffentlichkeit und die Petition der Farmer haben sie überzeugt, den Freisetzungsversuch zu stoppen!

FRAGE: Warum haben Sie sich persönlich gegen den Pharma-Reis engagiert?

GREG MASSA: Der Anbau von Pharma-Reis in Kalifornien hätte die gesamte Reiswirtschaft zerstört. Unsere Reisexporte wären eingebrochen, in Folge wären die Reis-Anbauflächen dramatisch zurückgegangen. Das hätte enorme Auswirkungen auf die ländlichen Gebiete und die Gesellschaft gehabt, da unsere lokale Wirtschaft stark vom Reisanbau abhängt. Und - es wäre ein Riesenproblem für die Zugvögel geworden, die sich bei ihrer Durchreise von Kanada von den Resten auf den Feldern ernähren... Wir bauen auf unserem Betrieb in der vierten Generation Reis an. Ich wollte verhindern, dass der Reisanbau in meiner Generation der letzte ist.

FRAGE: Wie war das mit dem Gentechnik-Reisskandal um den LL601 im Jahr 2006?

GREG MASSA: In den 90er Jahren sind von der Universität Lousiana in Südamerika Freisetzungsversuche mit LL601 gemacht worden, einem Langkornreis der Sorte Cocodrie. Der LL601 ist von Aventis entwickelt worden, die von Bayer 2002 aufgekauft worden sind. Fünf Jahre nach Ende der Freisetzungsversuche fand ein Händler heraus, dass von ihm importierter Reis mit LL601 verunreinigt war. Innerhalb kürzester Zeit fielen die Reispreise um 150 Mio US-Dollar, da Japan und Europa sofort den Import stoppten. Im weiteren Verlauf wurden in 60 Prozent der südamerikanischen Reisernte Verunreinigungen mit LL601 gefunden. Die Reisbauern haben Bayer Crop Science und die Universität Lousiana verklagt. Bis heute - 2,5 Jahre nach dem Vorfall - haben die Bauern noch keinen Dollar gesehen!

FRAGE: Wie konnte das passieren? Es waren doch "nur" Freisetzungsversuche"?

GREG MASSA: Es waren Freisetzungsversuche auf relativ kleinen Parzellen und irgendwie hat sich das Konstrukt LL601 auf den gesamten Reisanbau in Südamerika verbreitet. Bei der Recherche hat man Verunreinigungen mit LL601 im Basissaatgut der gängigen Sorte Chemiere festgestellt - eine andere als die Versuchssorte Cocodrie. Das bedeutet, dass entgegen der wissenschaftlichen Meinung, dass Reis ein "reiner" Selbstbestäuber sei, der GV-Reis trotzdem ausgekreuzt ist.

FRAGE: Und jetzt? Gibt es noch gentechnikfreien Reis aus Südamerika? Wer trägt den Schaden?

GREG MASSA: Mittlerweile weisen 99 Prozent der untersuchten Proben keine Kontaminationen mehr auf. Die Bauern haben Schadensersatzforderungen an Bayer gestellt, bislang sind die Klagen noch anhängig. Auch der Folgeschaden blieb an den Reisfarmern und den Reisverarbeitern hängen: Die verunreinigte Sorte Chemiere ist aus dem Verkehr gezogen worden. Die gesamte Produktionskette - angefangen bei den Saat- und Erntemaschinen, die Transportfahrzeuge und Zwischenlager, die Reismühlen und Schiffe.... Alles musste von Grund auf gereinigt werden - immense Kosten, die nicht der Verursacher zahlen musste. Bislang jedenfalls.

FRAGE: Hat der Skandal etwas in der US-amerikanischen Bevölkerung verändert?

GREG MASSA: Den amerikanischen Verbrauchern ist es bislang leider ziemlich egal, was sie essen. Es gibt keine Kennzeichnungspflicht für GVO-Lebensmittel und damit auch keine Wahlfreiheit für die Konsumenten. Aber in den letzten Monaten gab es einige Lebensmittelskandale: Salmonellen in Peanutbutter, Melanin im Haustierfutter - und mit Haustieren ist bei den Amerikanern gar nicht zu Spaßen. Und es gibt Erfolge: Eine RoundupReady Luzerne ist 2007 von den zuständigen amerikanischen Behörden zugelassen worden. Dagegen haben die Bauern erfolgreich geklagt und den Anbau unterbunden.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Danke für das Gespräch


Greg Massa war auf Einladung der AbL für einige Tage in Deutschland auf Veranstaltungen.
Dank an alle finanziellen Unterstützer und Aktiven vor Ort!


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009, S. 17
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2009