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BERICHT/203: 4. Symposium Urbaner Gartenbau in Berlin (aid)


aid-Newsletter Nr. 6 vom 4. Februar 2015

Solidarische Landwirtschaft
Brückenschlag zwischen Landwirtschaft und Stadt


(aid) - Historisch gesehen hat der Gartenbau sehr enge Beziehungen zur Stadt und diente jahrhundertelang der unmittelbaren Marktversorgung ihrer Bewohner, vor allem mit frischem Obst und Gemüse, sagte Dr. Ingo Braune vom Bundeslandwirtschaftsministerium auf dem 4. Symposium Urbaner Gartenbau in Berlin. Die Veranstaltung mit dem Motto "Die Produktion kehrt in die Stadt zurück" zeigte: Es gibt viele Ideen und Ansätze, um frische, leicht verderbliche Ware ressourceneffizient direkt beim Kunden zu produzieren und so auch die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen. Dazu gehören Aquaponik-Systeme kombiniert mit Fischzucht ebenso wie Dachgewächshäuser oder das Konzept der solidarischen Landwirtschaft.

Das Modell der solidarischen Landwirtschaft stellte Wolfgang Stränz vom gleichnamigen Netzwerk vor. Er drehte das Motto der Tagung allerdings um. Bei solidarischer Landwirtschaft ginge es darum, dass die Stadt in die Produktion zurückkehrt. "Kann eine Minderheit von etwa 2 % der Bevölkerung die Bedürfnisse der restlichen 98 % befriedigen, wenn sie überschuldet ist und vor Arbeitslast zusammenbricht?" fragte er.

Er versteht solidarische Landwirtschaft als ein Handlungsmodell für die Erhaltung kleinbäuerlicher Betriebe. Bei diesem System bilden Erzeuger und Verbraucher jeweils für ein Jahr eine Wirtschaftsgemeinschaft und teilen sich die Kosten, die Risiken und die Ernte. Der Buschberghof bei Hamburg beispielsweise, der vor 27 Jahren als erster Betrieb das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft in Deutschland eingeführt hat, versorgt 300 Menschen im Jahr mit allen wichtigen Grundnahrungsmitteln. Ende 2014 gab es 65 Betriebe in Deutschland, die nach diesem Prinzip wirtschaften und noch einmal so viele unterstützende Initiativen. Einmal jährlich wird das Jahresbudget festgelegt. Erzeuger und Verbraucher einigen sich auf die Anbaumethoden und Qualität. Jedes Mitglied legt sich dann auf einen Jahresbeitrag fest, nach dem Motto "jeder zahlt was er kann und was ihm wert ist", sagte Stränz, der viele Jahre Schatzmeister auf dem Buschberghof war.

Das Geld, das die Landwirte bekommen, ist genau genommen nicht für den Lebensmittelkauf, sondern für das Betreiben der Landwirtschaft. Die Verbrauchergemeinschaft bekommt die Lebensmittel gratis. "Die Lebensmittel verlieren auf diese Weise ihren Preis und gewinnen ihren Wert zurück", meinte Stränz. Die Mitgliedschaft für ein Jahr und eine Saison erzeugt ökonomische Sicherheit für den Hof und schafft Freiheit von ökonomischen Zwängen in der landwirtschaftlichen Produktion. Das bedeutet, die Bauern können sich auf die Landwirtschaft konzentrieren; sie müssen nicht versuchen, Geld zu verdienen und produzieren nur, was wirklich gebraucht wird.

Nach Ansicht von Stränz kann die solidarische Landwirtschaft auch einen Beitrag zur Sicherung der Welternährung leisten. Jedem Menschen stehen rein rechnerisch weltweit 2.000 m² landwirtschaftliche Fläche zur Verfügung, genau das praktiziere der Buschberghof. So habe solidarische Landwirtschaft viele Vorteile: Sie schafft Unabhängigkeit von Marktmechanismen und faire Arbeitsbedingungen, die Produktvielfalt stärkt die Biodiversität, sie leistet einen Beitrag zur Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe und schafft einen Brückenschlag zwischen Landwirten und Städtern.

Gesa Maschkowski, www.aid.de

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Quelle:
aid-Newsletter 6 vom 04.02.2015
Herausgeber: aid infodienst
Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V.
Heilsbachstraße 16, 53123 Bonn
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E-Mail: aid@aid.de
Internet: www.aid.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2015

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