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BERICHT/201: Wertschöpfungsketten für Agrarerzeugnisse entscheidend für Entwicklung ländlicher Räume (idw)


Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) - 20.01.2015


Wertschöpfungsketten für Agrarerzeugnisse entscheidend für Entwicklung ländlicher Räume



Mehr als 150 Gäste besuchten das Fachpodium "Wertschöpfungskettenorientierte Entwicklung ländlicher Regionen in Osteuropa - Perspektiven für die Produktion von Nahrungsmitteln, Energie und technische Rohstoffe", welches das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (OA) am 15. Januar in Berlin ausrichtete. Die Veranstaltung war Teil des Global Forum for Food and Agriculture 2015 (GFFA), das jährlich im Rahmen der Internationalen Grünen Woche unter Federführung des Bundeslandwirtschaftsministeriums veranstaltet wird.

Foto: © Ost-Ausschuss/ Kämper

GFFA-Fachpodiumsgäste (v.li.n.re): Dr. Walter Stinner (DBFZ), Josef Tillmann (Tönnies), Aleksander Petrikov (Russische Föderation), Prof. Dr. Thomas Herzfeld (IAMO), Tatiana Gubina (Russische Kartoffel- und Gemüseproduzenten), Vladimir Rakhmanin (FAO).
Foto: © Ost-Ausschuss/ Kämper

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft des Ost-Ausschusses, Dr. Thomas Kirchberg, eröffnete das Fachpodium. Angesichts der andauernden politischen Krisen formulierte er als zentrale Frage, wie wir Länder wie die Ukraine aus der Zwickmühle befreien können, sich zwischen der EU und Russland entscheiden zu müssen. Sein Vorschlag, dass Projekt Freihandelszone wiederzubeleben und einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok zu schaffen, stieß auf breite Zustimmung im Auditorium. Die Entwicklung von Wertschöpfungsketten machte Kirchberg als entscheidenden Faktor für die Entwicklung ländlicher Räume aus. Dem schloss sich Dr. Dietrich Guth, Abteilungsleiter im Bundeslandwirtschaftsministerium an. Ländliche Räume sollten fit für die Zukunft und lebenswert für die Menschen gemacht werden, führte Guth aus. In seinem Grußwort verwies er auf die deutschen Programme zur Innovationsförderung wie den Agrarpolitischen Dialog mit Russland (APD), der auch in der Krise ungehindert weiterlaufe. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass die Probleme in der Ukraine nicht durch die Agrarpolitiker gelöst werden können.

Prof. Dr. Thomas Herzfeld, Direktor des IAMO, führte inhaltlich in das Thema des Fachpodiums ein. Aus Sicht des Agrarökonomen führe die Vertiefung von Wertschöpfungsketten, also eine stärkere Verarbeitung und Veredlung landwirtschaftlicher Produkte vor Ort, zur ökonomischen Diversifizierung ländlicher Räume. Damit verbände sich die Hoffnung auf eine höhere Stabilität gegenüber wirtschaftlichen Schocks und auf positive Rückkopplungseffekte. Dazu zählten eine Belebung der Nachfrage, steigende Beschäftigungsmöglichkeiten oder höhere Steuereinnahmen ländlicher Kommunen. Dies würde alles in allem zu einer Erhöhung der Attraktivität ländlicher Räume führen. Herzfeld ergänzte, dass die Zahlen derzeit für Russland allerdings noch ein deutlich negatives Außenhandelssaldo für landwirtschaftliche Erzeugnisse belegten. Nur bei Getreide und tierischen und pflanzlichen Ölen und Fetten sei aktuell ein Exportüberschuss zu verzeichnen.

Der russische Vizelandwirtschaftsminister Alexander Petrikov betonte, dass die Landwirtschaft für Russland eine strategische Branche sei. Zuletzt wurde von der russischen Regierung ein Programm zur Entwicklung der Landwirtschaft bis 2020 beschlossen. 600 Mrd. Rubel seien für Investitionen vorgesehen. Das Geld solle dabei vor allem in Bereiche mit hohem Importanteil wie Obstanbau, Milchproduktion oder Rinderzucht fließen. Der Minister betonte die gute Zusammenarbeit mit Deutschland beispielsweise in der Pflanzenzüchtung, bei der Ausbildung von Fachkräften oder auch im Rahmen des Agrarpolitischen Dialogs. Nicht ein gemeinsames Investitionsprojekt sei seit dem Handelsboykott geschlossen worden. Auf der Internationalen Grüne Woche sei Russland 2015 zum 21. Mal vertreten, führte Petrikov aus. In diesem Jahr präsentierten sich 177 Unternehmen aus 17 Regionen. Der Minister ging auch auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen ein. Das Importembargo Russlands bezeichnete er als Kontra-Sanktion zu den Maßnahmen der EU und als den WTO-Bestimmungen entsprechende notwendige Maßnahme der russischen Regierung. Die Produktion heimischer Erzeugnisse werde in Russland staatlich gefördert, um ihren Marktanteil zu erhöhen. Sensibel sei allerdings die Abhängigkeit des Landes von Saatgutimporten, da die Saatzucht noch nicht ausreichend entwickelt sei. Tatiana Gubina, Geschäftsführerin des 2011 gegründeten Russischen Verbandes der Kartoffel- und Gemüseproduzenten, bestätigte diese Einschätzung. Noch sei Russland abhängig von Saatkartoffeln aus Europa, aber erklärtes Ziel sei es, dass die Produktion in Russland erfolge. Hier lägen auch Chancen für ausländische Direktinvestitionen.

Ein Beispiel dafür lieferte Josef Tillmann, Geschäftsführer der Tönnies Lebensmittel GmbH & Co. KG, die nicht nur in Deutschland tätig ist, sondern mittlerweile insgesamt sieben Schweinemastanalagen in Russland unterhält und hier in einem vertikal integrierten Ansatz auch über eigene Pflanzenbau- und Mischfutterproduktionsaktivitäten verfügt. Aus seiner Sicht habe Russland großes Potenzial in der Landwirtschaft und sei in der Lage, nach Deckung des Eigenbedarfs auch für den Weltmarkt zu produzieren. Wichtige Voraussetzung dafür sei neben der Etablierung und Stärkung von Wertschöpfungsketten die Qualifizierung von Arbeitskräften. Als Erzeuger landwirtschaftlicher Produkte sprach sich Tillmann für vernünftige Handelsbeziehungen mit Russland aus. Vladimir Rakhmanin von der FAO, Beigeordneter Generaldirektor und Repräsentant für die Regionen Europa und Zentral-Asien, schilderte das Engagement der FAO in Osteuropa. Er verwies dabei auf die Prinzipien der FAO in der Zusammenarbeit mit Regierungen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Neben der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung gehörten dazu die Unterstützung landwirtschaftlicher Erzeuger bei der Bildung von Genossenschaften, die Nutzung neuer Technologien, die Vermeidung landwirtschaftlicher Abfälle und der Erhalt genetischer Vielfalt. Eine weitere Perspektive auf das Fachpodiumsthema brachte Dr. Walter Stinner vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) ein. Er beschrieb das große Potenzial Russlands für Biogasanlagen. Die Gesamtzahl an Unternehmen der Tierproduktion in Russland sei zwar zurückgegangen, aber die verbliebenen Produzenten seien umso größer. In größeren Ställen und verarbeitenden Unternehmen fallen mehr landwirtschaftliche Reststoffe an und Biogasanlagen bieten deshalb eine sinnvolle Verwertungsmöglichkeit.

Das Fachpodium "Wertschöpfungskettenorientierte Entwicklung ländlicher Regionen in Osteuropa -Perspektiven für die Produktion von Nahrungsmitteln, Energie und technische Rohstoffe" brachte Entscheidungsträger aus Politik und Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen und machte deutlich, dass alle Seiten an einer Fortführung des Dialogs und an einer weiteren Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland interessiert sind.


Über das IAMO
Das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) widmet sich der Analyse von wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungsprozessen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie in den ländlichen Räumen. Sein Untersuchungsgebiet erstreckt sich von der sich erweiternden EU über die Transformationsregionen Mittel-, Ost- und Südosteuropas bis nach Zentral- und Ostasien. Das IAMO leistet dabei einen Beitrag zum besseren Verständnis des institutionellen, strukturellen und technologischen Wandels. Darüber hinaus untersucht es die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Agrar- und Ernährungssektor sowie die Lebensumstände der ländlichen Bevölkerung. Für deren Bewältigung werden Strategien und Optionen für Unternehmen, Agrarmärkte und Politik abgeleitet und analysiert. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 gehört das IAMO als außeruniversitäre Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft an.

Über den Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft
Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ist seit 1952 als gemeinsames Organ der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft zentraler Ansprechpartner deutscher Unternehmen für die Märkte Russland, Belarus, Ukraine, Zentralasien, Süd-Kaukasus und Südosteuropa. Er begleitet wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen in den bilateralen Beziehungen mit diesen Ländern und fördert Handel, Investitionen und Dienstleistungstransfers deutscher Unternehmen in der Region. Mit der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft bündelt der Ost-Ausschuss als einzige Regionalinitiative der deutschen Wirtschaft seit 2001 das internationale Engagement der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft und engagiert sich als Träger des GFFA Berlin e.V.


Weitere Informationen unter:

http://www.gffa-berlin.de/
- Global Forum for Food and Agriculture (GFFA)

http://www.iamo.de/
- Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO)

http://www.ost-ausschuss.de/
- Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (OA)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution418

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO),
Britta Paasche M.A., 20.01.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2015


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