Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

BERICHT/193: Verbraucher gründen eine Solidarische Landwirtschaft (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 377 - Mai 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bauer gesucht
In Frankfurt machen sich Verbraucher auf den Weg eine Solidarische Landwirtschaft zu gründen

von Marcus Nürnberger



Im Herbst vergangenen Jahres hat sich in Frankfurt am Main eine Gruppe von Menschen mit dem Ziel gefunden, eine Solidarische Landwirtschaft aufzubauen. Zwanzig Personen bilden den festen Kern, ca. 60 Menschen bedient der Mailverteiler. Das besondere an der Frankfurter Gruppe ist, dass die Initiative nicht von einem Landwirt oder Gärtner ausgeht, sondern aus der Stadt kommt. Nicht der Produzierende macht sich Gedanken über seine Situation der Abhängigkeit und sucht nach einer verbindlichen Gemeinschaft, sondern die Abnehmer schließen sich zusammen. In Frankfurt ist es vor allem der Wunsch nach Versorgungssicherheit mit regionalen Lebensmitteln und Transparenz bei Anbau und Ernte. Auch der persönliche Kontakt zu den Produzenten und die Wertschätzung der Landwirtschaft sind wichtige Argumente. Und natürlich geht es um die Versorgung mit vielfältigen, frischen, vitalen und schmackhaften Lebensmitteln. Ende März traf man sich auf dem Dottenfelder Hof in Bad Vilbel, um sich näher über Solidarische Landwirtschaft zu informieren, sich kennenzulernen und nächste Schritte zu planen.


Von Erfahrungen profitieren

Klaus Ströber vom Hof Hollergraben in der Sächsischen Schweiz stellte seinen Weg zur Solidarischen Landwirtschaft vor. Heute versorgt die Hof Hollergraben GbR 70 Menschen in einer regionalen Wertegemeinschaft. Wer ein Gemüse- und Brotabo abschließt, verpflichtet sich für ein Jahr. Der Preis beträgt derzeit pro Person zwischen 60 und 65 Euro im Monat. Dafür gibt es zwar keine Erdbeeren im Winter aber zu jeder Jahreszeit ein umfangreiches Angebot an frischen Gemüsen, Obst und Brot direkt vom Hof. An zwei Tagen in der Woche können sich die Mitglieder der Warengemeinschaft die Produkte aus über 40 Kulturen an einem marktähnlichen Stand auf dem Hof abholen.


Wie geht's weiter

Für die Frankfurter Gruppe klingt das alles hochinteressant. Wie berechnet man den Preis der Ernteanteile, wie viele Menschen machen mit? Wer könnte überhaupt für uns produzieren? Noch ist kein passender Betrieb gefunden, aber es gibt erste Gespräche. Doch die Anforderungen sind hoch. Nach Möglichkeit sollte der Hof mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein. Neben Obst und Gemüse soll es auch Milchprodukte, Fleisch und Eier geben. Wichtiger als eine Öko-Zertifizierung ist eine stabile Vertrauensbasis.


Nächste Schritte

Neben den vielen Fragen zur Solidarität untereinander, den Einblicken in die Landwirtschaft, dem Wunsch an der Produktion beteiligt zu sein, sollen jetzt konkrete Schritte folgen. In diesem Frühjahr beginnt eine erste Kooperation mit einem Betrieb in der Wetterau. Zwei weitere Höfe und eine Gärtnerei hat die Gruppe schon besichtigt. Eine Frage, die am Ende unbeantwortet im Raum steht: Wer steht im Zentrum der Planung und Organisation: Der landwirtschaftliche Betrieb oder die SoLaWi-Gruppe?


Solidarische Landwirtschaft

Wer sät kann ernten, aber nur was geerntet ist kann auch verkauft werden. Bauern und Gärtner gehen in Vorleistung. Sie finanzieren Saatgut und Maschinen. Arbeiten bis zur Ernte quasi ohne Einkommen. Sie tragen das Risiko für Wetterkapriolen, wie Hagel oder Kälteeinbrüche und Starkregen, und für Schädlingsbefall und bei Krankheit. Warum soll allein der Bauer oder Gärtner dieses Risiko tragen? Vor dem Hintergrund der großen Entfernung und Anonymität in der Lebensmittelkette nur schwer vorzustellen. Die Solidarische Landwirtschaft ist aber gerade hierzu angetreten. Direkte Kontakte von Verbrauchern und Produzenten. Durch verbindliche Zusage, in der Regel für ein Jahr, wird ein fester monatlicher Beitrag zugesagt. Dieser berechnet sich aus dem Bedarf des landwirtschaftlichen Betriebs: oder der Gärtnerei inklusive der Gehälter, geteilt durch die Anzahl der Personen und Haushalte, die durch ihren Beitrag Ernteanteile erstehen. Die Mitglieder der Solidargemeinschaft können dann regelmäßig an Abholstationen alle Produkte des Hofes kostenfrei abholen. Das Konzept hat zum Ziel, dass nicht mehr das einzelne Lebensmittel finanziert wird, sondern der ganze landwirtschaftliche Betrieb. Ziel ist eine regionale Struktur und eine enge Verbindung von Hof und Verbrauchern innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft. Je nach Region und den Interessen der Mitglieder sind SoLaWi-Projekte in unterschiedlichen Rechtsformen organisiert, gibt es mehr oder weniger direkte Mitarbeit. Je nach Ausrichtung und Lage des Betriebes kann eine mehr oder weniger vollständige Versorgung über das Jahr gewährleistet werden.

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 377 - Mai 2014, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2014