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BERICHT/027: Schwedische Milchbauern diskutieren ihre schwierige Lage (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Nicht Lockerlassen" - Motivieren auf die schwedische Art
Schwedische Milchbauern diskutieren angeregt über ihre schwierige Lage auf der Landwirtschaftsmesse Elmia

Von Silvia Däberitz, European Milkboard


Es ist fünf vor Zwölf - es steht auf Kippe - der Zug ist bald abgefahren. Es gibt viele Sprichwörter im Deutschen, um eine äußerst schwierige Situation zu beschreiben. Snart är klockan slagen - bald wird die Glocke schlagen, sagen die Schweden. In diesem Fall ist es die Milcherzeugung, die in dem nordeuropäischen Land Grund zu berechtigter Sorge gibt. In den letzten neun Jahren hat sich die Anzahl der Milchhöfe von 13.969 auf 6.534 mehr als halbiert und diese Tendenz wird sich bei fallenden Milchpreisen und steigenden Produktionskosten fortsetzen.

Denn für die marktführende Molkerei Arla Foods, die ihre Marktanteile gegenüber den Konkurrenten Skänemejerier und Milko ausbauen möchte, gehören aktive Preissenkungen zum Alltag, den sie den schwedischen Höfen mit durchschnittlich 58 Milchkühen bereitet. Für den Liter Milch mit 1,5 % Fett liegen die Verbraucherpreise aktuell zwischen 67 und 79 Eurocent und sollen weiter reduziert werden. Der Druck auf die Erzeugerpreise ist dementsprechend hoch. Sie bewegen sich zur Zeit um die 31 Eurocent für den Liter mit 4,2 % Fett und 3,4 % Eiweißanteil. Konsequenz davon ist eine jährliche Unterlieferung der Milchquote - für dieses Jahr wird die schwedische Produktion auf weniger als 90 Prozent der festgesetzten Menge geschätzt.

Auf der Elmia - einer alle zwei Jahre stattfindenden Landwirtschaftsmesse in Jönköping! Schweden - hatten die Milcherzeuger Ende Oktober die Möglichkeit, die Situation zu diskutieren. Die Messe bietet eine der wenigen Gelegenheiten des weitläufigen Landes, die Stimmung bei den Bauern und damit die Perspektiven der nationalen Milchproduktion mitzubekommen. Per Andersson, der Vorstandsvorsitzende des schwedischen Milcherzeugerverbandes LDM Sveriges Mjölkbönder, betrachtet die Elmia daher als eine wichtige Plattform: "Es ist besonders jetzt notwendig und interessant zu erfahren, was die Leute denken und sich mit ihnen zu unterhalten. Wir müssen uns austauschen und insbesondere klarmachen, dass wir ohne aktives Eingreifen als Milchproduzenten keine wirkliche Zukunft haben."

Der LDM Sveriges Mjülkbünder wurde 2003 gegründet. Tord Glevesson, Biobauer aus der Region Tranås (Südschweden) und aktives Mitglied, sieht in der Organisation ein notwendiges Gegengewicht zu den Milchindustrieverbänden: "Wir als Milchbauern müssen eine Stimme haben, denn die Molkereien veröffentlichen nur Propaganda, die viele Leute leider glauben. In der Milchindustrie findet man immer Gründe, um den Milchpreis zu senken und die wenigsten Milchproduzenten recherchieren wirklich selbst und überprüfen die Angaben."

Die Vertreter der Milchindustrie reagieren wenig erfreut auf den unbequemen Verband, der kritisiert und auf kostendeckende Milchpreise drängt. Ihre Positionen finden sich zwar weiterhin in den Medien wieder, aber die Presse wendet sich in Milchfragen nun verstärkt an den LDM Sveriges Mjülkbünder und gibt ihm damit die Gelegenheit, schwedenweit Bäuerinnen und Bauern sowie Konsumenten zu erreichen.

Die Rolle des Rebellen, die man gegenüber der Milchwirtschaft einnimmt, hat jedoch nach eigenen Angaben auch Nachteile. "In Schweden geht man Dinge meist sehr bedächtig an und wir sehen es auch hier wieder auf der Messe: Wenn wir zu stark pushen, dann reagieren die Milchbäuerinnen und Milchbauern sehr zurückhaltend", meint Paula Pönniäinen, die für den Vorstand des LDM Sveriges Mjölkbönder arbeitet. "Aber man darf auch nicht lockerlassen", fügt sie bestimmt hinzu. Und so bleibt nur eine Mischung aus Aktivismus und Geduld, die in Anbetracht der akuten Gefährdung der schwedischen Milchproduzenten manchmal sehr schwer fällt. Angesprochen auf die Möglichkeit, faire Milchpreise durch gemeinsame Aktivitäten der Milcherzeuger zu erwirken, winkt ein Messebesucher resigniert ab: "Das hätte man vor 20 Jahren machen müssen. Jetzt ist es zu spät." Doch bloßer Pessimismus wäre fehl am Platz. Die direkten Gespräche am Stand zeigten ein großes Bedürfnis der Milchproduzenten, ihre Perspektiven zu diskutieren und über mögliche Auswege aus der problematischen Situation nachzudenken. Projekte wie die Faire Milch, mit der schon in anderen europäischen Ländern in Kooperation mit dem European Milk Board gearbeitet wird und die der LDM Sveriges Mjölkbönder in Schweden vorstellte, wurden sehr interessiert aufgenommen. Eine engere Zusammenarbeit für einen kostendeckenden Milchpreis ist durch die Diskussionen, die in Jönköping stattfanden, in greifbare Nähe gerückt. Es ist zwar immer noch fünf vor Zwölf, aber den Glauben daran, dass sich der Zeiger doch etwas zurückdrehen lässt, konnte man auf der Elmia in diesem Jahr deutlich wahrnehmen. Und auch hier haben die Schweden einen passenden Satz: Det är en bra början - das ist ein guter Anfang.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009, S. 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2009