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WESTSAHARA/034: Die Internationale Grüne Woche hofiert das marokkanische Kolonialregime (StdR)


27.01.2011: [Kritische Ökologie - StdR]

IGW unterstützt Annexion
Die Internationale Grüne Woche hofiert das marokkanische Kolonialregime

von Axel Goldau

links: Schriftzug 'Blutmilch'; rechts: Foto eines von marokkanischen Besatzungstruppen niedergerissenen und teilweise in Flammen stehenden saharauischen Zeltlagers links: Schriftzug 'Blutmilch'; rechts: Foto eines von marokkanischen Besatzungstruppen niedergerissenen und teilweise in Flammen stehenden saharauischen Zeltlagers

Auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin präsentiert sich das Königreich Marokko von seiner besten Seite - mit Wellness-, Bienen-, Obst- sowie Fleisch- und Milchprodukten, wie auf einer internationalen Ausstellung der Ernährungswirtschaft auch kaum anders zu erwarten wäre. Etwa 30 Aussteller, einschließlich das Agrar- und Fischereiministerium sind hier präsent. Marokkanische Regierungsvertreter und privatwirtschaftliche Akteure sind hoch willkommen: Marokkos Agrar- und Fischereiminister ist einer unter den etwa 50 Teilnehmern beim Berliner Agrarminister-Gipfel am 22. Januar am Rande der Grünen Woche in Berlin, und das "Global Forum for Food and Agriculture" wird von über 30 Vertretern Marokkos aus Politik und Ernährungswirtschaft besucht.

Die Ausstellung hat einen gewaltigen Haken: Stellen Sie sich vor, Deutschland würde sich auf einer internationalen Messe in seinen Grenzen von 1934 präsentieren! Vergleichbar ist die kartografische Präsentation Marokkos: Hier wird die Westsahara, ein aus Sicht der Vereinten Nationen nicht selbstständig regiertes Gebiet - also eine Kolonie - unverblümt dem marokkanischen Staatsgebiet einverleibt.

Dieses nicht selbstständig regierte Gebiet war bis 1975 eine spanische Kolonie: Spanien hat nicht zugelassen, dass die betroffenen Menschen der Kolonie gemäß geltendem Völkerrecht wie in der Resolution 1514 der UN-Vollversammlung bereits 1960 festgelegt, "entsprechend ihrem Willen und ihren frei geäußerten Wünschen [...] völlige Unabhängigkeit und Freiheit zu genießen". Als die alte Kolonialmacht ging, kam die neue: das Königreich Marokko. Marokko beruft sich auf historische Bindungen zwischen der Westsahara und dem Königreich. Dieser Auffassung hat allerdings der Internationale Gerichtshof 1975 widersprochen.

Marokko ist dabei, sich mit Gewalt zu nehmen, was ihm völkerrechtlich nicht zusteht und verletzt dabei immer wieder massiv die Menschenrechte an der saharauischen Bevölkerung, den eigentlichen Bewohnern der Westsahara. Unter Duldung vor allem der UN-Veto Mächte Frankreich und den USA werden Schritt für Schritt Fakten geschaffen, die eine Annexion bedeuten: Dabei war der Krieg Anfang der achtziger Jahre bereits verloren. Die marokkanische Besatzungsarmee konnte sich nur noch in den großen Garnisonen Al-Aaíun, Bojador, Dakhla und Smara verschanzt halten und wagte sich längst nicht mehr in die Wüste hinaus. Aber aus dieser misslichen Situation befreiten treue Freunde - vor allem in Paris und Washington - den Kriegsfürsten mit Waffenlieferungen, militärischer Ausbildung und der Errichtung des mittlerweile auf über 2.400 km ausgebauten Wallsystems. Die nationale Befreiungsfront konnte auf etwa ein Drittel der Territorialfläche nach Osten abgedrängt werden.

Heute ist die Westsahara ein geteiltes Land: Marokko hat sich Zugang zu etwa 2/3 des Territoriums im Westen und zu den wichtigsten Ressourcen des Landes verschafft: Phosphat aus der Mine von BuCraa im nördlichen Landesteil Saguia El Hamra sowie reiche Fischvorkommen vor der über tausend Kilometer langen Küste.

Es ist kein Zufall, dass das marokkanische Kolonialregime gerade jetzt in Berlin hofiert wird: In Brüssel ist noch nicht entschieden, ob sich das völkerrechtswidrige "Fischereipartnerschaftsabkommen zwischen der EU und dem Königreich", das EU-Schiffen auch das Abfischen der See vor der Westsahara erlaubt, in dieser Form noch aufrechterhalten lässt, und die Kommission drängt auf ein Agrar-Freihandelsabkommen, das ebenso die Westsahara mit einschließen soll. Aus Sicht der mehrfach mit internationalen Menschenrechtspreisen ausgezeichneten Aminatú Haidar "... haben solche Abkommen leider nur zur Verschärfung der Unterdrückung der saharauischen Bevölkerung durch Marokko geführt".

Sämtliche Bundesregierungen sind hier nie als ernsthafte Verteidiger des Völkerrechts und der Menschenrechte aufgefallen, eher haben sie die marokkanischen Ansprüche klammheimlich akzeptiert. Einen gewissen Höhepunkt setzte Bundesaußerminister Westerwelle als er nur sieben Tage nach den Massakern im Zusammenhang mit der gewaltsamen Beendigung friedlicher Proteste in der Westsahara bei einem Staatsbesuch in Rabat die exzellenten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen dem Königreich und der Bundesrepublik in den höchsten Tönen lobte.

Und weitere Solidarität der Berliner Messe mit dem marokkanischen Kolonialregime deutet sich schon an: Vom 09. bis 11. Februar wird u. a. das französisch -marokkanische Unternehmen Azura auf der Internationalen Messe für Früchte- und Gemüsemarketing Fruit Logistica erwartet. Azura hat sich vor allem auf Tomaten außerhalb der europäischen Saison spezialisiert und baut seit 2006 auf einer Fläche von 200 Hektar im besetzten Dakhla Tomaten für den europäischen Markt an.


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Quelle:
Mitteilung vom 27. Januar 2011
Initiative "Stärke des Rechts" (StdR)
Axel Goldau, Kritische Ökologie / ifak e.V. - Redaktionsbüro -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2011