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SYRIEN/034: Dominostein Damaskus - blinde Versuche, hohle Vernunft (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 20.1.2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Waffenstillstand und Verhandlungen ohne Vorbedingungen

Krieg in Syrien



Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW erhofft sich von der internationalen Syrien-Friedenskonferenz ("Genf-II") in Montreux nach fast drei Jahren Gewalt und Zerstörung konkrete Fortschritte im Hinblick auf ein Ende des Krieges, z.B. die Vereinbarung lokaler und regionaler Waffenstillstände. Sie fordert die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass bei der Konferenz alle am Krieg beteiligten inländischen und ausländischen Kräften ohne Vorbedingungen einbezogen werden. Ziel der Konferenz müsse ein demokratisches, multi-ethnisches und multi-religiöses Syrien sein.

"Ein besonderer Stellenwert für die friedliche politische und gesellschaftliche Entwicklung des Landes gebührt den Frauen Syriens", heißt es in einem Appell der Ärzteorganisation. Die IPPNW unterstützt die Ziele der "Syrian Womens Charter", die ein breites Frauenbündnis Anfang Januar in Damaskus verabschiedet hat.

Die umfassenden Sanktionen gegen Syrien müssten beendet und jegliche militärische Förderung des Konfliktes von außen gestoppt werden. Das würde einen von der internationalen Gemeinschaft getragenen konsequenten Bann gegen Waffenlieferungen an die inner-syrischen Konfliktparteien sowie ein Ende jeglicher militärischer Präsenz in der Region beinhalten. Das betrifft auch die deutschen Nato-Raketeneinheiten an der türkisch-syrischen Grenze oder Marineeinheiten im Mittelmeer. Deutschland müsse zudem aufgrund der katastrophalen humanitären Situation in Syrien und den Nachbarstaaten deutlich mehr Flüchtlinge aufnehmen.

In Teilen Syriens ist die Versorgungssituation katastrophal. So steht etwa das Flüchtlingslager Yarmouk im Süden von Damaskus am Rande einer humanitären Katastrophe. Lebensmittel, Säuglingsmilch und Medikamente sind vollständig aufgebraucht und es gibt kein ärztliches Personal mehr. Am Wochenende gelangten erstmals seit vier Monaten Hilfsgüter ins das Lager. "Wir hoffen, dass in Montreux in einem ersten Schritt lokale und regionale Waffenstillstände vereinbart werden, damit die notleidende Bevölkerung und die Flüchtlinge in Syrien endlich versorgt werden können", so Penteker.

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Appell an die internationale Gemeinschaft und deutsche Politik
Genf II: Verhandeln ohne Vorbedingungen ist die Basis für Erfolg


Die IPPNW sieht in den Verhandlungen in Genf eine wichtige Chance, einen Fortschritt auf dem Weg zu einer Friedenslösung für Syrien zu erreichen. Für das Zustandekommen und den Erfolg der Konferenz gibt es zentrale Bedingungen. Sie sind zugleich die Grundlage für den weiteren politischen Prozess, der das Ziel hat, ein einheitliches demokratisches, multi-ethnisches und multi-religiöses Syrien zu schaffen.

Grundlegend ist die Beteiligung aller im Krieg involvierten inländischen und ausländischen Kräfte - und dies ohne Vorbedingungen. Daraus ergeben sich praktische Konsequenzen für die Vorbereitung und Durchführung des Treffens. Diplomatische Beziehungen zwischen allen Kräften sind notwendig. Die an den Verhandlungen Beteiligten dürfen nicht gedrängt oder gezwungen werden, sich von einer vorgegebenen Repräsentation vertreten zu lassen, sondern müssen ihre eigene Stimme erheben können. Das trifft besonders für die gleichberechtigte Beteiligung der vielfältigen Oppositionsgruppen aus Syrien selbst zu. Ein besonderer Stellenwert für die friedliche politische und gesellschaftliche Entwicklung des Landes gebührt den Frauen Syriens. Die IPPNW erwartet die Einladung einer Delegation aus Frauen aus allen Teilen der Gesellschaft, wie sie sich z.B. um die "Syrian Women's Charter" gefunden haben.

Nur auf der Grundlage von Offenheit und Unvoreingenommenheit kann ein Prozess in Gang gesetzt werden, der dem Ziel einer friedlichen Entwicklung für Syrien entspricht. Ein bedeutungsvoller und schwieriger inner-syrischer Beitrag dazu wird sein, sich nicht von den Verletzungen, die aus drei Jahren Bürgerkrieg und den vorherigen Konflikten resultieren, lähmen zu lassen. Gemeinsam müssen Formen für eine spätere Aufarbeitung und Versöhnung gefunden werden.

Für Genf II und den weiteren friedenspolitischen Prozess kann und muss Deutschland einen wesentlichen politischen und materiellen Beitrag leisten. Angesichts des Kriegsverlaufes ist die unbegrenzte Aufnahme von Syrern in Deutschland, wie auch in anderen Ländern notwendig. Zugleich müssen die umfassenden Sanktionen gegen das Land beendet werden, während jegliche militärische Förderung des Konfliktes von außen gestoppt wird. Das betrifft sowohl einen von allen getragenen resoluten Bann gegen Waffenlieferungen an die inner-syrischen Konfliktparteien, als auch das Ende jeglicher militärischer Präsenz in der Region. In bezug auf Deutschland bedeutet das den Rückzug deutscher und anderer Nato-Raketeneinheiten von der türkisch-syrischen Grenze und den Rückzug von Marineeinheiten im Mittelmeer.

Ein konsequentes Konzept deutscher und internationaler Politik gegenüber Syrien besteht sowohl in einem Ende militärischer Maßnahmen oder Drohungen als auch auf der politischen Ebene in dem Gesprächsangebot an alle Seiten. Das bedeutet die Wiederaufnahme und Normalisierung diplomatischer Beziehungen zu Syrien, die aktuell von dem dringenden Ziel geleitet werden sollten, lokale und regionale Waffenstillstände zu erreichen, um vor Ort den Genfer Prozess zu befördern.

Eine Richtungsänderung hin zu einem echten Dialog ist mühsam, der angestoßene Friedensprozess ist fragil. Aussicht auf Erfolg hat er nur, wenn diejenigen, die ihn im Munde führen, ihn nicht durch ihre Politik konterkarieren. 130.000 Tote und über 6 Millionen Flüchtlinge sind mehr als genug!

Vorstand der deutschen Sektion der IPPNW


Den IPPNW-Appell "Genf II: Verhandeln ohne Vorbedingungen ist die Basis für Erfolg" finden Sie unter:
http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Syrien_appell_ippnw_20_01_2014.pdf

Die "Syrian Women's Charter" finden Sie unter:
http://www.wluml.org/news/syrian-womens-charter

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Quelle:
Pressemitteilung vom 20. Januar 2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2014