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LIBYEN/004: Freie Wahlen in Libyen nicht erwünscht (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - 21. Juni 2011

Freie Wahlen in Libyen nicht erwünscht

Krieg in Libyen kostet die USA fast 7 Millionen Euro pro Tag

Von Georg Polikeit


Prompt hat eine Sprecherin des USA-Außenministeriums den Vorschlag zur Abhaltung freier Wahlen unter internationaler Kontrolle in Libyen abgelehnt, den Gaddafi-Sohn Saif al Islam in einem am 15. Juni in der italienischen Zeitung »Corriere della Sera« veröffentlichten Interview gemacht hatte. Es dauerte genau einen Tag, bis Washington seine Ablehnung bekannt gab - ebenso die in Bengasi installierte selbsternannte »Übergangsregierung«.

Es werde Wahlen in Libyen geben, aber erst »nach Gaddafis Abgang«, ließ ein Sprecher verlauten. Mit anderen Worten: erst nach einem militärischen »Sieg«, der noch immer in ziemlicher Ferne zu sein scheint. Offenbar wollen die vom Westen gesponserten »Demokraten« in Bengasi nur Wahlen, bei denen sie von vornherein sicher sind, sie auch zu gewinnen.

»Wahlen rasch und mit internationaler Überwachung sind die einzige schmerzlose Art, um aus der Sackgasse in Libyen herauszukommen«, hatte Saif al Islam den Korrespondenten der italienischen Zeitung bei dem Interview im Hotel Radisson Blu in Tripolis gesagt, zu dem er überraschend erschienen war, obwohl eigentlich Gaddafis Außenminister angesagt gewesen war.

Die Wahlen könnten schon in drei Monaten stattfinden, spätestes bis Ende des Jahres, meinte der Sohn Gaddafis. Ihre Transparenz könnte durch die Anwesenheit ausländischer Wahlbeobachter garantiert werden, wobei es nicht darauf ankomme, woher sie kommen: »Wir akzeptieren die Europäische Union, die Afrikanische Union, die UNO, selbst die NATO.« Wichtig sei, daß die Abstimmung sauber sei und es keinen Verdacht auf Mauscheleien gibt.

Der Interviewte hegte keinerlei Zweifel, daß sich die Mehrheit an die Seite Gaddafis stellen werde: »Das Volk ist mit uns. Wir werden die Rebellen an den Wahlurnen besiegen«. Der »Übergangsrat« in Bengasi sei lediglich ein Sammelsurium von Marionetten des Auslands, »fanatische islamistische Integristen, von außen aufgehetzte Terroristen, Söldner auf Bestellung Sarkozys« sowie »Leute der alten Nomenklatura, die erst in letzter Minute auf den Karren der Revolte aufgesprungen sind, elende Profitjäger, Gekaufte«. Im Fall einer Wahlniederlage wäre Gaddafi jedoch bereit, »die Regeln zu respektieren«. Allerdings werde sein Vater auch dann nicht bereit sein, sein Land zu verlassen und ins Exil zu gehen.

Gaddafis Sohn äußerte sich in dem Interview auch zur Frage, wie es nach einer solchen Wahl weitergehen könne. In einer ersten Periode müsse eine neue Verfassung erarbeitet und ein »System völlig freier Medien« eingerichtet werden. Er glaube an ein »Libyen der Zukunft mit starker lokaler Autonomie und einer schwachen föderalen Regierung in Tripolis«, wofür die USA, Neuseeland oder Australien als Modell dienen könnten. Er habe die tiefe Überzeugung, »daß das Libyen von vor dem 17. Februar nicht mehr existiert«. Das Regime seines Vaters, wie es sich seit 1969 entwickelt hat, »ist tot und begraben«. Es müsse »etwas völlig Neues« aufgebaut werden.


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Der Libyen-Krieg kostete die USA in der Zeit vom 19. März bis zum 3. Juni dieses Jahres 715 Millionen Dollar (ca. 506 Mio. Euro). Diese Zahl steht in dem offiziellen Bericht, den die Obama-Administration kürzlich an den USA-Kongreß übermittelt hat. Weiter heißt es darin, daß diese Kosten bis Ende September, dem Zeitpunkt, bis zu dem die NATO-Intervention offiziell verlängert wurde, auf 1,1 Milliarden Dollar anwachsen wird.

715 Mio. Dollar in zweieinhalb Monaten - das sind umgerechnet etwa 9,5 Mio. Dollar pro Tag (6,75 Mio. Euro). Dabei ist zu berücksichtigen, daß die USA nur bis zum 3. April direkt mit eigenen Kampfflugzeugen und deren Bomben- und Raketenangriffen an den Kampfhandlungen beteiligt waren. Danach beschränkte sich die USA-Luftwaffe auf die »logistische Unterstützung« und die »Zielaufklärung« für die übrigen NATO-Staaten. Die Kriegskosten der übrigen an der Intervention beteiligten NATO-Staaten, vor allem Frankreichs und Großbritanniens, dürften also erheblich höher liegen.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2011