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GAZA/039: Waffengang und Widerstand - Stoppt die Gewalt ... (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 10. Juli 2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Friedensverhandlungen statt Eskalation der Gewalt

Raketenangriffe auf Israel, Militäroffensive im Gazastreifen



Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW appelliert an Außenminister Frank-Walter Steinmeier, sich für einen sofortigen Waffenstillstand zwischen der israelischen Regierung und der Hamas einzusetzen. "Wir verurteilen die massiven Raketenangriffe beider Seiten und sind äußerst besorgt über die große Anzahl ziviler palästinensischer Opfer, insbesondere Kinder", betont Dr. Sabine Farrouh, IPPNW-Vorstandsmitglied. Steinmeier solle sich gegenüber der israelischen Regierung dafür einsetzen, sobald wie möglich in einen Dialog mit der palästinensischen Befreiungsorganisation einzutreten und die ausgesetzten Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen, um endlich eine gerechte Lösung des nun schon seit 1967 andauernden Konflikts um die besetzten palästinensischen Gebiete zu erreichen.

Der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, hatte die Eskalation der Gewalt eine Folge des Scheiterns der Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern genannt, für das Israel die Hauptverantwortung trage.

Nach palästinensischen Angaben ist die Zahl der Toten seit Beginn der israelischen Militäroffensive in der Nacht zum Dienstag auf mindestens 70 gestiegen. Unter den Opfern befinden sich auch Kinder. Laut Aussage von Dr. Abed Schokry aus dem Gazastreifen liegt die Zahl der verletzten Zivilisten durch israelische Raketen bei ca. 450 Personen. Die Familien Kowarea im Süden und die Familie Hamad im Norden des Gazastreifens hätten mehrere Opfer zu beklagen. Im Gazastreifen gebe es kaum Schutzräume für Zivilisten. Zudem seien 250 Häuser beschädigt und 40 Häuser total zerstört worden. "Der Himmel über dem Gazastreifen ist bedeckt mit Militärflugzeugen", schildert Dr. Schokry die Situation vor Ort. Gewalt und Gegengewalt werde unweigerlich zu noch mehr Eskalation führen.

Die IPPNW hat heute zudem an die Mitglieder des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages appelliert, sich gegenüber ihren israelischen und palästinensischen Kollegen und Kolleginnen dafür einzusetzen, alles in ihrer Macht stehende zu tun, diesen Kreislauf der Gewalt endlich zu beenden.


Im Rahmen einer Begegnungsfahrt nach Israel/Palästina vom 29. April - 10. Mai 2014 haben sich Mitglieder der deutschen Sektion der IPPNW mit israelischen und palästinensischen Friedens- und Menschenrechtsgruppen getroffen. Lesen Sie unsere Reisedokumentation:
issuu.com/ippnw/docs/ippnw-akzente-palaestina-israel

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BRIEF

Auswärtiges Amt
Frank-Walter Steinmeier
Werderscher Markt 1
10117 Berlin

Friedensverhandlungen statt Eskalation der Gewalt, Mauer- und Siedlungsbau beenden

Berlin, 10. Juli 2014

Sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,

die deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) ist in größter Sorge über die Situation in Israel/Palästina. Wir bitten Sie eindringlich, sich für einen sofortigen Waffenstillstand einzusetzen, um den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt zu beenden. Bitte appellieren Sie an die israelische Regierung, sobald wie möglich in einen Dialog mit der palästinensischen Befreiungsorganisation einzutreten und die ausgesetzten Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen, um endlich eine gerechte Lösung des nun schon seit 1967 andauernden Konflikts um die besetzten palästinensischen Gebiete zu erreichen.

Bitte setzen Sie sich gegenüber der Europäischen Union und der UN dafür ein, dass die Bombardierung der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen sofort gestoppt und die völkerrechtswidrige israelische Siedlungspolitik und der weitere Mauerbau beendet werden. Die Aufnahme von Beziehungen zur palästinensischen Hamas würde Ihnen zudem erlauben, auch dort Ihren Einfluss für ein sofortiges Ende des Raketenbeschusses von Gaza aus gegen Israel geltend zu machen. Nur ein Ende der Besatzung und Verhandlungen mit diesem Ziel können einen dauerhaften Frieden in der Region erreichen.

Im Rahmen einer Begegnungsfahrt vom 29. April - 10. Mai 2014 haben Mitglieder der deutschen Sektionen von IPPNW und pax christi das Leben der PalästinenserInnen in der Westbank und in Jerusalem kennen gelernt, ihre Hoffnungen und ihr Leiden unter den Folgen der israelischen Besatzungs- und Besiedlungspolitik. Auf dem Programm standen zahlreiche Treffen mit palästinensischen und israelischen Friedens- und Menschenrechtsgruppen, über die wir in der beiliegenden Dokumentation berichten.

Ein bürokratisches Monstrum von Gesetzen und Verordnungen der israelischen Militärverwaltung, die kontinuierlich wachsenden Siedlungen und die Mauer erschweren das tägliche Leben der Palästinenser. Mittlerweile leben über 700.000 Siedler, nach internationalem Recht illegal, auf palästinensischem Land - geschützt durch die israelische Armee. Ein dichtes Netz von "Siedlerstraßen" durchzieht die Landschaft. Auf diesen Straßen dürfen PalästinenserInnen nicht fahren. Die Mauer, die Checkpoints und ein kafkaeskes Vergabesystem von Genehmigungen führen zu einer Zerstückelung palästinensischen Landes. Bauern werden daran gehindert, auf ihre Felder zu kommen, Kinder zu ihrer Schule und Patienten zum Krankenhaus. Jede kleinste Strecke wird zu einer schwer kalkulierbaren Reise: Der Weg von Bethlehem nach Ramallah war vor dem Mauerbau in einer halben Stunde zu schaffen. Jetzt dauert er ca. zwei Stunden. Pendler, die in Jerusalem arbeiten, müssen morgens um fünf Uhr am Checkpoint sein, damit sie um sieben Uhr bei ihrem Arbeitgeber auf der anderen Seite der Mauer sein können. Dieser Zustand permanenter Unterdrückung ist der Grundboden, auf dem Hass und Gewalt auf beiden Seiten gedeihen.

Obwohl unsere Gesprächspartner die negativen Entwicklungen im Westjordanland durch die Besatzung beklagten, imponierten sie durch ihren Mut, ihre Standhaftigkeit und ihre Entschlossenheit, den Konflikt friedlich und gewaltfrei zu lösen. Dialog und Versöhnung sind der einzige Weg, die Spirale der Gewalt im Nahen Osten endgültig zu beenden.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und sehen Ihrer Antwort mit Interesse entgegen.

Hochachtungsvoll
Dr. Sabine Farrouh,
Vorstandsmitglied der deutschen IPPNW-Sektion


Das Schreiben an Außenminister Frank-Walter Steinmeier finden Sie als PDF-Datei unter:
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/anschreiben_steinmeier_140710.pdf

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Quelle:
Pressemitteilung vom 10. Juli 2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2014