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SCHULE/580: Berufsschule - Praxisbezug motiviert Lernende am besten (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 7 vom 21. April 2009

Praxisbezug motiviert Lernende am besten
Künftige Berufsschullehrer arbeiten eng mit regionalen Unternehmen zusammen

Von Jörg Biber, Lars Clasen


"Wozu brauchen wir das?" - diese Frage stellen sich Lernende im berufsbildenden Unterricht oft, wenn sie nicht erkennen können, was ein Unterrichtsthema mit ihrem späteren Beruf zu tun hat. Diese Frage ist vor allem dann berechtigt, wenn die Lernenden ungenügend motiviert werden und der Unterricht nicht arbeitsprozessorientiert gestaltet wird. Eine Lösung kann sein, dass die Berufsschullehrer ausbildende Unternehmen finden, die an einer lernortübergreifenden Ausbildung interessiert sind und Einblick in Arbeitsprozesse gewähren.

Einige Unternehmen der Region Dresden, die den Beruf Zerspanungsmechaniker/in ausbilden, arbeiten nun seit kurzem mit dem Beruflichen Schulzentrum (BSZ) für Technik "Gustav Anton Zeuner" Dresden zusammen. Ihnen geht es darum, Ausbildungsinhalte mit didaktisch-methodischen Konzepten abzustimmen. Gleichzeitig sollen Arbeitsaufgaben der Unternehmen in die Ausbildung einbezogen werden, um sie praxisrelevanter zu machen. Um diese Chance intensiv nutzen zu können, bezog der BSZ-Schulleiter, Dr. Hans-Georg Clemens, die Berufliche Fachrichtung Metall- und Maschinentechnik der Fakultät Erziehungswissenschaften (BFR MMT) als Kooperationspartner in das Vorhaben ein. Das BSZ verfolgt dabei das Ziel, die Qualität der Ausbildung von Zerspanungsmechanikern weiter zu erhöhen, um einen Beitrag zur Fachkräftesicherung und zur Standortsicherung der Unternehmen bei gleichzeitiger Weiterbildung der Lehrer zu leisten.

Die Problematik der Lernortkooperation und Einbeziehung arbeitsprozessorientierter Inhalte in den Unterricht wurde durch Prof. Martin D. Hartmann und Dr. Jörg Biber aufgegriffen. "Wir erarbeiteten ein Untersuchungs- und Entwicklungskonzept und stimmten dies mit Berufsschullehrern des BSZ sowie dem Leiter der Berufsausbildung der Koenig & Bauer AG, Werk Radebeul (KBA), Jochen Mann, - als Vertreter der ausbildenden Betriebe - ab", schildert Dr. Jörg Biber. Gleichzeitig nahmen sich Studenten der BFR MMT der Sache an und schlugen studentische Arbeiten in den entsprechenden Lehrveranstaltungen als Zuarbeiten vor. So entwickelten sie beispielsweise in der Beruflichen Didaktik II (BD II) ein Konzept für die lernortübergreifende Ausbildung im 1. und 2. Ausbildungsjahr. Dabei erfolgt die teilweise lernortübergreifende berufliche Grundlagenbildung vorwiegend am gemeinsam ausgewählten Lernträger "Schraubstock". Einige Bauteile werden - so sieht es das Konzept vor - in der Berufsschule konstruiert, gefertigt und geprüft. Dementsprechend wurden im Seminar zur BD II auf der Grundlage von Betriebserkundungen (KBA Radebeul und SUSA Sauer GmbH Heidenau) Unterrichtskonzepte entwickelt. In beiden Unternehmen wurde deutlich, dass die Ausbildung der Lernenden an konventionellen Dreh- und Fräsmaschinen sehr wichtig ist. "Die künftigen Facharbeiter können so besser ein Gefühl für Zerspanprozesse entwickeln", so Biber. Dementsprechend werden im gerätegestützten Unterricht der Berufsschule mehrere Experimente an verschiedenen Zerspanungsmaschinen mit unterschiedlichen Werkzeugmaterialien und Bearbeitungswerten durchgeführt. Die Verbindung der "gefühlten" Werkstückveränderung mit dem fachlichen Hintergrundwissen ermöglicht es - gepaart mit Berufswissen zur Programmierung und zum Arbeitsprozessablauf an CNC-Maschinen -, die Potenzen moderner Zerspanungsmaschinen richtig auszunutzen.

Ferner werteten die Interviewpartner der Betriebserkundungen soziale Aspekte beruflicher Kompetenz, wie Teamintegration und gemeinsames Problemlösen, als sehr wichtig.

In einem Arbeitskreis aus Berufsschullehrern, Ausbildern, Lehrenden und Studenten werden die neuen Untersuchungsergebnisse und entwickelten Konzepte vorgestellt, diskutiert und in die weitere Ausgestaltung der lernortübergreifenden Ausbildung einbezogen.

Ab März erprobt ein Student seine an den erkundeten betrieblichen Handlungssituationen entwickelten Unterrichtskonzepte zum Lernfeld 3 "Herstellen von einfachen Baugruppen" im Blockpraktikum B. Seine Erfahrungen sollen eine verbesserte Ausbildung im kommenden Jahr sichern. Gleichzeitig erhalten die "Macher" des Vorhabens wichtige Hinweise für die Gestaltung und Organisation von Konzepten für weitere Lernfelder.

Nach der Besichtigung von vier Unternehmen (Laser, Schneid und Gerätebau GmbH, SPS Schiekel Präzisionssysteme GmbH, Maschinen- und Stahlbau Dresden und Mafrino GmbH & Co. KG), die auf der Basis von Interview- und Beobachtungsplänen erfolgten, werden im April in der Lehrveranstaltung "Arbeit-Technik-Bildung" ausgewählte Arbeitsprozessstudien in diesen Unternehmen durchgeführt. Damit erhalten die Studenten umfangreiche Hinweise, mit denen sie arbeitsprozessorientierte Unterrichtskonzepte erstellen können.

Im Juni wollen die Studierenden bisherige Untersuchungsergebnisse und Unterrichtskonzepte auf einem Workshop am BSZ für Technik Vertretern der beteiligten Unternehmen vorstellen sowie das weitere Vorgehen abstimmen.

Das im September 2008 gestartete Vorhaben wird aus schulischer Sicht wie folgt gesehen:

• Das Konzept einer leistungsstarken lernortübergreifenden Ausbildung geht auf - alle Schüler sind gut motiviert.
• In der Klasse gibt es keine Disziplinschwierigkeiten und somit kaum Fehlzeiten.
• Der "Schraubstock" als Lernträger hat sich bewährt.

Auch die Wertung der Studenten ist positiv. Das Vorhaben ist eine gewaltige Herausforderung, aber auch eine große Chance. Inhalte der Lehrveranstaltungen zur Beruflichen Didaktik wurden vernetzt und auf reale Unterrichtsprozesse angewendet. Die "Umsetzbarkeit" und damit die "Realitätsnähe" der Unterrichtskonzepte wird erprobt. Durch die Mitarbeit am Vorhaben der kooperativen Ausbildung von Zerspanungsmechanikern wird eine Praxisrelevanz der lehramtsbezogenen Ausbildung als auch die Vernetzung der Lehrveranstaltungen zur Beruflichen Didaktik bis hin zur Anfertigung der Wissenschaftlichen Arbeit erforderlich und damit gesichert.

"Wozu brauchen wir das?", ist eine Frage, die hoffentlich im Berufsschulunterricht - wie auch in der Ausbildung von Lehramtsstudierenden - immer weniger gestellt wird.


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 20. Jg., Nr. 7 vom 21.04.2009, S. 5
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2009