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INTERNATIONAL/021: Argentinien - Bildungschancen verstehen und verbessern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Juni 2012

Argentinien: Bildungschancen verstehen und verbessern - Schulen evaluieren sich selbst

von Marcela Valente



Buenos Aires, 25. Juni (IPS) - Argentinien will seine Grundschulausbildung verbessern, um jungen Menschen aus armen Verhältnissen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ein Programm zur Selbst-Evaluierung der Schulen hat bereits Erfolge gezeigt - und die Aufmerksamkeit anderer lateinamerikanischer Länder auf sich gezogen.

1.600 Schulen im Norden Argentiniens stehen im Fokus des Programms mit dem Titel 'Politik der Selbst-Evaluierung zur Verbesserung der Bildungssituation', das Experten des Weltkinderhilfswerks UNICEF entwickelt haben. 300.000 Schüler und 19.000 Lehrer in den Provinzen Jujuy, Salta und Tucumán im Nordwesten sowie Chaco und Misiones im Nordosten sind bereits daran beteiligt.

"Unsere Kultur der Evaluierung ist unzureichend", sagt Elena Duro von UNICEF, die das Programm zusammen mit einer Kollegin entwickelt hat. "In Argentinien wie auch in anderen Ländern Lateinamerikas verlassen wir uns häufig auf eine Bewertung durch externe Experten. Kontrolle spielt dabei eine große Rolle."


Betroffene werden zu Akteuren

Das Programm, das Duro als ein Werkzeug versteht, setze hingegen bei den Akteuren selbst an. "Es ist ein demokratisches Instrument, das auf die Beteiligung der Betroffenen setzt." Ein Fragebogen für Lehrer fragt unter anderem nach Schulabbruch und Schulverweigerung, dem Alter der Schüler und der Zahl der Wiederholungen von Schuljahren.

Darüber hinaus werden Lehrer gebeten, ihren eigenen Unterricht zu bewerten. Und schließlich können Eltern Fragebögen ausfüllen, in denen sie die Qualität des Unterrichts und den Führungsstil bewerten können. Sie können angeben, ob sie sich von der Schule ausreichend eingebunden fühlen und wie sie die Einbettung der Schule in die Gemeinschaft insgesamt empfinden.

Das Programm läuft bereits seit 2008. Aus den bisherigen Daten wurde ein Entwurf für einen Aktionsplan entwickelt, der Schritt für Schritt dafür sorgen soll, dass die Lehre verbessert wird.

"Das Programm ist ein Werkzeug, das sich den Gegebenheiten anpasst und sich immer weiter entwickelt", sagt Duro. Von den Schulen werde es sehr gut angenommen. Und Erfolge habe es auch bereits gegeben: "Seit wir das Programm gestartet haben, ist die Zahl der Schulabbrecher an den teilnehmenden Schulen drastisch gesunken, und es gibt weniger Abwesenheitszeiten sowohl bei den Schülern als auch den Lehrern." Auch schneiden die Schüler im Unterricht besser ab.


Schriftlicher und mündlicher Ausdruck verbessert

Eine der teilnehmenden Bildungseinrichtungen ist die Benjamin-Matienzo-Schule in Salta. "Das Hauptproblem war der mündliche und schriftliche Ausdruck", sagt die Schulleiterin Isabel Valle Rivero über ihre 133 Schüler. "Die Schüler konnten sich weder schriftlich noch mündlich vernünftig ausdrücken, und haben daher oft lieber den Mund gehalten."

Um die Kommunikation der Kinder und ihre Zukunftsaussichten zu verbessern, ist die Schule einen Umweg gegangen: Sie hat bei Institutionen in der Region um Unterstützung gebeten, die Lehrer zu Fortbildungen geschickt und bietet nun verschiedene landwirtschaftliche Workshops für ihre Schüler an.

"Die Schüler müssen in den Workshops kontinuierlich mit anderen interagieren", erklärt Valle Rivero. "Die Neugier der Kinder wird geweckt, sie werden motiviert, Fragen zu stellen und ihre Zweifel mitzuteilen. Sie müssen schriftliche Berichte anfertigen. All das öffnet ihnen die Türen zu mehr Kommunikation - und letztlich einem besseren Ausdrucksvermögen."

Ganz andere Probleme haben die Kinder an der Grundschule '179 de Machagai' in der Provinz Chaco mit 812 Schülern. "Den Kindern fehlen Werte, ihnen fehlt der Respekt gegenüber ihren Mitmenschen, und sie sind hochgradig aggressionsanfällig", sagt Schuldirektor Leonardo Ledesma. Seine Antwort war die Gründung einer Zeitung, die von Schülern mitgestaltet wird und die nicht nur innerschulische Themen abdeckt, sondern sich auch mit Geschehnissen außerhalb der Schule beschäftigt.

Die Schule habe zwar bereits früher ihre Leistungen bewertet. "Aber das Programm hat uns geholfen, sie besser zu strukturieren."

Andere lateinamerikanische Länder haben mittlerweile ihr Interesse an der Initiative bekundet. Deshalb hat UNICEF für August eine Tagung angekündigt, um das Programm zu erläutern. Vertreter von acht Staaten haben sich bereits angemeldet, um in Buenos Aires mit Experten und Akteuren zu reden. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.unicef.org/argentina/spanish/resources_14335.htm
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100987

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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2012