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BERICHT/046: Bildung und Ausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland (DJI Impulse)


DJI Impulse
Das Bulletin des Deutschen Jugendinstituts 2/2012 - Nr. 98

Sackgasse oder Startrampe?
Bildung und Ausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland.
Ergebnisse des Jugend-Migrationsreports

Von Kirsten Bruhns



Auf den ersten Blick überrascht der Daten- und Forschungsüberblick des Jugend-Migrationsreports nicht: Die Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der allgemeinbildenden Schule, in der dualen Ausbildung und im Studium bleiben hinter denen von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund zurück. Sie finden seltener Zugang zum bildungsbedeutsamen ehrenamtlichen Engagement, zur Jugendverbandsarbeit und zum Jugendaustausch. Ein zweiter Blick zeigt jedoch, dass dieses Resultat nicht für alle Generationen und nicht für jede nationale Herkunftsgruppe gilt. Auch Geschlechterdifferenzen, regionale Unterschiede und Unterschiede in den Lebenslagen lassen pauschale Aussagen nicht zu. Darüber hinaus verändert sich mit der Zeit die Bildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Auch Ergebnisse, die immer häufiger nicht nur zu Jugendlichen mit ausländischer Staatsangehörigkeit vorliegen, sondern die breitere Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund einbeziehen, ermöglichen einen differenzierten Blick auf ihre Bildungssituation. Jugendliche mit Migrationshintergrund werden nicht über ihren Pass definiert, sondern danach, ob sie selbst (erste Generation), zumindest ein Elternteil (zweite Generation) oder ein Großelternteil (dritte Generation) zugewandert sind.


Der Blick auf die zeitliche Entwicklung zeigt Potenziale auf

Die schulische Situation von Jugendlichen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit hat sich gegenüber früheren Jahren verbessert. Bei den Schulabschlüssen holen sie seit 1992 deutlich auf: Sie verlassen die Schule mittlerweile seltener ohne Abschluss oder mit dem Hauptschulabschluss, ihr Anteil an den Realschulabsolventinnen und -absolventen nimmt zu. Darüber hinaus gibt es inzwischen mehr ausländische Jugendliche mit (Fach-)Hochschulreife.

In der dualen Ausbildung entwickelte sich die Situation ausländischer Jugendlicher weniger günstig. Seit dem Jahr 2006 nimmt ihre Ausbildungsbeteiligung jedoch wieder zu. Für einen sich fortsetzenden positiven Trend spricht, dass angesichts der demografischen Entwicklung mit einem weiteren Rückgang an Bewerberinnen und Bewerbern gerechnet werden kann, was ihre Chancen weiter verbessern dürfte (Bundesinstitut für Berufsbildung 2011).

Zwischen 2000 und 2010 erhöhte sich die Zahl der ausländischen Studierenden, die eine Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland erworben haben (sogenannte Bildungsinländerinnen und -inländer). Der prozentuale Zuwachs ist allerdings gering. Gestiegen ist jedoch der Anteil der erfolgreichen Studienabsolventinnen und -absolventen dieser Gruppe, und das stärker als bei den deutschen Hochschulabgängerinnen und -abgängern.

Die hier genannten zeitlichen Entwicklungen zeigen Potenziale von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf, die in der fachlichen Diskussion nicht ausreichend gewürdigt werden. Allzu schnell wird auf noch positivere Entwicklungen der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund verwiesen - ohne die oft ungleichen sozialen Ausgangslagen beider Gruppen zu berücksichtigen.


Geschlechterdifferenzen - es gibt nicht nur Gewinnerinnen und Verlierer

Insbesondere weibliche ausländische Jugendliche haben in der Schulbildung bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Sie verlassen seltener als männliche ausländische Jugendliche die allgemeinbildende Schule ohne Abschluss und erreichen häufiger den Realschulabschluss. Sie besuchen zudem häufiger das Gymnasium und sie legen öfter die (Fach-)Hochschulreife ab. Jedoch nehmen von ihnen prozentual weniger ein Studium auf, als dies in ihrer männlichen Vergleichsgruppe der Fall ist. Das führt dazu, dass nur knapp die Hälfte der Studierenden dieser Gruppe Frauen sind. Über die Zeit hinweg haben sie aber beim Hochschulzugang und bei den Hochschulabschlüssen höhere Zuwächse als die männlichen Jugendlichen. Als Fächergruppen wählen ausländische Frauen, die in Deutschland die Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, am häufigsten Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften - häufiger als ihre deutschen und ausländischen Kommilitonen. Auffallend ist, dass ein höherer Anteil ausländischer Frauen und Männer, verglichen mit deutschen Studierenden, den Studiengang der Ingenieurwissenschaften absolvieren, wobei der Anteil der Männer über dem der Frauen liegt.

Untersuchungen zu Studierenden mit Migrationshintergrund zeigen, dass junge Frauen mit Migrationshintergrund, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, häufiger studieren als ausländische Frauen mit Migrationshintergrund.

Obwohl junge Frauen mit Migrationshintergrund bessere Schulabschlüsse haben als junge Männer mit Migrationshintergrund, ist der Übergang von der Schule in eine berufliche Ausbildung für sie eine höhere Hürde. Allerdings hat sich die Geschlechterdifferenz mit der Zeit verringert. Stärker noch als männliche konzentrieren sich weibliche ausländische Auszubildende auf einige wenige Berufe: Die fünf von ihnen am häufigsten gewählten Ausbildungen (Friseurin, Medizinische Fachangestellte, Zahnmedizinische Fachangestellte, Verkäuferin, Kauffrau im Einzelhandel) werden als Berufe charakterisiert, die »zumindest teilweise (...) nur wenige Aufstiegsmöglichkeiten bieten« (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2010, S. 163).

In Vereinen, Verbänden, Gruppen und Organisationen sind weibliche gegenüber männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowohl seltener aktiv als auch weniger engagiert. Beim ehrenamtlichen Engagement gilt dieses Ergebnis vor allem für junge Frauen zwischen 20 und 24 Jahren. Bei jüngeren ist die Engagementquote zwischen den Geschlechtern fast ausgewogen. Die Qualifikation und Legitimation als Jugendleiterin und Jugendleiter in der Jugendarbeit, die »Jugendleiter/ in-Card«, erwerben junge Frauen häufiger als junge Männer mit Migrationshintergrund. Die offene Jugendarbeit erreicht Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund wiederum seltener als die männliche Vergleichsgruppe. Auch wenn die Geschlechterdifferenzen bei den jungen Menschen mit Migrationshintergrund tendenziell denen ohne Migrationshintergrund entsprechen, gibt es Hinweise auf Unterschiede in den Bildungschancen: So haben deutsche Abiturientinnen einen noch höheren Bildungsvorsprung vor deutschen Abiturienten, als dies in der Gruppe der ausländischen Schulabsolventinnen und -absolventen der Fall ist. Und der prozentuale Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Auszubildenden ist bei den deutschen Jugendlichen niedriger.


Der Jugend-Migrationsreport
Der Jugend-Migrationsreport des Deutschen Jugendinstituts stellt Daten zur Situation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zusammen: in der schulischen Bildung, in der beruflichen und akademischen Ausbildung sowie in der außerschulischen Bildung im Bereich der Jugendarbeit. In der Zusammenschau der Befunde ermöglicht der Jugend-Migrationsreport eine umfassende Beschreibung der Bildungs- und Ausbildungslage von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und - im Vergleich mit Jugendlichen Der Jugend-Migrationsreport ohne Migrationshintergrund - einen Eindruck von ihren (Aus-)Bildungschancen. Erweisen sich diese unter einer verallgemeinernden Perspektive als prekär, so belegen differenzierte Analysen Unterschiede und positive Entwicklungen.
LITERATUR
MONIKA STÜRZER / VICKI TÄUBIG / MIRJAM UCHRONSKI / KIRSTEN BRUHNS (2012): Schulische und außerschulische Bildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Jugend-Migrationsreport. Ein Daten- und Forschungsüberblick. München
IM INTERNET
www.dji.de/jugend-migrationsreport

Unterschiede zwischen den Herkunftsländern

Die Bildungschancen von ausländischen Jugendlichen variieren nach ihren Staatsangehörigkeiten. So besucht ein höherer Prozentanteil der vietnamesischen Schülerinnen und Schülern das Gymnasium als von den deutschen. Die Differenz zwischen Jugendlichen mit einem Pass der Russischen Föderation und deutschen Jugendlichen ist dagegen nicht sehr hoch. Schülerinnen und Schüler mit vietnamesischem oder mit Pass der Russischen Föderation gehen - ebenso wie Kinder aus der Ukraine, Polen und dem Iran - seltener auf Förderschulen als Deutsche. An den Hauptschulen ist der Anteil von Jugendlichen mit serbischer, italienischer und türkischer Staatsangehörigkeit am größten.

Als »Problemgruppe« werden in der Öffentlichkeit vor allem junge Menschen mit türkischem Migrationshintergrund wahrgenommen. Sie haben am häufigsten von allen Jugendlichen mit Migrationshintergrund keinen Schulabschluss oder verfügen nur über einen Hauptschulabschluss, der für den späteren Ausbildungs- und Arbeitsmarkt weniger Chancen eröffnet. In der auf »Risikojugendliche« spezialisierten mobilen Jugendarbeit (Streetwork) sind sie unter den Adressatinnen und Adressaten ebenfalls am häufigsten vertreten.

Vertiefende Analysen zeigen aber auch, dass junge Menschen mit türkischem Migrationshintergrund viel Initiative zeigen, um Hürden in ihrer Bildungs- und Ausbildungslaufbahn zu überwinden: Sie erhalten im Vergleich zu Aussiedlerinnen und Aussiedlern sowie zu Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund am seltensten eine Empfehlung für den Übertritt auf das Gymnasium. Doch es entscheidet sich ein höherer Anteil, auf das Gymnasium zu gehen, als bei Jugendlichen anderer Herkunftsländer, die ebenfalls keine Empfehlung erhalten haben. Hauptschülerinnen und -schüler mit türkischem Migrationshintergrund, die am Ende der Schulzeit planen, eine berufliche Ausbildung zu beginnen, realisieren ihre Pläne ebenso erfolgreich wie jene ohne Migrationshintergrund. Sie sind dabei erfolgreicher als italienische Jugendliche, Aussiedlerinnen und Aussiedler sowie Jugendliche aus dem ehemaligen Jugoslawien. Im Vergleich zu Studienberechtigten ohne Migrationshintergrund nehmen junge türkische Studienberechtigte häufiger auch dann ein Studium auf, wenn sie schlechtere Schulnoten haben und aus schwierigeren sozioökonomischen Verhältnissen kommen.

Wird die Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund nach den Herkunftsländern der Familie differenziert, müssen Verallgemeinerungen zur Bildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund infrage gestellt werden. Analysen nach nationalen Herkunftsgruppen bergen allerdings die Gefahr der Kulturalisierung. Im schlimmsten Fall werden dadurch abwertende Stereotypen bestätigt und Vorurteile verstärkt. Deswegen ist es notwendig, daran zu erinnern, dass auch nationale, ethnische oder kulturelle Gruppen keine Einheit bilden und Pauschalurteile nicht rechtfertigen. Letztlich kann der Gefahr einer Kulturalisierung jedoch nur begegnet werden, wenn weitere Faktoren für die jeweiligen Bildungssituationen und -chancen analysiert werden. Dies beinhaltet eine Überprüfung von strukturellen Rahmungen von Bildungsverläufen, den kulturellen, sozialen und ökonomischen Ressourcen der Jugendlichen sowie von individuellen und kollektiven Erfahrungen im Migrationsprozess wie auch beim Aufwachsen in Deutschland. Ein solches Vorhaben ist ein Zukunftsprojekt, das hohe Erträge verspricht: Seine Ergebnisse könnten dazu beitragen, Förderbedarf detailliert zu identifizieren und Potenziale effektiv und zielgenau zu unterstützen.


Veränderungen im Zuge der Generationenabfolge

Jugendliche der dritten Migrantengeneration, deren Großeltern eingewandert und deren Eltern in Deutschland geboren sind, scheinen sich in ihren Bildungschancen den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund anzugleichen. Nach dem DJI-Survey »Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten« (AID:A) stehen sie beim Besuch des Gymnasiums nicht zurück. Sie erreichen sogar höhere Anteile, wenn der Bildungsstatus des Vaters gleich ist und wenn nur ein Elternteil einen Migrationshintergrund hat. Auch Klassenwiederholungen verringern sich von der ersten bis zur dritten Generation stetig.

Ebenso sind Angebote des außerschulischen Bildungsbereichs den Ergebnissen des DJI-Surveys AID:A zufolge in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Jugendlichen mit Migrationshintergrund eher zugänglich als zugewanderten Jugendlichen. Der Anteil von Jugendlichen der zweiten Migrantengeneration, die in Gruppen, Vereinen, Verbänden oder Organisationen aktiv sind, liegt über dem Anteil der ersten Generation.

Dem stehen Daten des Mikrozensus gegenüber, nach denen in Deutschland lebende 25- bis 35-Jährige der ersten Generation häufiger ein Abitur haben, als die der zweiten Generation. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass zur ersten Generation auch Personen zählen, die ihre Bildungsabschlüsse im Ausland erworben haben.

Derartige Unterschiede deuten auf zusätzlichen Forschungsbedarf hin und erfordern weitere Klärung im größeren Kontext des Wandels von Lebenslagen und Lebensführungsmustern von Jugendlichen mit Migrationshintergrund.


Was erklärt »der« Migrationshintergrund?

Die Befunde repräsentativer Studien belegen Zusammenhänge zwischen Schulleistungen beziehungsweise -abschlüssen sowie von sozialen, kulturellen und ökonomischen Ressourcen der jungen Menschen und ihrer Familien einerseits, und dem Zugang zum schulischen Sekundarbereich, zur vollqualifizierenden Ausbildung, zum Studium sowie zur Jugendarbeit andererseits. Nicht immer lassen sich durch solche Analysen ungünstigere Bildungs- und Ausbildungsverläufe der jungen Menschen mit Migrationshintergrund vollständig aufklären.

Deutliche Anzeichen gibt es für einen Zusammenhang zwischen schulischen Bildungsabschlüssen und dem sozioökonomischen Status. So erhöht sich die Chance von Jugendlichen, ein Gymnasium zu besuchen oder die Schule mit dem Abitur abzuschließen, je höher ihr sozioökonomischer Status ist - unabhängig davon, ob sie einen Migrationshintergrund haben. Bei den Hauptschul- und Realschulabschlüssen erklärt der sozioökonomische Status Unterschiede aber nur teilweise, die Variable »Migrationshintergrund« behält zunächst ihre Bedeutung. Der Migrationshintergrund spielt auch bei der Aufnahme einer vollqualifizierenden Ausbildung eine Rolle: Jugendliche mit Migrationshintergrund treten seltener als jene ohne Migrationshintergrund in eine Berufsausbildung ein - auch dann, wenn sich die schulischen Voraussetzungen, der Sozialstatus der Familie, die soziale Einbindung und weitere, die Lebensführung und Lebenslage bestimmende Faktoren (wie zum Beispiel die Wohnregion) in beiden Gruppen nicht unterscheidet.

In den Handlungsfeldern der Jugendverbandsarbeit, der Jugenderholung und der internationalen Jugendbegegnung stellen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten die Mehrheit der Teilnehmenden. Dass Jugendliche mit Migrationshintergrund an Gymnasien unterrepräsentiert sind, scheint zu ihrem Ausschluss beizutragen. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund selbst dann geringere Teilnahmequoten in der Jugendarbeit erreichen, wenn sie über den gleichen Bildungshintergrund verfügen wie Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Dies zeigt sich im freiwilligen Engagement oder bei der Übernahme von Funktionen in Organisationen. Lediglich in den offenen Angeboten von Jugendhäusern und ähnlichen Einrichtungen sowie in der mobilen Jugendarbeit (Streetwork) sind Jugendliche mit Migrationshintergrund überproportional vertreten. Dies sind zugleich die Angebote, die häufiger von Jugendlichen mit niedrigerer Schulbildung in Anspruch genommen werden.

Diese Ergebnisse zeigen, wie bedeutend familiale, soziale, kulturelle und ökonomische Ressourcen für die Bildungs- und Ausbildungschancen von Jugendlichen sind, unabhängig von ihrem Migrationsstatus. In einer Gesellschaft, in der Zugewanderte und ihre Nachkommen häufiger als Personen ohne Migrationshintergrund nur einen eingeschränkten Zugang zu derartigen Ressourcen haben, ist es deswegen nicht erstaunlich, dass sie ihre Bildungspotenziale weder gleichermaßen entwickeln noch nutzen können wie Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund.

Dennoch behält der Migrationshintergrund teilweise einen Erklärungswert für Ungleichheiten im Bildungs- beziehungsweise Ausbildungsbereich. Dahinter werden strukturelle, kollektive und individuelle Diskriminierungen vermutet, die eine Negativ-Selektion im Bildungsverlauf bedingen. An empirischen Überprüfungen derartiger Thesen mangelt es bislang jedoch.


Forschungslage und -bedarf

Die dargestellten Ergebnisse basieren auf einer insgesamt unzureichenden Datenlage. Amtliche Statistiken erfassen häufig lediglich die Staatsangehörigkeit. Ausländische Jugendliche sind - wie Vergleiche mit repräsentativen Untersuchungen nahelegen - in den einzelnen (Aus-)Bildungsbereichen weniger erfolgreich als Jugendliche mit Migrationshintergrund. Diese werden darüber definiert, dass sie selbst oder ihre Eltern- beziehungsweise Großelternteile nach Deutschland zugewandert sind. Zu ihnen gehören sowohl Jugendliche mit ausländischer als auch deutscher Staatangehörigkeit. Diese unterschiedlichen Definitionen von »Migrationshintergrund« erschweren in repräsentativen Erhebungen einen Vergleich der Befunde.

Hier besteht Abstimmungs- und Nachholbedarf. Wünschenswert wären darüber hinaus weitergehende Analysen, die auch Lebensführungsmuster und Lebenslagen sowie institutionelle und betriebliche Rahmenbedingungen detailliert darstellen. Entsprechende Erkenntnisse liegen noch nicht in ausreichendem Maße vor. Aber vieles deutet bereits jetzt darauf hin, dass die Tatsache des Migrationshintergrundes Unterschiede in den Bildungschancen nicht ausreichend erklären kann. Vor allem der familiäre Sozial- und Bildungsstatus scheint einen erheblichen Einfluss auf die Bildungs- und Ausbildungslaufbahn von Kindern und Jugendlichen zu haben, und zwar derjenigen mit und ohne Migrationshintergrund. Auch was sich hinter einem weiterhin wirksamen Einfluss von »Migrationshintergrund« auf (Aus-)Bildungschancen und -risiken verbirgt, ist noch nicht genügend geklärt. Viele Forschungsthemen, die Selektionsprozesse aufdecken könnten, sind bislang noch gar nicht oder nicht ausreichend analysiert. Hierzu gehören unter anderem Klassenwiederholungen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie das eklatante Ungleichgewicht zwischen ausländischen und deutschen Schülerinnen und Schülern bei der Zuweisung eines pädagogischen Förderbedarfs, vor allem beim Lernen.

Derartige Forschungslücken werden durch eine Zusammenschau von verstreuten Forschungsergebnissen wie im Jugend-Migrationsbericht offensichtlich. Darüber hinaus eröffnet sie neue Sichtweisen auf das Forschungsfeld »Bildung und Ausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund«: Scheinbare Gewissheiten werden infrage gestellt, Pauschalisierungen zweifelhaft, und noch nicht geklärte Zusammenhänge geraten ins Blickfeld.


DIE AUTORIN

Kirsten Bruhns ist wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut. Sie war Mitarbeiterin und kommissarische Leiterin der Forschungsgruppe Migration, Integration und interethnisches Zusammenleben.
Kontakt: bruhns@dji.de


LITERATUR

BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (BIBB) (Hrsg.; 2011): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2011. Informationen und Analysen zur Entwicklung der beruflichen Bildung. Bonn

SACHVERSTÄNDIGENRAT DEUTSCHER STIFTUNGEN FÜR INTEGRATION UND MIGRATION (SVR) (2010): Einwanderungsgesellschaft 2010. Jahresgutachten 2010 mit Migrationsbarometer. Berlin

DJI Impulse 2/2012 - Das komplette Heft finden Sie im Internet unter:
www.dji.de/impulse

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Quelle:
DJI Impulse - Das Bulletin des Deutschen Jugendinstituts 2/2012 - Nr. 98, S. 41-44
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DJI Impulse erscheint viermal im Jahr.
Die Hefte können kostenlos unter www.dji.de/impulsebestellung.htm
abonniert oder unter vontz@dji.de schriftlich angefordert werden.


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2012