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USA/366: Einsatz von Drohnen gegen Terrorverdächtige umstritten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Januar 2013

USA: Einsatz von Drohnen gegen Terrorverdächtige umstritten - CIA-Beteiligung verhindert Transparenz

von Jim Lobe



Washington, 22. Januar (IPS) - Nachdem Barack Obama für weitere vier Jahre ins Weiße Haus eingezogen ist, debattiert seine Regierung darüber, wie sie am besten auf die wachsende Kritik am Einsatz bewaffneter Drohnen reagiert. Die unbemannten Luftfahrzeuge waren während der ersten Amtszeit des Präsidenten die Anti-Terror-Waffe der Wahl.

Seit Monaten gibt es in hohen Regierungskreisen ein Tauziehen darüber, wie ein Einsatzplan für Drohnen gegen Terrorverdächtige aussehen sollte. Darin soll detailliert festgelegt werden, wer in die so genannten 'Todeslisten' aufgenommen werden soll und unter welchen Umständen die Drohnen von welcher Behörde zum Töten losgeschickt werden dürfen. Beraten wurde zudem darüber, inwieweit die Regierung diese Regeln und ihre angebliche juristische Legitimation öffentlich machen sollte.

Der Ausgang der Debatte könnte entscheidenden Einfluss darauf haben, ob es Obama gelingt, den militärischen 'Fußabdruck' Washingtons im Nahen Osten insbesondere durch einen Abzug der Bodentruppen zu reduzieren und zugleich weiter eine Anti-Terror-Strategie voranzutreiben, die darauf abzielt, das Islamisten-Netzwerk Al Qaeda und seine Verbündeten zu vernichten. In den vergangenen vier Jahren haben Drohnenangriffe innerhalb dieser Strategie eine hervorstechende Rolle gespielt.

Der US-Geheimdienst CIA, der die Drohnenprogramme in Pakistan koordiniert und gemeinsam mit dem Pentagon Drohnenoperationen im Jemen verantwortet, fordert offenbar mehr Spielraum bei der Durchführung der Einsätze. Andererseits hat sich Obamas wichtigster Berater bei der Terrorbekämpfung, John Brennan, der künftig die CIA leiten soll, für eine stärkere Beschränkung der Einsätze und größere Transparenz ausgesprochen.


Grünes Licht für weitere CIA-Aktionen nach bisherigem Muster erwartet

Laut einem kürzlich in der 'Washington Post' veröffentlichten Bericht könnte die Kontroverse nun durch eine Reihe von Kompromissen beendet werden, die es der CIA unter anderem gestatten werden, in den nächsten ein bis zwei Jahren ihr umstrittenes Drohnenprogramm nach den bisherigen Regeln von Afghanistan aus gegen Ziele im benachbarten Pakistan fortzusetzen. In diesem Zeitraum wird Washington seine Truppenpräsenz in Afghanistan wahrscheinlich von derzeit 66.000 auf 10.000 Mann drastisch reduzieren.

Micah Zenko, ein prominenter Gegner des Drohnenkrieges, hat bereits kritisiert, dass Pakistan in dem künftigen Szenario nicht mehr berücksichtigt werden soll. "Sollten die USA Pakistan nicht mehr in ihrem 'Textbuch' aufführen, wird dieses im Grunde bedeutungslos. Denn 85 Prozent der gezielten Tötungen, die die USA seit den Anschlägen von 9/11 außerhalb der eigentlichen Kampfeinsätze ausgeführt hat, fanden in Pakistan statt", sagte Zenko, akademisches Mitglied im Rat für Auswärtige Angelegenheiten (CFR). In seinem vor kurzem veröffentlichten Bericht 'Reforming U:S. Drone Strike Policies' hat er einen wichtigen Beitrag zu der derzeitigen Debatte geleistet.

"Der überwiegende Teil der gezielten Tötungen und Drohnenangriffe wird nicht in dem Textbuch vorkommen", sagte er am 22. Januar bei einer Pressekonferenz von CFR. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2011 haben die US-Streitkräfte demnach in mindestens drei Ländern - Pakistan, Jemen und Somalia - etwa 425 gezielte Tötungsaktionen durchgeführt, die meisten durch Drohnenangriffe. Dabei sollen insgesamt mehr als 3.000 Menschen getötet worden sein - mehr als bei den Terroranschlägen in den USA. Wie viele von ihnen tatsächlich Mitglieder terroristischer Organisationen und keine Zivilisten waren, bleibt umstritten.

Die Drohneneinsätze haben von Beginn an Proteste hervorgerufen, unter anderem deshalb, weil die Obama-Regierung damit ihrer eigenen politischen Linie widersprach. Denn Obama hatte sich bis dahin gegen die Mordkomplotte gestellt, die von republikanischen wie demokratischen Präsidenten gleichermaßen unterstützt worden waren, seit die ersten Fälle von Tötungen durch die CIA in den siebziger Jahren bekannt geworden waren. Auch die Tatsache, dass nun aus größerer Distanz als früher getötet werden konnte, rief Unbehagen hervor.

In der Regel wird eine solche Drohne von einem Videoterminal einer Sicherheitseinrichtung aus gesteuert, die im US-Bundesstaat Nevada liegt, rund 13.000 Kilometer von dem Ziel entfernt. Besonders umstritten sind die so genannten 'Signatur-Angriffe'. Während bei den ersten Drohnen-Attacken einzelne bereits identifizierte Terrorverdächtige ins Visier genommen wurden, deren Namen auf einer von mehreren US-Behörden erstellten 'Todesliste' stehen, richten sich die 'Signatur-Anschläge', die vor allem in Pakistan in einem verheerenden Ausmaß stattgefunden haben, gegen Gruppen von Verdächtigen, deren genaue Identität nicht feststeht.


Drohnen mit Heckenschützen verglichen

Wie der ehemalige Direktor des US-Geheimdienstes DNI, Dennis Blair, bei der CFR-Konferenz feststellte, sollte die Distanz zwischen demjenigen, der eine Drohne steuert, und deren Ziel nicht an sich zum Streitpunkt werden. Drohnen sollten "in einem militärischen Sinn als Heckenschützen betrachtet werden, die aus einer großen Distanz operieren".

Je nach den gegebenen Umständen hält Blair selbst 'Signatur-Anschläge' für zulässig. "Wenn wir beispielsweise in Afghanistan kämpfen und wissen, dass jenseits der Grenze in Pakistan Taliban-Gruppen trainieren, sollten wir entweder Heckenschützen oder Drohnen zulassen, die auf bewaffnete Männer schießen, die unter unseren Augen in Transporter klettern und in Richtung der afghanischen Grenze fahren."

Blair zeigte sich jedoch wenig einverstanden damit, dass etwa die CIA an den Strategien beteiligt wird, da der Geheimdienst wegen seiner versteckten Missionen nicht öffentlich über die Aktionen sprechen könne. "Ich bin fest davon überzeugt, dass die meisten Drohneneinsätze unter militärischer Führung stattfinden sollten", erklärte der Experte. Die gegenwärtigen Drohnenprogramme in Pakistan erreichten lediglich, dass die Pakistaner Terrorverdächtige inoffiziell töten und dann öffentlich die USA dafür verantwortlich machen könnten. Damit würden die USA in Pakistan extrem unbeliebt, und dies laufe auch anderen Zielsetzungen Washingtons in dem Land zuwider. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:
http://articles.washingtonpost.com/2013-01-19/world/36474007_1_drone-strikes-cia-director-playbook
http://www.cfr.org/wars-and-warfare/reforming-us-drone-strike-policies/p29736
http://www.ipsnews.net/2013/01/drones-provoke-growing-controversy-in-u-s/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. Januar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2013