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USA/334: Völkermord-Frühwarnbehörde beschlossen, Lob für Obama-Direktive (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. August 2011

USA: Völkermord-Frühwarnbehörde beschlossen - Lob für Obama-Direktive

Von Jim Lobe


Washington, 8. August (IPS) - US-Präsident Barack Obama hat die Einrichtung einer hochkarätigen und ressortübergreifenden Behörde angeordnet, mit deren Hilfe die Gefahr von Völker- oder Massenmorden wie 1994 in Ruanda im besten Fall gebannt werden soll. Darüber hinaus verfügte das Weiße Haus, dass Personen, die für "Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ernste Menschenrechtsverstöße" verantwortlich sind, künftig keine US-Einreisegenehmigung mehr erhalten werden.

Während die Visa-Verbots-Direktive mit sofortiger Wirkung in Kraft trat, wird die Behörde zur Prävention von Massengräueln ('Mass Atrocities Prevention Board') in vier Monaten ihre Arbeit aufnehmen. Vorgesehen ist, dass die Institution eng mit den US-Ministerien für Heimatsicherheit, Äußeres, Finanzen, Sicherheit, Justiz und Verteidigung sowie mit den beiden Geheimdiensten des Landes und dem Nationalen Sicherheitsrat zusammenarbeitet. Mit dem Aufbau der neuen Behörde ist Obamas nationaler Sicherheitsberater Tom Donilon betraut.

Es liege im ureigenen nationalen Sicherheitsinteresse, Massaker und Völkermord weltweit zu verhindern, sagte Obama am 4. August und fügte hinzu: "66 Jahre nach dem Holocaust und 17 Jahre nach Ruanda fehlt es in den USA noch immer an einem umfassenden Handlungsrahmen und einem ressortübergreifenden Mechanismus, um Massengräuel und Genozid zu verhindern beziehungsweise angemessen auf solche Verbrechen zu reagieren."

Oft kämen die Bemühungen Washingtons, Völkermorde und andere Verbrechen zu verhindern, zu spät. Bis alle relevanten Stellen auf das Problem aufmerksam geworden seien, vergehe viel zu viel Zeit, so Obama. Dies habe zur Folge, dass der Handlungsspielraum schwinde und eine kostspielige Intervention erforderlich mache.


Nie mehr Ruanda

Die neue Behörde soll als eine Art Frühwarnsystem funktionieren, von dem gerade potenzielle Opfer etwa in Kirgisistan, Côte d'Ivoire, Libyen und [im] Sudan profitieren sollen. Die Idee, ein solches Gremium einzurichten, geht auf den Völkermord in Ruanda 1994 zurück, der 800.000 ethnischen Tutsi und moderaten Hutu das Leben kostete. Damals hüllten sich die USA nicht nur in Schweigen, sondern torpedierten Aktivitäten der Vereinten Nationen.

Angeregt hatte die geplante Behörde im Dezember 2008, kurz nach dem Wahlsieg Obamas, der Bericht einer Partei übergreifenden Arbeitsgruppe unter Leitung des ehemaligen Pentagon-Chefs William Cohen und der einstigen Außenministerin Madeleine Albright. Die Arbeitsgruppe plädierte für die Einrichtung eines Gremiums, das dem Nationalen Sicherheitsrat untersteht und Empfehlungen für eine Prävention und Reaktion auf Menschenrechtsverbrechen unterbreitet.

Ko-Sponsor des Berichts 'Preventing Genocide: A Blueprint for U.S. Policymakers' (Völkermord verhindern: Eine Anleitung für US-Entscheidungsträger) waren das 'U.S. Institute for Peace' (USIP), das 'U.S. Holocaust Memorial Museum' und die 'American Academy of Diplomacy'.

Sowohl Albright als auch Cohen begrüßten die neue Obama-Direktive in einem gemeinsamen Statement als "beispielloses Bekenntnis von Seiten Amerikas, die international eingegangene Verpflichtung umzusetzen, von massiver Gewalt bedrohte Zivilbevölkerungen zu schützen und sicherzustellen, dass Prävention und Reaktion auf einen Völkermord integrale Bestandteile der nationalen Sicherheitsstrategie Amerikas werden".


Druck auf die Drahtzieher

Auch ein Bündnis von Menschenrechts-, Hilfs- und Kirchenorganisationen, das 'Genocide Intervention Network/Save Darfur Coalition' begrüßte die Initiative und erklärte mit Verweis auf Angriffe der sudanesischen Regierung auf die Nubier in Süd-Kordofan und die Unterdrückung der Proteste in Syrien, dass "ein hartes Vorgehen, um Massengräuel zu beenden, notwendiger denn je ist".

Die Obama-Direktive wird die Liste der Personen, die künftig kein US-Visum mehr erhalten, um Regierungsvertreter verlängern, die Befehlsgewalt über Untergebene besitzen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen. Bisher wurde lediglich Verantwortlichen von Folter und außergerichtlichen Hinrichtungen die US-Einreise verboten.

"Die Direktive richtet sich gegen politische und militärische Entscheidungsträger, die wissen oder wissen sollten, dass es zu solchen Übergriffen kommt oder kam, ohne diese Gräuel zu unterbinden geschweige denn die Verantwortlichen zu bestrafen", meinte Tom Malinowski, der Leiter des Washington-Büros der Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW).

Ausnahmeregelungen sind erlaubt, wenn der US-Außenminister der Meinung ist, dass die Ausstellung eines Visums im nationalen Interesse liegt oder ein Visumverbot gegen US-Abkommen verstößt. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.humanrightsfirst.org/
http://www.hrw.org/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2011