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RUSSLAND/136: Putin plant Eurasische Union (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 43 vom 28. Oktober 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Putin plant Eurasische Union
Wirtschaftliche Integration im GUS-Raum macht Fortschritte

von Willi Gerns


In der vergangenen Woche bemühte sich Wladimir Putin, der russische Regierungschef und Kandidat für eine erneute Präsidentschaft, auf verschiedenen Ebenen (GUS - 11 Mitgliedsländer), Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG - 5 Länder und Zollunion - 3 Länder) intensiv um die engere wirtschaftliche Zusammenarbeit ehemaliger Sowjetrepubliken. Dabei hat es deutliche Fortschritte gegeben.

Bei einem Treffen in Petersburg unterzeichneten die Ministerpräsidenten Russlands, der Ukraine, Belarus', Kasachstans, Armeniens, Kirgisiens, Moldawiens und Tadschikistans einen Vertrag über die Bildung einer Freihandelszone. Aserbaidschan, Usbekistan und Turkmenistan wollen bis Ende des Jahres darüber entscheiden, ob sie sich dem Vertrag anschließen.

Ein Vertrag über die Bildung einer Freihandelszone im Rahmen der GUS wurde schon einmal 1994 vereinbart. Allerdings wurde er damals von der Mehrheit der GUS-Staaten - Russland eingeschlossen - nicht ratifiziert. Und so stand er nur auf dem Papier.

An dem neuen Projekt wurde fast ein Jahrzehnt gearbeitet. Der jetzige Vertrag sieht eine Vereinfachung der rechtlichen Grundlagen für die ökonomischen Beziehungen zwischen den Unterzeichnerstaaten, die Ersetzung einer großen Zahl von mehrseitigen und etwa einhundert zweiseitigen Dokumenten vor, die heute die Handelsbeziehungen im Raum der GUS regeln. Allein bei der Zusammenkunft in Petersburg wurden 28 Dokumente vereinbart. Zu ihnen gehören Übereinkünfte über die Grundprinzipien der Politik im Bereich der Valutaregulierung und der Valutakontrolle sowie eine Konzeption für die strategische Entwicklung des Eisenbahntransports der Gemeinschaft bis 2020.

Der russische Ministerpräsident wies in seiner Rede darauf hin, dass der Warenaustausch in der Gemeinschaft im ersten Halbjahr dieses Jahres um 48 Prozent gestiegen ist und den Wert von 134 Mrd. Dollar überschritten hat. Er fügte an: "Heute kann man vermuten, wie und in welchem Tempo unser Warenaustausch gestiegen wäre, wenn es bereits eine solche Freihandelszone gegeben hätte." Der belarussische Ministerpräsident Michail Mjaschnikowitsch hob bei seinen Ausführungen hervor, dass es in den Petersburger Dokumenten nicht nur um den freien Warenaustausch gehe, sondern zugleich mehr als 70 konkrete Projekte für die gemeinsame Herstellung neuer innovativer Produktionen im Rahmen der Gemeinschaft und die Ausbildung qualifizierten Personals vorgesehen seien. Allerdings soll es Ausnahmen für manche Warengruppen geben, die noch nicht gebührenfrei im Handelsraum transportiert werden dürfen. "Das gilt für die Waren, die die Haushalte dieser oder jener Länder prägen", präzisierte Putin. "Für Russland sind das vor allem Energieträger und Metalle." Mit der Zeit sollen die Ausnahmen abgeschafft werden, eine Frist dafür wurde jedoch nicht genannt. Bei dem Treffen in Petersburg wurde zugleich von den Regierungschefs der "Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (ERAWG), der Belarus, Kasachstan, Kirgisien, Russland und Tadschikistan angehören, die Aufnahme Kirgisiens in die Zollunion vereinbart, an der bisher bereits Belarus, Kasachstan und Russland teilnehmen. Zur Regelung der dafür erforderlichen Voraussetzungen wurde eine spezielle Arbeitsgruppe beschlossen. Putin ist bestrebt diese Fortschritte bei der Integration früherer Sowjetrepubliken weiter zu führen. In einem Beitrag für die "Iswestija" hatte er bereits unmittelbar nach der Bekanntgabe seiner erneuten Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation als strategisches Ziel die Bildung einer Eurasischen Union angekündigt. "Wir schlagen das Modell einer mächtigen übernationalen Vereinigung vor, die in der Lage ist, eine Stütze der heutigen Welt zu werden", betonte er. Die Eurasische Union solle auf "den Erfahrungen der Europäischen Union und anderer Regionalbündnisse" aufbauen.

Zugleich versicherte er, niemand habe die Absicht, eine neue Sowjetunion zu errichten. "Es wäre naiv etwas aus der Vergangenheit zu kopieren." Das würde auch niemand von Putin erwarten. Schließlich ist er der Regierungschef und bald wahrscheinlich wieder der Präsident eines kapitalistischen Staates, in dem die Wirtschaft von Oligarchen beherrscht wird. Eine neue Union Sozialistischer Sowjetrepubliken wäre ohne die grundlegende Umwälzung der politischen Macht- und ökonomischen Eigentumsverhältnisse, d. h. ohne sozialistische Revolution in Russland und den anderen potentiellen Teilnehmerstaaten nicht zu machen. Davon sind die Nachfolgestaaten der Sowjetunion heute aber meilenweit entfernt und nur Leute, an deren Verstand man zweifeln müsste, könnten befürchten, dass Putin eine solche Revolution im Schilde führt.

Allerdings könnte auch eine durch kapitalistische gesellschaftliche Verhältnisse geprägte Eurasische Union in der heutigen Welt durchaus eine positive Rolle spielen. Das könnte dann der Fall sein, wenn sie ihr durch die Integration wachsendes ökonomisches und politisches Gewicht gemeinsam mit anderen Staaten und regionalen Bündnissen für den Frieden in der Welt und eine multipolare Weltordnung gleichberechtigter Staaten in die Waagschale werfen würde.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 43. Jahrgang, 43 vom 28. Oktober 2011, Seite 11
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2011