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OZEANIEN/035: Australien - Proteste der Menschenrechtskommission gegen Zwangshaft für Flüchtlingskinder (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Februar 2015

Australien: Proteste der Menschenrechtskommission gegen Zwangshaft für Flüchtlingskinder

von Josh Butler


New York, 16. Februar (IPS) - Die Australische Menschenrechtskommission (AHRC) hat den Umgang der Regierung in Canberra mit Flüchtlingskindern in einem Bericht aufs Schwerste kritisiert. Nicht nur, dass die Heranwachsenden mit ihren Familien unter unsäglichen Bedingungen festgehalten werden, sie sind zum Teil hochgradig traumatisiert und gefährdet.

Der unter dem Titel 'Forgotten Children' ('Vergessene Kinder') veröffentlichte Report wirft erneut ein Schlaglicht auf die umstrittene Politik der australischen Regierung, Flüchtlinge in Haftzentren dies- und jenseits des Landes wegzusperren.

Im Rahmen der Studie hatte die AHRC mehr als 1.100 Kinder befragt, die im Zeitraum der Umfrage in elf solcher offiziell als 'Auffanglager' bezeichneten Haftzentren auf dem Festland und Offshore auf Nauru und der Weihnachtsinsel festgehalten wurden. Sie fand heraus, dass viele Mädchen und Jungen an gravierenden physischen, emotionalen und psychologischen Belastungsstörungen litten.

"Es ist sehr beunruhigend, dass Regierungs- und Parlamentsmitglieder nicht über die Menschenrechtsabkommen Bescheid wissen, denen Australien als Vertragspartner angehört, beziehungsweise diese ignorieren", schrieb der AHRC-Vorsitzende Gillian Triggs im Vorwort des Berichts.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Untersuchung, die der Regierung seit November 2014, dem Parlament seit dem 11. Februar 2015 vorliegt, waren 800 Flüchtlingskinder in den Zentren inhaftiert. Außerdem wurden in den Lagern in den letzten zwei Jahren 167 Säuglinge geboren.


Seelische Störungen

"34 Prozent der Kinder, die in Australien und auf der Weihnachtsinsel festsitzen, sind so stark mental gestört, dass sie dringend psychiatrische Hilfe benötigen", betont Triggs. Die Selbstverletzungsrate unter den jungen Menschen sei extrem hoch. So sei es über einen Zeitraum von 15 Monaten (zwischen 2013 und 2014) zu 128 solcher Selbstverletzungen gekommen.

Außerdem berichtet die Australische Menschenrechtskommission von 33 sexuellen Übergriffen, die sich überwiegend gegen Kinder richteten. So wurde ein 16-jähriger Teenager offenbar von einer Reinigungskraft vor den Augen des Sicherheitspersonals sexuell angegriffen. In einem weiteren Fall verging sich in Anwesenheit eines Lagermitarbeiters ein erwachsener Häftling an einem Achtjährigen.

Ferner berichtete die AHRC über die Beteiligung von 27 Kindern an Hungerstreiks. Ein Kinderarzt informierte die AHRC, dass "fast alle Kinder auf der Weihnachtsinsel krank sind".

Neben den Übergriffen geißelt der Bericht auch die Haftzentren selbst als für Kinder und Jugendliche unpassende und gefährliche Orte. "Die Flüchtlingsfamilien leben auf der Weihnachtsinsel in Schiffscontainern auf meist 7,5 Quadratmetern", heißt es.

Der Kommission zufolge wurde den Kindern auf der Weihnachtsinsel ein Jahr lang der Schulunterricht vorenthalten. Zudem fehlte es in den Zentren an grundlegenden Unterrichtsmaterialien wie Papier und Büchern.

Ein Minderjähriger hatte den Mitarbeitern an der Studie die unhygienischen Zustände auf Nauru geschildert. So breiteten sich Krankheiten, oft im Zusammenhang mit dem bestialischen Gestank, aus. "Im Lager riecht es nach Kloake. [...] Im Umfeld der Toiletten türmen sich Berge von Toilettenpapier, Pipi und Kacke. Und das Wasser steht einem bis zu den Fußknöcheln."


Spätfolgen

Den Kindern werden zudem erforderliche Kleidungsstücke, Unterwäsche, Schuhe und Bettlaken verweigert. Und diejenigen, die aus dem Lager entlassen werden, leiden noch lange danach unter den Spätfolgen des Lagerlebens. Eltern berichteten, dass die Kinder nach der Entlassung aus den Haftzentren ununterbrochen geweint hätten und von Angstzuständen und mentalen Störungen, Schlaflosigkeit und Alpträumen heimgesucht worden seien.

Die AHRC fordert die Freilassung aller Familien und Kinder aus den Haftzentren in Australien und Nauru und eine Reform des australischen Einwanderungsgesetzes, damit sichergestellt werden kann, dass Familien dort nur ein Mindestmaß an Zeit für die erforderlichen Gesundheits- und Sicherheitschecks zubringen müssen.

Der australische Ministerpräsident Tony Abbott zeigte sich über den Bericht empört. Die AHRC sollte sich "schämen", erklärte er. Die Frage, ob er sich nicht schuldig fühle, beantwortete er mit "keineswegs". (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/02/australia-slammed-over-refugee-children-in-mandatory-detention/

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IPS-Tagesdienst vom 16. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2015

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