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OSTEUROPA/368: Der Gipfel von Vilnius war eine Niederlage für die EU (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 49 vom 6. Dezember 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Der Gipfel von Vilnius war eine Niederlage für die EU
Aber auch Janukowitsch hat sich verrechnet

von Willi Gerns



Der Gipfel der "Östlichen Partnerschaft" in Vilnius ist vorbei. Noch vor wenigen Wochen wurde in Brüssel und Berlin von einem "historischen Gipfel" getönt. Er sollte ursprünglich mindestens vier der sechs Staaten dieser "Partnerschaft" durch Assoziierungsabkommen näher an die EU binden. Das mit Russland und Kasachstan in der Zollunion verbundene Belarus, stand nicht zur Debatte, Aserbaidschan hatte kein Interesse gezeigt, Armenien im Vorfeld abgesagt und bewirbt sich stattdessen um Mitgliedschaft in der Zollunion. Unmittelbar vor dem Gipfel hat dann auch die Ukraine die Reißleine gezogen. Geblieben sind nur Georgien und Moldawien. Nach alledem lässt ich das Adjektiv "historisch" für den Gipfel wohl nur verwenden, indem man von einer "historischen" Niederlage für die EU spricht. Ähnlich sehen das selbst Kommentatoren bürgerlicher Medien. Besonders schmerzt Brüssel und Berlin der zumindest vorläufige Absprung der Ukraine. Handelt es sich doch um die zweitgrößte Republik unter den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Man träumte bereits von der Eroberung des riesigen ukrainischen Marktes durch die Unternehmen der EULänder unter den Bedingungen eines Freihandelsabkommens. Es geht aber keineswegs nur um Profitmaximierung für das EU-Kapital. Nicht minder wichtig ist für Brüssel und Berlin das Ziel, die Ukraine aus den traditionellen Verbindungen mit Russland zu lösen und ihre Einbeziehung in die eurasischen Integrationsprozesse zu verhindern. Stattdessen soll die Ukraine unter die politische Regie der EU gebracht und letztlich auch in die Strategie der weiteren militärischen Einkreisung Russlands einbezogen werden. Schließlich war EU-Mitgliedschaft immer auch mit NATO-Mitgliedschaft verbunden.

Das alles liegt nun zumindest erst einmal auf Eis. Da ist es nicht verwunderlich, dass die EU-Oberen wie geprügelte Hunde heulen. So bläst der Präsident der Europäischen Kommission, Barroso, die Backen auf und poltert mit "hochrotem Gesicht" - wie man liest: "Das ist nicht hinnehmbar. Die Zeiten der eingeschränkten Souveränität in Europa sind vorbei." Da kann man nur sagen, leider nicht. Es genügt das Diktat der Troika aus EU, EZB und Weltbank in Griechenland zu nennen. Und wie war das denn mit der Achtung der Souveränität der Ukraine vor dem Gipfel? Wurde diese nicht in eklatanter Weise verletzt, als die EU zur Bedingung für das Assoziierungsabkommen die Haftentlassung der von einem ukrainischen Gericht verurteilten ehemaligen Ministerpräsidentin Timoschenko verlangte. Das ist nicht nur schlechthin die Missachtung der Souveränität der Ukraine, und dies noch bevor sie sich in die Abhängigkeit von der EU begeben hat, sondern auch die direkte Einmischung in die Justiz eines anderen Landes. Es liegt auf der Hand, die EU hat zu hoch gepokert und verloren. Allerdings hat auch Janukowitsch mit zu hohem Einsatz gespielt und dabei sein Land fast in den wirtschaftlichen Abgrund gestürzt. Bis zur sprichwörtlich letzten Minute hat er versucht, Russland und die EU gegeneinander auszuspielen, um von beiden Seiten zugleich möglichst viel finanzielle Zugeständnisse abzugreifen. Daraus ist nichts geworden. Dennoch möchte er dieses Spiel weiter spielen. Nichts anderes bedeutet das "Aussetzen" des Assoziationsabkommens.

Die EU wird ihm dafür jedoch kaum Zeit lassen. 2015 sind Präsidentenwahlen in der Ukraine. Brüssel, und nicht zuletzt das die EU dominierende Deutschland, dürften weder finanzielle Mittel noch das direkte Eingreifen von deutschen und EU-Politikern in den Wahlkampf zugunsten der Gegner Janukowitschs scheuen, um diesen zu stürzen und damit den Weg für die Bindung des Landes an die EU doch noch frei zu machen. Die gegenwärtigen Protestaktionen der ukrainischen Troika aus Timoschenko-Partei, Klitschko-Partei und den Profaschisten der "Swoboda" machen deutlich: Diese Schlacht hat schon begonnen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 49 vom 6. Dezember 2013, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2013