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OSTEUROPA/282: Die EU erkennt Wahlen in Südossetien nicht an (Tlaxcala)


Tlaxcala - das Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt

Die EU erkennt Wahlen in Südossetien nicht an.
Warum eigentlich, denn eine sachlich-objektive Begründung gibt es dafür nicht?

Von Hans-Jürgen Falkenhagen


Die Europäische Union hat die am Sonntag den 31. Mai 2009 in Südossetien stattgefundenen Wahlen nicht anerkannt und sie als illegitim bezeichnet. Sie betrachtet Südossetien weiter als abtrünnige Region von Georgien und macht dem Volk der Südosseten damit das Recht auf demokratische Selbstbestimmung streitig, ein Recht, das sie andererseits u.a. den Kosovo-Albanern zugestanden hat. Sowohl die Kosovo-Albaner als auch die Osseten haben jeweils eine eigenen nationale Sprache sowie eine eigenständige Kultur und Religion. Die Sprache der Kosovoalbaner ist Albanisch, die Sprache der Osseten und damit auch der Südosseten ist Ossetisch, eine dem Persischen verwandte Sprache.

Kosovo war ein autonomes Gebiet der Republik Serbien im ehemaligen Jugoslawien, das staatsrechtlich schon seit dem Mittelalter als vorwiegend von Serben besiedeltes Gebiet zum Königreich Serbien gehörte und dann nach Beendigung der osmanischen Herrschaft im 19. Jahrhundert wieder an Serbien zurückfiel. Genau genommen siedelten sich Albaner dort in größerer Zahl erst seit der Annektierung dieses Gebietes durch das osmanische Reich an. Aber noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts waren die Serben bevölkerungsmäßig im Kosovo in der Überzahl.

Südossetien war so wie Nordossetien Teil des russischen Zarenreiches. Nach der Sozialistischen Oktoberevolution 1917 kam Südossetien innerhalb der 1922 gebildeten Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) als autonomes Gebiet zur Sozialistischen Sowjetrepublik Georgien (Grusinien), die nach dem Zerfall der Sowjetunion ein selbständiger Staat wurde. Den autonomen Status behielt Südossetien während der gesamten Sowjetzeit. Es war kulturell und auch wirtschaftlich immer wesentlich mehr mit Nordossetien liiert als mit den Georgiern. Südossetien wurde immer überwiegend von Osseten bewohnt, auch während seiner formalen Zugehörigkeit zur Sozialistischen Sowjetrepublik Georgien. Südossetien erhielt bei der Auflösung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken als autonomes Gebiet wie alle autonomen Republiken und Gebiete des Sowjetstaates ebenso wie Abchasien das Recht auf nationale Selbständigkeit, von dem es 1991 Gebrauch machte. Das wird im Westen bei der Debatte über die Frage, wer gehört zu wem, oft vergessen. Vergessen wird auch, dass das Volk der Südosseten schon in den 90er Jahre in Referenden klar seinen Willen bekundete, unabhängig und frei von Georgien zu sein. Schon Anfang der 90er Jahre scheiterten Versuche der georgischen Führung in Tiflis, das Gebiet mit Gewalt zu annektieren. Seitdem bestehen international gültige Abkommen mit der georgischen Regierung auf Gewaltverzicht.

Bekanntlich versuchte der jetzige Präsident von Georgien Saakaschwili im August 2008 unter Bruch dieser Abkommen auf Gewaltverzicht durch einen Blitzangriff Südossetien zu annektieren. Der Angriff wurde von südossetischen Truppen mit Hilfe russischer Truppen, die rasch zur Hilfe eilen konnten, abgewehrt. Die Russische Armee führte ein mächtige Gegenoffensive durch, bei der die völlig demoralisierten georgischen Truppen praktisch nicht nur geschlagen wurden, sonders regelrecht auseinander stoben und sich als Militärverbände weitgehend auflösten, weil sie keine Lust verspürten, für den dem georgischen Volk von Washington aufoktroyierten korrupten Präsidenten Saakaschwili zu kämpfen. Nach dem Sieg und dem Waffenstillstand, bei dem Russland viele, auch unnötig-großzügige Konzessionen machte, wurden Südossetien und Abchasien von Russland als selbständige souveräne Staaten anerkannt. Bei der staatlichen Anerkennung folgten ihm Nicaragua und dann weitere Staaten. Doch die EU, natürlich auch die USA halten offensichtlich daran fest, dass Südossetien integraler Bestandteil Georgiens zu sein hat und das auch nur deswegen, weil Saakaschwili ein unterwürfiger Diener des Westens ist. Mit völkerrechtlichen Prinzipien hat das nichts zu tun, denn der Westen unterstützt überall in der Welt, wenn es ihm opportun erscheint, separatistische Bewegungen, auch dann, wenn sie völkerrechtlich und historisch-kulturell nicht gerechtfertigt sind.


Die freien und demokratischen Wahlen in Südossetien am 31. Mai 2009 erfüllten in der Tat alle Kriterien eines parlamentarischen Demokratie.

Sie waren absolut fair und transparent und entsprachen internationalen Standards. Die Wahlbeteilung lag bei 82 %, eine Wahlbeteiligung, die in ihrer Höhe in den westlichen Demokratien in der Regel schon lange der Vergangenheit angehört. Die Partei der Einheit von Präsident Eduard Kokoity erlangte nach dem vorläufigen amtlichen Wahlergebnis vom Montag 46,36 % der abgegebenen Wählerstimmen und 17 der insgesamt 34 Sitze im Parlament in der Hauptstadt Zchinwali. Zweitstärkste Partei wurde die Kommunistische Partei mit 25,22 % der Wählerstimmen. Die Volkspartei erlangte als drittstärkste politische Kraft 22,53 % der Wählerstimmen. Nicht ins Parlament konnte die Sozialistische Partei Vaterland einziehen. Sie scheiterte an der 7 %-Hürde.

Die Wahl zeugt von der hohen politischen Kultur der südossetischen Wählerschaft. Die internationalen Wahlbeobachter konstatierten einen korrekten Ablauf der Wahl. Ernsthafte Verletzungen der demokratischen Regeln und internationalen Standards konnten sie nicht feststellen und melden. Dennoch erklärte die EU und andere westliche Staaten die Wahl für illegitim. Brüssel hat zwar die uralte serbische Provinz Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt, aber mit Vertretern Südossetiens will sie nicht einmal sprechen. Man unternahm alles, um das Prozedere des Urnengangs und sein Ergebnis in Frage zu stellen. Man ist in westlichen Kreisen weiter bemüht, Südossetien wie auch Abchasien zu delegitimieren. Die Speerspitze zielt dabei eindeutig auf Russland und seine Verbündeten, die der Westen weiter sturköpfig als Feindesland betrachtet. Es gab während der Wahlen am Sonntag zwei Versuche von Terroranschlägen, die vereitelt werden konnten. Erste Untersuchungen ergaben, dass sie offensichtlich von Tiflis und westlichen Staaten aus organisiert waren, um den Wahlablauf zu stören. Es erhebt sich hier die Frage, wer die Demokratie eigentlich achtet. Die EU-Oberen, so zeigt sich wieder, gewiss nicht!

Quelle: www.rg.ru/2009/06/02/parlament.html



Quelle: der Autor
Originalartikel veröffentlicht am 3.6.2009

Über den Autor

Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen ist ein assoziierter Autor von Tlaxcala, dem Übersetzernetzwerk für sprachliche Vielfalt. Dieser Artikel kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor als auch die Quelle genannt werden.

Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen wurde 1932 in Köln geboren und lebte ab 1936 in Radebeul bei Dresden. 1943 trat er in ein Gymnasium ein. Im Februar 1945 erlebte er die drei aufeinander folgenden Bombenangriffe auf Dresden.
Nach dem Abitur 1951 in Rostock studierte er Ökonomie und slawische Sprachen und war seit 1957 bis 1995 im öffentlichen Dienst tätig, insbesondere als Übersetzer, Dokumentalist und Länderbearbeiter. Er arbeitete in Auslandsinformationsabteilungen von Ministerien der ehemaligen DDR, zuletzt im Ministerium der Finanzen und für die Staatsbank der DDR. Seine Arbeitssprachen sind auch Englisch, Französisch und Rumänisch. Übersetzt hat er aus 12 Fremdsprachen, davon 9 slawische Sprachen. Er hat auch als Buchübersetzer für Verlage und als Journalist für Wirtschaftszeitungen gearbeitet. Seine Promotion erfolgte in diesem Rahmen.
Von 1990 bis 1995 war er Referent in einem Referat für ausländische Finanzen und Steuern des Bundesministeriums für Finanzen und dabei zuständig für sog. postkommunistische Staaten.
Nach Eintritt in das Rentenalter 1997 suchte er sich neue Interessengebiete und arbeitete als Sprachmittler und Journalist weiter für Zeitungen, Fachzeitschriften für Osteuropa und für Steuerrecht und ist Mitbetreiber der Homepage Goethe-Stübchen. Seit den 70er Jahren bekennt er sich zum Islam.
Dr. Falkenhagen ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2009