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OSTEUROPA/270: Georgien - Jetzt wird es eng (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 27. Februar 2009

Jetzt wird es eng

Georgische Opposition will Präsident Saakaschwili stürzen.
Ultimatum bis 9. April gesetzt

Von Knut Mellenthin


Es wird eng für Michail Saakaschwili. Immer mehr Mitstreiter wenden sich vom georgischen Präsidenten ab und verstärken die Reihen der Opposition. Die politisch gewichtigsten sind die ehemalige Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse, Saakaschwilis engste Verbündete in der »Rosenrevolution« vom November 2003, und der frühere Botschafter bei der UNO in New York, Irakli Alasania. Salome Surabischwili, Außenministerin in den Jahren 2004-2005, hat eine eigene Oppositionspartei gegründet (Georgiens Weg), während der Unternehmer und Finanzfachmann Surab Nogaideli, Regierungschef von Februar 2005 bis November 2007, noch schwankt, wie weit er sich mit seiner Bewegung für ein gerechtes Georgien gegen Saakaschwili positionieren soll. Burdschanadse und Alasania gelten als Favoriten der USA, falls Washington sich entschließen sollte, Saakaschwili fallenzulassen, dessen Kriegsabenteuer gegen Südossetien dort nicht auf ungeteilte Begeisterung stieß.


Zum Rücktritt aufgefordert

Am 29. Januar unterzeichneten zwölf Oppositionsparteien eine gemeinsame Erklärung, in der sie Saakaschwili zum Rücktritt aufforderten. Zugleich verlangten sie Neuwahlen des Präsidenten und des Parlaments. »Es ist die patriotische Pflicht jedes georgischen Bürgers, sein Bestes zu tun, um mit verfassungsmäßigen Mitteln in kürzestmöglicher Zeit die Regierung auszuwechseln«, hieß es in der Stellungnahme. Konkrete Schritte zur Durchsetzung dieses Ziels wurden nicht genannt. Nicht unter den Unterzeichnern waren die Arbeitspartei - die sich aus Sektierertum fast nie an gemeinsamen Aktivitäten beteiligt -, Nogaideli - der die Forderung nach Neuwahlen für nicht aktuell hält -, sowie Alasania, der Neuwahlen mit Hilfe eines Referendums erreichen will.

Inzwischen hat sich, ganz in der georgischen Tradition seit Erreichen der staatlichen Unabhängigkeit 1991, die Einheit der Opposition auch schon wieder aufgelöst. Die Neuen Rechten und die Republikaner haben sich zusammengeschlossen und der Führung Alasanias - der keiner der beiden Parteien angehört - unterstellt. Die neue Formation nennt sich Bündnis für Georgien. Sie hat Saakaschwili am 23. Februar aufgefordert, innerhalb von zehn Tagen eine Volksabstimmung über Neuwahlen anzusetzen. Was geschehen soll, wenn der Präsident dem Verlangen nicht nachkommt, wurde bisher nicht erklärt.

Vier andere Parteien aus den Reihen der Unterzeichner des Papiers vom 29. Januar haben inzwischen angekündigt, am 9. April mit permanenten Straßenprotesten zu beginnen, falls Saakaschwili bis dahin nicht zurückgetreten ist. Es handelt sich um die Konservativen, die Partei Georgiens Weg von Exaußenministerin Surabischwili, die Volkspartei und die Demokratische Bewegung - Vereintes Georgien von Burdschanadse. Die ehemalige Parlamentspräsidentin, die im November 2007 noch die polizeiliche Niederschlagung der damaligen regierungsfeindlichen Demonstrationen und die Verhängung des Ausnahmezustands unterstützt hatte, gibt sich jetzt kämpferisch: »Anderenfalls - wenn Saakaschwili bis zum 9. April nicht zurücktritt - werden wir davon ausgehen, daß alle Mittel erschöpft sind und daß der einzige verbliebene Weg zur Erreichung unseres Ziels darin besteht, Protestkundgebungen zu organisieren, die so lange dauern sollten, bis der Präsident zum Rücktritt gezwungen ist.«


Proteste angekündigt

Noch etwas drastischer formulierte es der Führer der Konservativen, Zwiad Dsidsiguri: »Wir beabsichtigen, auf der Rustaweli Avenue - der Hauptstraße von Tbilissi, an der das Parlament liegt - zu leben, bis Saakaschwili zurücktritt. Auch in anderen Städten werden Protestkundgebungen organisiert.«

Die Durchführung eines Referendums lehnen die vier Parteien ab: Offenbar in der Furcht, daß Saakaschwili, der weitgehend die Medien Georgiens kontrolliert, dieses für sich entscheiden könnte. Aus demselben Grund sind sie gegen Neuwahlen. Wie lange sie andererseits die von ihnen angekündigte direkte Konfrontation auf der Straße durchstehen könnten, ist ungewiß.


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Quelle:
junge Welt vom 27.02.2009
mit freundlicher Genehmigung des Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2009