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NAHOST/961: Israel - Nach UN-Schelte Feuerregen oder Siedlungsbau, Palästinenser die Leidtragenden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Dezember 2012

ISRAEL: Nach UN-Schelte Feuerregen oder Siedlungsbau - Palästinenser die Leidtragenden

von Thalif Deen


Die Ruine des durch einen israelischen Luftangriff zerstörten Abu-Khadra-Zivilverwaltungsgebäudes in Gaza-Stadt - Bild: © MohammedOmer/IPS

Die Ruine des durch einen israelischen Luftangriff zerstörten Abu-Khadra-Zivilverwaltungsgebäudes in Gaza-Stadt
Bild: © Mohammed Omer/IPS

New York, 7. Dezember (IPS) - Immer wenn der UN-Sicherheitsrat oder die Vollversammlung Kritik an Israel üben, ist die Reaktion des jüdischen Staates programmiert. Entweder holt er zu einem Militärschlag gegen die Palästinenser aus oder er kündigt den Bau neuer Siedlungen in den besetzten Gebieten an.

Als sich Israel kürzlich für die erste Option entschied, kam es im Gazastreifen zu massiven Zerstörungen. Als dann die 193 Mitglieder zählende UN-Vollversammlung mit überwältigender Mehrheit der Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat zustimmte, gab das Land den Bau weiterer 3.000 Siedlungen bekannt.

Israel entschloss sich zu der von USA, Europäischer Union und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gleichermaßen kritisierten Vergeltungsmaßnahme, obwohl es zuvor das Votum der Vollversammlung als "unbedeutend" abqualifiziert hatte, wie es in einem Leitartikel der 'New York Times' hieß. Insgesamt stimmten 138 Länder für und neun gegen die UN-Resolution. 41 Staaten einschließlich Deutschland enthielten sich der Stimme.

Stephen Zunes, Politikwissenschaftler und Vorsitzender der Fakultät für Nahoststudien der Universität von San Francisco, erklärte gegenüber IPS: "Ja, es gibt die Tradition, dass Israel die Palästinenser abstraft, wenn ein UN-Votum nicht wie gewünscht ausfällt."


"Einen schlechten Tag bei den Vereinten Nationen gehabt"

Unabhängig von der Angemessenheit der UN-Aktionen, seien es immer die normalen Palästinenser, die die Folgen auszubaden hätten, sagte Zunes und erinnerte an einen Cartoon in einem US-Nachrichtenmagazin aus den 1970er Jahren, der eine Palästinenserfamilie dicht gedrängt unter einem Zeltdach zeigt, während israelische Phantomjets ein Flüchtlingslager mit Raketen beschießen. In einer der der palästinensischen Familie zugeordneten Sprechblase heißt es: "Sieht ganz danach aus, als habe Israel einen schlechten Tag bei den Vereinten Nationen gehabt."

Die USA und Israel, die vergeblich versucht hatten, die Palästinenserresolution zu verhindern, fanden sich in Gesellschaft der vier Pazifikstaaten Marshall-Inseln, Mikroniesen, Nauru, und Palau sowie von Panama, Kanada and Tschechien wieder.

In mindestens fünf anderen Resolutionen, die im letzten Monat von zwei UN-Ausschüssen angenommen worden waren, konnten sich die USA und Israel lediglich die Unterstützung Kanadas und der vier innerhalb der Vereinten Nationen politisch unbedeutenden pazifischen Inselstaaten sichern. Auf den Marshallinseln, auf Mikronesien, Nauru und Palau leben insgesamt gerade einmal 191.400 Menschen, während die 138 UN-Länder sechs Milliarden der sieben Milliarden Erdenbürger aufzubieten haben.

Die fünf Resolutionen gegen Israel werfen ein Schlaglicht auf die fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen internationales Recht in den besetzten Palästinensergebieten. Sie bestätigen die in den Genfer Konventionen festgeschriebenen Rechte von Zivilisten in Kriegszeiten und das Recht aller von den Kampfhandlungen im Juni 1967 vertriebenen Palästinensern auf eine Rückkehr in die besetzten Gebiete.

Wie Mouin Rabbani, Redakteur beim 'Middle East Report' in Washington und leitender Wissenschafter am 'Institute of Palestine Studies', gegenüber IPS erklärte, stand der Ausgang des Votums der UN-Vollversammlung von vornherein fest. "Diejenigen, die offen gegen das Votum waren, kann man an allen Fingern einer amputierten Hand abzählen: Israel, die USA, die pro-israelischer sind als Israel selbst, Kanada, das pro-israelischer ist als die USA und die Pazifikinseln, die für ihre Bemühungen mit weiteren nordamerikanischen CO2-Emissionen und einem damit einhergehenden Anstieg der Meeresanstiegs belohnt werden."


Zunehmende Rückendeckung für Palästina

Die eigentliche Frage sei jedoch, ob sich der Beistand der UN für die Palästinenser auszahlen und weniger Widerstand verursachen werde als die Palästinensische Unabhängigkeitserklärung von 1988. Es gebe bereits viel versprechende Anzeichen, die dies nahelegten.

So führe Frankreich eine eindrucksvolle Gruppe europäischer Mitgliedstaaten an, die für die Resolutionen gestimmt hätten, sagte der Experte. Deutschland wiederum habe sich der Stimme enthalten und "damit offenbar seine Quertreiberrolle innerhalb der EU aufgegeben". Und auch Australien habe sich der Stimme enthalten. Für bemerkenswert hält Rabbani die britische Position. Obwohl die Briten ihre Unterstützung für Palästina an konkrete Bedingungen geknüpft hätten, die nicht eingehalten worden seien, hätten sie sich der Stimme enthalten und nicht gegen die palästinensische Resolution gestimmt.

Im US-Kongress wurden bereits Drohungen laut, die US-Gelder für diejenigen UN-Organisationen zu kürzen, die Palästina als Mitglied anerkennen, so wie dies bereits im letzten Jahr geschehen ist, als die Weltkulturorganisation UNESCO für die palästinensische Mitgliedschaft votiert hatte.

Auf die Frage nach den Folgen eines palästinensischen Beitritts zum Internationalen Strafgerichtshof (ICC) meinte Jose Luis Diaz, Vertreter von Amnesty International bei den Vereinten Nationen, dass es in dieser Hinsicht keine Probleme geben würde, da die USA kein Vertragsstaat der Römischen Statuten seien und nicht wirklich einen finanziellen Beitrag zum ICC leisteten.

Die USA und andere könnten gewillt sein, den Palästinensern und vielleicht dem ICC einen politischen Preis abzuverlangen. Ein solcher Schritt wäre aber gleichzeitig mit hohen Kosten verbunden. "Man sollte annehmen, dass eine Mitwirkung an der Demontage der internationalen Gerichtsbarkeit mit dem Ziel, mögliche israelische und einzelne palästinensische Kriegsverbrecher zu schützen, ein viel zu hoher Preis sein dürfte."


Wahl zwischen Straflosigkeit Israels und ICC

Rabbani zufolge bleibt abzuwarten, was als Nächstes geschieht. Jeder, der sich mit der Haltung der westlichen Regierungen auskenne, wisse, dass für sie nicht die Vereinten Nationen oder die UN-Vollversammlung relevant seien, sondern der ICC relevant, sagte er. "Sie wollen sich nicht dazu gezwungen sehen, sich zwischen der Straflosigkeit Israels und der Unterstützung für den ICC entscheiden zu müssen."

Das werde nur funktionieren, solange der ICC ausschließlich Afrikaner strafrechtlich verfolge, meint Rabbani, ein Berater des palästinensischen Netzwerks 'Al-Shabaka'. Doch den westlichen Staaten sei klar, dass es diesbezüglich einen Wandel geben werde. Sie sollten dazu gezwungen werden, eine solche Wahl zu treffen. "Wir brauchen ein richtiges Gericht. Und die Bereitschaft, israelische Kriegsverbrechen strafrechtlich zu verfolgen, ist für viele in dieser Hinsicht ein Lackmustest." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://al-shabaka.org/
http://www.ipsnews.net/2012/12/israel-rains-fire-when-u-n-votes-against-it/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2012