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NAHOST/924: Gewerkschaftsbewegung in Ägypten - ein Jahr nach der Revolution (spw)


spw - Ausgabe 2/2012 - Heft 189
Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft

Gewerkschaftsbewegung in Ägypten - ein Jahr nach der Revolution

Von Peter Senft



Der "Arabische Frühling" ist das politische Wort des Jahres 2011. Mit Paukenschlägen in Ägypten und Tunesien begann diese politische Jahreszeit. Mitte 2010 schlugen Ägyptische Sicherheitskräfte den Internetaktivisten Khaled Mohamed Said auf offener Straße tot, in Tunesien setzte der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi durch Selbstverbrennung seinem Leben ein Ende. Fanale, die jeweils das Ende von Verzweiflung markierten, aber die auf gesellschaftliche Entwicklungen aufmerksam machten, die zumindest in Europa kaum Beachtung fanden. Sie lösten einen Flächenbrand aus, der bis heute anhält. Es ist nicht klar, wie die Entwicklung in Nordafrika und im Nahen Osten weitergeht. Das einzige, was sicher ist, es gibt keinen Weg zurück, weder in Ägypten noch in Tunesien oder in anderen Brennpunkten der Region. Die beiden Paukenschläge waren Meilensteine auf dem Weg zu Demokratie und Gerechtigkeit gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Dieser Weg wird noch lang und steinig sein, selbst an den Rändern dieses Weges sind die Dornen täglich zu spüren.


Der Weg zum Tahrir

Für viele Menschen außerhalb Nordafrikas und des Nahen Ostens kam der "Arabische Frühling" überraschend. Brennpunkte wurden woanders erwartet, in Zentralasien, in Südostasien, Lateinamerika, der Sahelzone oder in Zentralafrika. Revolutionen in Ägypten nach dem Zweiten Weltkrieg verliefen unblutig, wie die Revolution der "Freien Offiziere" unter Nasser 1952. Es gab interne Unruhen wegen der Brotpreise 1977, es gab Kriege mit Nachbarstaaten, aber Revolutionen wie in anderen Staaten Nordafrikas, u.a. Algerien und Tunesien, waren in Ägypten unbekannt.

Bekannt waren politische Auseinandersetzungen wegen des Suezkanals, der als Kristallisationspunkt der Kolonialpolitik in Ägypten seit seinem Bau steht. Die wegen der geopolitischen Bedeutung des Kanals interessierten Mächte wie USA, Großbritannien und Frankreich verbanden diese Interessen gleichzeitig mit Marktöffnung für ihre Produkte. Von einer eigenständigen sich tragenden Wirtschaft Ägyptens ist seit der Errichtung des Kanals und damit der neueren Geschichte nichts bekannt.

Dieser Ausflug in die Geschichte ist deshalb wichtig, weil es die Erklärung dafür ist, dass Ägypten keine Industrienation ist. Handel, Handwerk, Klein- und Mittelbetriebe und auch die bis heute aktiven Industriebetriebe stehen für die Selbstversorgung des ägyptischen Marktes und nicht für eine exportorientierte Wirtschaft mit einer beschäftigungsintensiven Industrie. Das Rückgrat der ägyptischen Wirtschaft sind die erwähnten Betriebe und in erheblichem Maße die Landwirtschaft. Hinzu kommen Erdöl und Erdgas, das auch exportiert wird, und der Tourismus. Wertschöpfende Produktion ist marginal.

Nur knapp vier Prozent des ägyptischen Bodens sind landwirtschaftlich nutzbar um die 82 Millionen Ägypter zu versorgen. In 2011 waren 25 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig und erwirtschafteten 5 Prozent des BIP. Von den 22 Millionen Einwohnern Kairos auf der Fläche von Westberlin leben 60 Prozent von weniger als zwei US-Dollar am Tag. Außerhalb Kairos und den wenigen Großstädten wie Alexandria sieht es ähnlich aus. Landwirtschaft und Substitutionswirtschaft sind neben dem Tourismus die Säulen der ägyptischen Wirtschaft.

In Ägypten gibt es keine Arbeiterbewegung nach europäischem Vorbild. Es gibt aber eine Arbeiterbewegung mit einer langen Geschichte, auf die Ägypten stolz sein kann. Diese Bewegung ist - nach europäischen Maßstäben - zersplittert, lokal und betrieblich orientiert und wenig vernetzt.[1]

Seit 2004 können Aktionen und gewerkschaftlicher Widerstand bis zur Revolution vom 25. Januar 2011 als Lichterkette auf dem Weg zum Tahrir, dem politischen Kristallisationspunkt des "Ägyptischen Frühlings", ausgemacht werden. In vielen Einzelaktionen haben Arbeiteraktivisten die lokalen Initiativen getragen und zusammen mit den Jugendaktivisten, den Bloggern und Künstlern letztendlich zum Erfolg geführt. Das Internet spielte eine wichtige Rolle, aber erst die Arbeiter, die meistens keinen Zugang zum Internet hatten und bis heute nicht haben, haben auf dem Weg zum Tahrir am 25. Januar 2011 aus den ersten Funken der Blogger das politische Feuer für eine Massenbewegung gemacht. Liberale, Bürgerliche waren beteiligt, aber eben nicht als Träger dieser Massenbewegung.


Gewerkschaftsarbeit vor der Revolution

Über Jahrzehnte ist es den Nachfolgern von Staatspräsident Nasser gelungen, aus der sich an Jugoslawien orientierenden Gewerkschaftsbewegung eine gleichgeschaltete, parteitreue Unterstützungsorganisation für den Machtapparat zu bauen. Begünstigt wurde diese Entwicklung, weil nach der Revolution von 1952 und der Abschaffung der Monarchie und des Ständestaates Nasser und die "Freien Offiziere" einen Staatskorporatismus aufbauten, in dem der Widerspruch von Arbeit und Kapital keinen Platz hatte.

Die ETUF (Egyptian Federation of Trade Unions) hatte mit demokratischer Gewerkschaftsarbeit nichts gemein. Die Führung wurde von der Nationaldemokratischen Partei (NDP) mit Gefolgsleuten der jeweiligen Regime besetzt, es ging um Kantinenessen, Ausstattung von Sozialräumen, Verteilung von Almosen, Zuteilung von Arbeitsplätzen und vor allem um Ruhigstellung von Kritikern. ETUF war hauptsächlich im Öffentlichen Dienst - noch heute sind 27 Prozent der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst tätig - und in Staatsbetrieben organisiert. In letzteren wurden über Lizenzen Produktionsvolumina festgelegt, an Mitglieder der Oligarchenfamilien vergeben und auf diese Weise gelenkte Staatswirtschaft betrieben. In Privatbetrieben organisierte ETUF nicht und außer ETUF durfte keine andere Organisation Mitgliedsbeiträge erheben. Mitgliedsbeiträge wurden in den von ETUF "organisierten" Betrieben automatisch vom Einkommen abgezogen, Widerspruch war nicht möglich. Diese Rechtsnorm besteht wegen des politischen Vakuums in Ägypten zwischen Parlamentswahl und Präsidentenwahl bis heute fort.

Aus den vielen kleinen Arbeitsniederlegungen, Ungehorsam am Arbeitsplatz, Versammlungen vor dem Werkstor bildeten sich die Kerne von Betriebsgewerkschaften, ohne dass es zunächst zu überbetrieblichen Aktionen kam. Die betrieblichen Angelegenheiten wurden im Betrieb geregelt - oder nicht geregelt. Aktionen, die darüber hinausgingen, waren dann schon gleich politische Versammlungen, die letztendlich die Roadmap zum Tahrir waren.

Bei dieser Betrachtung darf man nicht vergessen, dass die Interessen der Arbeiter und die Interessen der kleinen Händler, der Bauern, der Tagelöhner, der selbständigen Handwerker gleich waren und es bis heute sind. Die Losung für die Gründung von Gewerkschaften und die Losung der Revolution waren ein und dieselbe: "Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit".

Anwar Al Sadat und Hosni Mubarak haben es beide geschafft, dass sich die Gesellschaft soziologisch in eine kleine, unermesslich reiche Oberschicht, eine Oligarchie, eine ebenso kleine wie gut ausgebildete Bürgerschicht und in eine fast 80 Prozent ausmachende Gesellschaftsschicht, mit wenig gebildeten, mäßig wirtschaftlich gesicherten bis hin zu bettelarmen Bürgern, teilt. In dieser soziologischen Ausgangslage und einem von der Zahl her nicht bedeutenden Industriearbeiterschicht wäre und ist es in jedem anderen Land schwer, Gewerkschaften nach europäischem Standard zu gründen.

Umso mehr muss man Respekt zollen, dass es bei dieser Ausgangslage möglich war, gegen staatlichen, administrativen Widerstand, brutale Militär- und Polizeigewalt und erbitterte wirtschaftliche Macht einzelne "Gewerkschaftsinseln" zu gründen. Zwischen 2004 und 2011 hat die Arbeiterbewegung in Ägypten mehrere Entwicklungsschritte durchgemacht, die in anderen Regionen der Welt Jahrzehnte gebraucht haben.

Das Center for Trade Union and Workers Services (CTUWS), eine NGO die 2006 gegründet wurde, war in diesem Organisationsprozess eine wichtige Einrichtung, um mit Rat und Tat tausende Einzelkämpfer zu unterstützen. Gegründet von einem gemaßregelten Metallarbeiter, Kamal Abbas, der theoretisch und eloquent die großen Linien für eine Gründung von demokratischen Gewerkschaften im Auge hatte, hat diese NGO der "grassroot-activists" bis heute großen Einfluss. Sie war und ist die Organisation, die die politische Botschaft, dass es eine Gewerkschaftsopposition in Ägypten unter Mubarak gab, ins Arabische Ausland und nach Europa getragen hat. Das Center, weiter unter Führung von Abbas, ist bis heute der wichtigste Think Tank der Gewerkschaftsbewegung in Ägypten.


25. Januar 2011

Wenig geplant, aber unbewusst immer im Ziel angestrebt, kam nach Wochen bitterer, blutiger Auseinandersetzungen auf der Straße der Tag der Revolution, der 25. Januar 2011.

Wochen und Tage vor diesem Tag legten Arbeiter die Arbeit nieder und gingen auf die Straße, auch die Arbeiter in den Betrieben des Militärs. Es halfen keine Drohungen mehr, die Angst war weg und damit ein Zeichen gesetzt. Wahrscheinlich waren diese Tage der Entscheidung die Höhepunkte der gewerkschaftlichen Aktivitäten. Keine Bloggs, keine Internetaufrufe konnten letztendlich diesen Druck ausüben. Jeder Blogger, jeder Netzaktivist weiß, dass er erst dann Wirkung entfaltet, wenn wirtschaftliche Macht angegriffen wird, in der Werbung oder beim Hacken von Unternehmensdateien. Am 25. Januar 2011 kam es zu einer Kulmination aus Netzaktivisten und Arbeitern. Nach diesem Tag, der zum Rücktritt von Mubarak führte, gab es diese politische Symbiose nicht mehr.

Der 25. Januar 2011 führte zu Parlamentswahlen mit der Wahl von zwei Kammern des Parlaments, zur Verfassungsgebenden Versammlung, und in wenigen Wochen zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten. Ägypten ist ein anderes Land geworden, aber eben ein Land, in dem die soziologischen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Grenzen weiter bestehen und tagtäglich spürbar sind. Nur eines hat sich geändert: Man diskutiert angstfrei über diese Grenzen und die notwendigen Formen der Überwindung. Das alte Regime ist noch nicht überwunden. Wie ein angeschossenes Wildtier verharren die alten Kräfte, kommen von Zeit zu Zeit ans Tageslicht, hoffen auf eine Phase der Restauration. Sowie im demokratischen Aufbauprozess Schwächen auftauchen sollten, werden diese Kräfte skrupellos zupacken. Der Tahrirplatz als Kristallisationspunkt des Aufbruchs hat noch nicht ausgedient.


Gründung von demokratischen Gewerkschaften

Am 29. Januar 2012, ein Jahr und vier Tage nach der Revolution, gründete sich der demokratische Gewerkschaftsdachverband Egyptian Federation of Independent Trade Unions (EFITU). Aus 170 Betriebsgewerkschaften kamen in einem Industrievorort in Kairo 150 Delegierte zusammen, die in den Betrieben demokratisch gewählt wurden. In dem 21-köpfigen Vorstand sind 17 Branchen vertreten. In einem beispiellosen Kraftakt wurden über Wochen in Betrieben und Verwaltungen Vorschläge für Resolutionen und Kandidatenvorschläge diskutiert. Die Beratungen der Resolutionen fanden auf einem Niveau statt, das jedem Gewerkschaftstag in Deutschland zur Ehre gereichen würde. Mit einer schlichten, knappen Geschäftsordnung wurde der Gewerkschaftstag geführt. Geführt wird EFITU seit diesem Gewerkschaftstag nun auch offiziell und nicht mehr vorläufig vom Präsidenten Kamal Abu Eita, der als Vorsitzender der Gewerkschaft der Grundsteuerbeamten, den Gründungsprozess der demokratischen Gewerkschaften maßgeblich beeinflusst hat.

EFITU ist Mitglied des IGB/ITUC. Inzwischen haben sich weitere 50 Betriebsgewerkschaften EFITU angeschlossen. Der Konsolidierungsprozess läuft und aus revolutionären Aktivisten werden Gewerkschaftsfunktionäre, die mit Alltagsproblemen kämpfen müssen: Tarifverträge werden nicht eingehalten, Kollegen werden grundlos entlassen, Arbeitsbedingungen und vor allem Arbeitssicherheit werden missachtet.

Der Spagat zwischen zeitraubender Gewerkschaftsarbeit und politischer Aktivität bei Aktionen auf der Straße, auf dem Tahrirplatz in der Mitte Kairos und den Plätzen in anderen Städten der 29 Provinzen, endet damit, dass Gewerkschafter in den Betrieben aktiv sind und nicht mehr bei öffentlichen Diskussionen oder Talk-Shows, die es sowohl im Fernsehen wie im Radio gibt, auftreten.

In der Person des Vorsitzenden Kamal Abu Eita werden zwei Linien deutlich. Einmal hat diese charismatische Persönlichkeit einen hohen persönlichen Anteil im Kampf für demokratische Gewerkschaften vor der Revolution und im Jahr nach der Revolution. Inzwischen ist er - für die Karama-Partei - Mitglied in der Volksversammlung, dem Nationalparlament. Er ist in diesem Parlament der einzige gewählte Gewerkschaftsvertreter. Daran wird deutlich, dass ähnlich wie die Jugendlichen vom Tahrirplatz auch Gewerkschafter im neuen Parlament nicht im Geringsten angemessen vertreten sind. Zur enormen persönlichen Belastung kommt die objektive Ausgrenzung durch politische Kräfte, die die Revolution nun für sich beanspruchen, bürgerliche Kräfte, die noch keinen Betrieb von innen gesehen haben.

Da die CTUWS nicht als Think Tank in die zweite Reihe nach der Revolution gehen wollte und sich von EFITU distanziert hat, wurde von ihr ein weiterer Gewerkschaftsdachverband gegründet, der Egyptian Democratic Labour Congress (EDLC), der vornehmlich im privaten Sektor bei den mittleren und kleinen Betrieben und in der Metall- und Textilindustrie organisiert ist. Dies ist eine bedauerliche Entwicklung. Der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) arbeitet gegenwärtig daran, die Differenzen auszuräumen und auf ein Zusammengehen hinzuwirken.


Deutsche Betriebe in Ägypten und Intervention von Deutschland

Viele deutsche Betriebe sind in Ägypten mit Niederlassungen vertreten. BMW und Mercedes Benz haben CKD-Produktionsstätten, in denen ausschließlich für den ägyptischen Markt Modelle zusammengebaut werden. BMW gehört einem Unternehmerkonsortium aus Quatar, Mercedes Benz hat einen Anteil von 26 Prozent an dem mehrheitlich ägyptischen Unternehmen. RWE ist ebenso im Geschäft wie SIEMENS, die 110 Jahre im Land sind. LEONI hat eine Kabelproduktion und ThyssenKrupp ist ebenfalls mit Produktion und Service im Land.

In der Deutsch-Arabischen-Industrie- und Handelskammer mit Sitz in Kairo sind 80 deutsche Unternehmen Mitglied. Ägypten ist nach Südafrika das zweitgrößte Industrieland des Kontinents, jedoch ist das BIP Ägyptens erheblich kleiner als das einiger deutscher Bundesländer. Trotz wirtschaftlicher Krise und Unsicherheit durch die Revolution hat aber im Gegensatz zu Firmen aus USA, Kanada, Großbritannien und Spanien kein deutsches Unternehmen Ägypten während der Revolution verlassen. Die Prognose deutscher Unternehmen für Nordafrika sieht so aus, dass bei Investitionen in die Region das bevölkerungsreichste Land, Ägypten, große Priorität besitzt.

Die Ausgangslage für deutsche Unternehmen ist trotz der negativen Wirtschaftsprognosen der Weltbank positiv. Unter diesem Gesichtspunkt kommt den deutschen Gewerkschaften für die Stützung ägyptischer Gewerkschaften eine wichtige Rolle zu.

Mit dem Druck deutscher Betriebsräte gegenüber dem Management in Deutschland sollte es möglich sein, auf das Management der Niederlassungen in Ägypten einzuwirken, demokratischen Gewerkschaften in den Betrieben in Ägypten den Start zu ermöglichen. Das ist deswegen dringend geboten, weil deutsche Niederlassungen in Ägypten mit dem deutschen Konsensmodell, Betriebsverfassung und Mitbestimmung, vorangehen müssen. Die ägyptische Wirtschaft wird dies nie ohne Druck zulassen. Die in Deutschland praktizierte Dualität zwischen gegenseitigem Respekt und hartem Interessenausgleich muss hier erst eingeübt werden. Nur über diesen Weg wird es möglich sein, die vielen spontanen Arbeitsniederlegungen in eine konkrete Tarifpolitik umzuwandeln und so zur Stabilität beizutragen. Bei BMW und Mercedes gibt es Ansätze für eine Arbeitnehmervertretung, der Weg zu Betriebsräten und Gewerkschaften ist aber auch hier noch weit.

Bevor die große internationale Solidarität beschworen wird, sollten Gewerkschaften sich darauf konzentrieren, mit ihren eigenen Instrumenten zu helfen, den steinigen Weg zur Demokratie zu ebnen. Die Friedrich Ebert Stiftung hat auf diesem Weg in Ägypten einiges geleistet, still, beharrlich und immer an den Interessen der Kolleginnen und Kollegen interessiert, sowohl beim Aufbau von EFITU wie bei der Unterstützung von CTUWS. Das kann und sollte durch direkte Betriebskontakte nachhaltig unterstützt werden.


Quo vadis Gewerkschaften in Ägypten?

Auf dem Weg zum Tahrir und jetzt weiter auf dem Weg in die große Familie der demokratischen Gewerkschaften sind die Kolleginnen und Kollegen Riesenschritte gegangen. Die Betrachtung, was seit mehr als einem Jahr in Ägypten geschehen ist, reicht zur abschließenden Bewertung nicht aus. Der Weg aus dem Dunkel der Ära von El Sadat und Mubarak war beschwerlich. Der Start in eine neue Zeit 2004 und 2005 hatte ja Vorläufer und nun hat es bereits zwei Schritte gegeben, bis zum 25. Januar 2011 und nach diesem Datum. Erstaunlich wie der Atem für diesen Ritt bisher reichte und welcher Mut und welche Überzeugung dazu gehört, nach diesem Ritt noch Jahre harter Arbeit vor sich zu haben.

In den Gewerkschaften spielen parteipolitische Überzeugungen und religiöse Zugehörigkeit keine Rolle. Eine hervorragende Voraussetzung für eine Einheitsgewerkschaft. Das allein ist in Ägypten etwas Besonderes und wird in politischen Kreisen skeptisch beäugt.

Noch mehr sollte beachtet werden, dass Kolleginnen wichtige Träger der gewerkschaftlichen Revolution waren und sind. Das ruft in Ägypten religiöse Hardliner auf den Plan. Die begonnene Emanzipation muss gestützt werden, manchmal auch noch innerhalb der ägyptischen Gewerkschaften.

Diese Prinzipien und den Menschenrechtskatalog der Vereinten Nationen hoch zu halten und die Interessen der Arbeitenden stets im Auge zu behalten, das ist die eigentliche Idee des Tahrir.


Peter Senft ist Sozialreferent in der Botschaft Kairo und war davor lange Zeit als hauptamtlicher Sekretär beim IG Metall Vorstand tätig.

[1] Über die Geschichte der Arbeiterbewegung gibt der Beitrag von Irene Weipert-Fenner in diesem Heft fundiert Auskunft.
Im Schattenblick siehe unter:
www.schattenblick → Infopool → Politik &rarr Ausland
NAHOST/920: Die Arbeiter in Ägypten - was von der Revolution geblieben ist (spw)

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Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 2/2012, Heft 189, Seite 28-32
mit freundlicher Genehmigung der HerausgeberInnen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2012