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NAHOST/784: Bahrain - Baufällige Buden für Arbeitsmigranten, Lösung nicht in Sicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. März 2011

Bahrain: Baufällige Buden für Arbeitsmigranten - Problem bekannt, Lösung nicht in Sicht

Von Suad Hamada


Manama, 4. März (IPS) - In Bahrain leben tausende Migranten in Häusern, die von der Regierung als baufällig und unbewohnbar eingestuft werden. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffenen in nächster Zeit in sichere Unterkünfte umziehen werden, ist nicht zuletzt wegen der derzeitigen politischen Unruhen gleich null.

Nach den Volksaufständen in Tunesien und Ägypten sind auch in Bahrain die Menschen auf die Straße gegangen, um den Rücktritt der Regierung zu fordern. Sieben Menschen kamen dabei ums Leben. Seit dem 17. Februar sind zwar weitere Zusammenstößen auf dem Platz der Perle (Pearl Roundabout) zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften ausgeblieben. Dafür kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Sunniten und Schiiten.

Die Unternehmer in der Stadt klagen über finanzielle Verluste. Betroffen ist auch Bahrains Zentralmarkt, auf dem tausende Arbeitsmigranten beschäftigt sind. Die Pro-Demokratie-Proteste haben auch die Hotelbetriebe, die auch Konferenzen, Hochzeiten und Ausstellungen ausrichten, in die Knie gezwungen. Viele Arbeitgeber sehen sich deshalb außerstande, ihre Beschäftigten angemessen unterzubringen.

Isa Mohammed besitzt einen Barbiershop und drei Mobiltelefonläden. Auch bei ihm laufen die Geschäfte schlecht. Mehr Geld als das, was er bisher für die Unterkünfte seiner acht Beschäftigten zahlt, kann er nach eigenen Angaben nicht aufbringen. "Schon vor dem Ausbruch der Unruhen war der Umsatz gering", berichtet er.


Bei manchen Gebäuden hilft nur noch die Abrissbirne

Viele Arbeitsmigranten leben in Bruchbuden. Das ist auch den Behörden bekannt. So berichtet der Minister für Stadtentwicklung Juma Al Kaabi, dass sein Amt 2009 die Eigentümer von 250 Gebäuden aufgefordert habe, vor einer Weitervermietung umfangreiche Sanierungsarbeiten durchzuführen. Auch habe die Staatsanwaltschaft die Zerstörung von 80 Gebäuden angeordnet. "Würden alle zuständigen Stellen ihre Arbeit vernünftig tun und Kontrollen durchführen, müssten 90 Prozent aller Unterkünfte geschlossen werden."

Nach offiziellen Angaben lebten 2009 rund 290.000 ausländische Arbeiter in Bahrain, mehr als zwei Drittel in Manama und Muharraq, der zweitgrößten Stadt des Landes. Nach der im letzten Jahr durchgeführten Volkszählung, deren Ergebnisse im Februar vorgestellt wurden, kam es in den vergangenen neun Jahren zu einer regelrechten Zuwanderungswelle, durch die sich die Bevölkerung von 650.000 Menschen 2001 auf 1,23 Millionen Menschen 2010 verdoppelte.

Die vielen Gastarbeiter, die inzwischen 54 Prozent der Bevölkerung stellen, sind vorwiegend im Niedriglohngewerbe als Bauarbeiter, Fabrikarbeiter und Verkäufer beschäftigt. Die meisten stammen aus asiatischen Entwicklungsländern wie Bangladesch, Indien und Pakistan. Bessere Unterkünfte für sie sind Zukunftsmusik.


Vom Schornstein erschlagen

Wie gefährlich das Leben in den baufälligen Häusern sein kann, zeigt das Schicksal des 33-jährigen Inders Susheel Kumar. Er wurde durch einen Schornstein getötet, der nach schweren Regenfällen die Decke seines Schlafzimmers durchschlug. Sein Zimmergenosse und Landsmann Nandhi Kishore Bimal, der zum Zeitpunkt des Unglücks unter einem Tisch geschlafen hatte, kam mit einem Beinbruch davon.

Das Unglückshaus ist nur eines von vielen alten Gebäuden, die Migranten als Wohn- und Schlafstätten vermittelt werden. 2006 kamen 16 indische Arbeiter nach einem Brand ums Leben. Feuer treten in den Altbauten häufig auf. Viele Zuwanderer können sich nur auf ihren Zimmern ihre Mahlzeiten zubereiten, und Flammen haben in den meist aus Holz gebauten Häusern leichtes Spiel.

Dass die Bewohner solcher Bruchbuden in naher Zukunft in bessere Wohnungen umziehen werden, hält der Stadtrat Ali Al Muqla für unwahrscheinlich. Angesichts der schlecht laufenden Geschäfte hätten die Unternehmer keine 20 Dinar (etwa 53 US-Dollar) übrig, die sie monatlich für die Unterbringung eines Arbeiters in dem vom Staat erbauten Wohnheim für Migranten in Muharraq zahlen müssten.

Anwar Mohammed haust seit 15 Jahren in alten Häusern. Er lebt von Renovierungsarbeiten. Von den 200 Dollar, die er monatlich verdient, schickt er das meiste seiner Familie in Bangladesch. 25 Dollar für ein Zimmer, das er mit vier weiteren teile, sind für ihn bezahlbar.

Nach dem Brand 2006 hatte die Regierung zwar angekündigt, in unterschiedlichen Städten drei große Auffanglager für mehr als 600.000 Migranten bauen zu wollen. Doch bisher wurde erst das in einem Industriegebiet von Muharraq fertig gestellt.

Nach Ansicht von Salman Mahfoodh, Generalsekretär des Arbeiterdachverbands von Bahrain, muss die Regierung mehr tun als bisher, um die Sicherheit für die Migranten zu garantieren. Sie könnte etwa für Gesetze sorgen, die es dem Arbeitsministerium erlaubt, die Unterkünfte von Wanderarbeitern regelmäßig zu inspizieren. "Ohne solche Regelungen", ist er überzeugt, "sind die Arbeitsmigranten gefährdet". (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2011