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NAHOST/720: Golfstaaten - Rätselhafte Aufrüstungswelle, Waffenimporte steigen deutlich an (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. November 2010

Golfstaaten: Rätselhafte Aufrüstungswelle - Waffenimporte steigen deutlich an

Von Brenda Sorensen


Stockholm, 4. November (IPS) - Die Militärausgaben der Golfstaaten sind laut dem Internationalen Friedensforschungsinstitut SIPRI rasant gestiegen. An der Spitze lägen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), geht aus einer Untersuchung des Instituts mit Sitz in Stockholm hervor. Weshalb die Staaten plötzlich so stark aufrüsteten, ist unklar.

Saudi-Arabien hat bei der US-Regierung die Genehmigung eingeholt, von amerikanischen Firmen eine größere Anzahl von Kampfflugzeugen und Helikoptern zu kaufen, heißt es in dem Bericht. "Dies war der bisher letzte Hinweis darauf, dass sich Saudi-Arabien ähnlich wie bereits in den neunziger Jahren auf große Einkaufstour begeben will", schrieben die Analysten Carina Solmirano und Pieter D. Wezeman. Beobachter rätselten nun darüber, wie sich die neuen Rüstungsanstrengungen auf die Golfregion einschließlich des Iraks und Irans auswirken würden.

Da Transparenz in den meisten Ländern der Region fehlt, stützt sich das SIPRI-Papier auf bekannte Militärausgaben und geplante Waffenimporte nach Bahrain, Iran, Irak, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die VAE. Das Institut greift dabei auf zwei eigene Datenbanken - 'SIPRI Military Expenditure Database' und 'SIPRI Arms Transfers Database' zurück.


Großteil des BIP fließt in die Aufrüstung

Neben den Spitzenreitern Saudi-Arabien und den VAE steckten auch andere Golfstaaten einen beträchtlichen Teil ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den Militärsektor und lägen damit über dem internationalen Durchschnitt, heißt es weiter.

Die verfügbaren Daten gelten allerdings als wenig verlässlich. Vor allem Bahrain und der Iran sind dafür bekannt, dass sie nicht alle derartigen Ausgaben in die offiziellen Statistiken aufnehmen. Staaten wie Oman, Katar und Saudi-Arabien listen ihre Militärausgaben nicht getrennt von den Aufwendungen für die innere Sicherheit auf.

Nach Ansicht der Experten werden manche Waffeneinfuhren möglicherweise direkt durch Erdöleinnahmen finanziert und tauchen somit nicht in den offiziellen Budgets auf. Im Falle des Irak sind nur staatliche Ausgaben nachvollziehbar.

"Die Unübersichtlichkeit der Statistiken erschwert die Erfassung regionaler Trends bei den Militärausgaben", stellen Solmirano und Mezeman fest. An dritter Stelle liege nach Saudi-Arabien und den VAE der Iran. Der Militärhaushalt des Iraks sei hingegen zwischen 2008 und 2009 um fast 30 Prozent gesunken. Zwischen 2000 und 2008 hätten Oman und Saudi-Arabien einen größeren Prozentsatz ihres BIP in die Rüstung gesteckt als irgendein anderes Land auf der Welt.

Zwischen 2005 und 2009 haben die Golfstaaten laut dem SIPRI-Papier zehn Prozent aller weltweit gehandelten konventionellen Waffen importiert. Da in der Region kaum Waffen produziert werden, müssen größere Anschaffungen immer in anderen Teilen der Welt getätigt werden.

Mindestens 30 Länder haben den Staaten ihren Rüstungsnachschub geliefert. Die größten Verkäufer waren die USA, Frankreich, Russland, Großbritannien und China. Der überwiegende Teil der russischen und chinesischen Exporte ging in den Iran, der mit den USA und den meisten europäischen Ländern keine größeren Geschäfte machte.

Wie aus dem Report hervorgeht, hat sich das Kaufverhalten der Golfstaaten im Laufe der Jahre verändert. Im Zeitraum 2005 bis 2009 bezogen die VAE 57 Prozent und Saudi-Arabien lediglich zehn Prozent aller größeren Einfuhren konventioneller Waffen. Zwischen 1990 und 2009 war jedoch Saudi-Arabien der größte Importeur der Region.


VAE dürften weiter an der Spitze bleiben

Die Anzahl der in die VAE eingeführten Waffen hat sich im Laufe der vergangenen zehn Jahre deutlich erhöht. Auch in den kommenden Jahren dürfte das Land seine Spitzenposition behalten. Zwischen 2005 und 2008 schloss der Staat Verträge über die Lieferung von 62 Kampfflugzeugen vom Typ Mirage-2000-9 aus Frankreich und von 80 F-16E-Flugzeugen aus den USA ab. 2008 und 2009 lieferten die USA bereits 30 AH-64D-Kampfhubschrauber.

Die Waffeneinfuhren aus Saudi-Arabien blieben während des vergangenen Jahrzehnts im Vergleich zu den neunziger Jahren relativ niedrig. Bereits unterzeichnete Verträge und bekannte Anschaffungspläne deuten aber daraufhin, dass das Land künftig wieder deutlich mehr importieren wird. Unter anderem sind der Ankauf von 72 Typhoon-Kampfjets und von Luft-Boden-Raketen vom Typ 'Storm Shadow' geplant.

Oman erhielt zwischen 2005 und 2008 zwölf F-16C-Kampfflugzeuge aus den USA. Ein Vertrag über die Lieferung von drei britischen Fregatten wird gerade erfüllt. Vorgesehen ist außerdem die Anschaffung von 18 weiteren F-16-Jets aus den USA und 24 Typhoon-Flugzeugen aus Großbritannien.

Der Irak nahm von 2005 bis 2009 mehr als 11.000 leichte Transportpanzer aus den USA und anderen Ländern im Empfang. Weitere Käufe von M-1A1-Panzern, gepanzerten Hubschraubern und Transportflugzeugen aus den USA stehen auf der Liste der Regierung. Das Land baut zurzeit seine Streitkräfte neu auf und will sich aus verschiedenen Staaten eine große Bandbreite an konventionellen Waffen beschaffen.

Die wichtigsten Waffenimporte des Irans bestanden in jüngster Zeit aus 29 Tor-M1-Flugabwehrraketensystemen aus Russland. Im Juni dieses Jahres verhängte der UN-Sicherheitsrat ein Embargo auf die Lieferung der meisten konventionellen Waffen an Teheran. Russland verkündete im September, dass es infolge des Embargos den Verkauf mehrerer Flugabwehrraketensysteme gestoppt hat. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.sipri.org/databases/milex
http://www.sipri.org/databases/armstransfers
http://www.indepthnews.net/news/news.php?key1=2010-11-01%2021:26:39&key2=1


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2010