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NAHOST/688: Bahrain - Lange Gefängnisstrafen für Teenager über 15 (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. September 2010

Bahrain:
Lange Gefängnisstrafen für Teenager über 15 - Jugendstrafrechtreform gefordert

Von Suad Hamada


Manama, 1. September (IPS) - Zweimal wurde Turki bei einer kriminellen Handlung erwischt, dann folgte die Strafe: Ein Gericht in Bahrain verurteilte den 17-jährigen Wiederholungstäter zu fünf Jahren Gefängnis. Einheimische Rechtsaktivisten fordern jedoch, das Jugendstrafrecht zu reformieren und die Strafmündigkeit von 15 auf 18 hochzusetzen.

Der Richter hielt das Strafmaß für angemessen, da der Teenager schon 2006 in einen Raubüberfall verwickelt war. Doch der dreimonatige Aufenthalt in einem Jugendschutzzentrum hinderte den Jungen nach der Freilassung nicht, erneut rückfällig zu werden. Beim zweiten Mal fiel er bei einem Autodiebstahl auf.

"In so jungen Jahren sollte man Straftäter rehabilitieren anstatt sie für Verbrechen verantwortlich zu machen, die sie unter dem Einfluss bestimmter sozialer Umstände begangen haben", meint dazu Rana Al-Sairafi von der Kinderrechtsgruppe 'Be-Free Centre' (AT).

Auch die Kinderrechtsexpertin und ehemalige Parlamentarierin Fakhriya Al-Dairi betont, dass jungen Delinquenten mit Haftstrafen nicht geholfen wird. Deshalb setzten sich etliche Mitglieder des Bahrainer Konsultativrates, des Oberhauses, seit Jahren, wenn auch vergeblich, dafür ein, die Anwendung des Jugendstrafrechts auf junge Menschen unter 18 Jahren zu erweitern.

Das Parlament könnte jedoch schon bald nach den Wahlen im Oktober einer solchen Gesetzesänderung zustimmen, die 16- bis 18-Jährige nicht in Erwachsenengefängnisse schickt oder das Strafmaß diese Altersgruppe weniger hart bemisst, gibt sich Al-Dairi optimistisch.

Doch in manchen Bahrainer Behörden sieht man keine Notwendigkeit für eine Änderung des Strafgesetzes. Brigadegeneral Ibrahim Habib Al Gaith, Generalinspekteur im Innenministerium, erklärt: "Wir setzen die Einhaltung der Gesetze durch. Unsere Arbeit wird vom Parlament und den Gerichten kontrolliert. Der Richter bestimmt, ob ein verurteilter junger Straftäter ins Gefängnis wandert oder im 'Schutzzentrum für Jugendliche' untergebracht wird."

Die Anwältin Fawziya Janahi verweist darauf, dass unter 18-jährige Straftäter "nur die halbe Strafe" erhalten, die Erwachsene bei einem vergleichbaren Delikt zu erwarten haben. Dies gelte jedoch nicht für Wiederholungstäter, betont sie. Nach Angaben der Juristin wird in Bahrain kein Kind unter 15 Jahren ins Gefängnis geschickt. Allerdings könnten unter 16-Jährige, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, länger in Verwahrung gehalten werden, um sie vor dem Gefängnis zu schützen.


Besserungsanstalt mit Rehabilitationsprogrammen

Bahrains Schutzzentrum für Jugendliche sei kein Gefängnis, betont die Anstaltsleiterin Mariam Abdulraheem. Auch reguläre Ausbildungskurse gehörten zu den verschiedenen Rehabilitatstionsprogrammen, die hier angeboten werden. "Wer noch zur Schule geht, kann dies auch während seiner Zeit im Zentrum tun, schreibt sie in einer Veröffentlichung."Von dem begangenen Delikt und von ihrer Führung hängt ab, ob die Jugendlichen am Wochenende ihre Familien oder Freizeiteinrichtungen besuchen dürfen."

Maysa Al-Na'ar hat eine Studie über Bahrains Jugend veröffentlicht. Darin stellt sie fest, dass Jungen meistens wegen Diebstahls in das Jugendschutzzentrum eingewiesen werden, während Mädchen, mit denen die Eltern nicht mehr klar kommen, wegen Aufsässigkeit im Zentrum landen. Bei der Untersuchung stellte sich auch heraus, dass viele Jugendliche nach ihrer Entlassung wieder rückfällig werden. Kritisch merkt sie an: "Hintergrund sind Familienkonflikte oder die gesellschaftliche Ächtung straffällig gewordener Mitbürger."


Kein Strafrabatt für junge Wiederholungstäter

Länger als sechs Jahre müsse in Bahrain kein Jugendlicher unter 16 Jahren ins Gefängnis, erklärt die Juristin Janahi. Sie verweist auf einen jungen Mann, der im vergangenen Jahr wegen Mordes zu dieser Höchststrafe verurteilt wurde. Ein Erwachsener hätte wegen eines solchen Verbrechens mindestens 15 Jahre bis lebenslänglich im Gefängnis verbracht.

Auch wenn Autodiebstahl kein Kapitalverbrechen ist, für Wiederholungstäter gibt es in Bahrain keinen Strafrabatt. Das musste auch Turki erfahren, der noch bis 2012 seine Haftstrafe verbüßt. " Jetzt hofft seine Mutter, dass ihr Sohn wegen guter Führung vorzeitig entlassen wird. "Aussichten auf einen guten Job wird er allerdings nicht haben", klagt sie. "Um diese Chance hat sich Turki selbst gebracht, denn ohne ein makelloses Führungszeugnis werden keine freien Stellen besetzt." (Ende/IPS/mp/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2010