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NAHOST/674: Iran - Atomreaktor Buschehr soll aktiviert werden, Militärschlag Israels befürchtet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2010

Iran: Atomreaktor in Buschehr soll aktiviert werden - Militärschlag Israels befürchtet

Von Marsha B. Cohen


Miami, 13. August (IPS) - Der umstrittene iranische Atomreaktor Buschehr soll über 30 Jahre nach Baubeginn durch Siemens noch im August mit Brennelementen aus Russland versorgt werden. Mit dieser Ankündigung haben iranische und russische Nuklearwissenschaftler Spekulationen über einen unmittelbar bevorstehenden Militärschlag von israelischer oder US-amerikanischer Seite geweckt.

Der Reaktor und seine Inbetriebnahme an strategisch wichtiger Stelle im Südwesten des Iran in unmittelbarer Nähe zur Golfküste und Kuwait sind Grund heftiger Auseinandersetzungen. Vor allem der iranische Erzfeind Israel deutet die Pläne Teherans zur zivilen Nutzung der Atomkraft als "existenzielle Gefahr". An seiner Seite weiß Israel traditionell die USA. Befürchtet werden iranische Pläne zur Produktion von waffenfähigem Plutonium und die Bedrohung insbesondere Israels.

Auf dem Papier befindet sich der Iran jedoch auf der sicheren Seite. Sowohl die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) wie auch der Atomwaffensperrvertrag (NPT), den der Iran 1968 unterzeichnet und 1970 ratifiziert hat, erlauben die zivile Nutzung der Atomenergie. Auch ist es den fünf offiziellen Nuklearmächten - China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA - gestattet, die Nicht-Atommächte unter den NPT-Vertragsstaaten bei der Nutzung der Nukleartechnologie zu friedlichen Zwecken zu unterstützen.

Das alles mache den Reaktor in Buschehr unverdächtig, findet Sergei Kirijenko, der Leiter der russischen Atomenergiebehörde Rosatom. "Niemand ist gegen das iranische Atomprogramm zur zivilen Nutzung. Der Bau des Kernkraftwerks in Buschehr erfolgte unter der Kontrolle der IAEA", sagte er Ende Juli dem russischen Nachrichtendienst Interfax.


Sicherheitstest für Buschehr

Die Mutmaßungen über einen bevorstehenden Angriff halten sich dennoch. Wenn Israel oder die USA reagieren sollten, dann müssten sie es tun, bevor die Brennelemente eingetroffen sind. Jeder Militärschlag gegen den Reaktor in der Zeit danach hätte die nukleare Versuchung der gesamten Golfregion zur Folge. Abgesehen von den katastrophalen Konsequenzen für Menschen und Umwelt wäre damit auch eine internationale wichtige Erdölregion bedroht.

Offenbar rechnet auch der Iran mit einer Attacke. Nach einem Bericht des Nachrichtenportals Mardom Salari von Anfang August, hat der Iran Mitglieder der Streitkräfte nach Buschehr beordert. Sie sollen dort die Sicherheit des Luftraumes über dem Reaktor testen. Auch sollen im Rahmen einer Übung unlängst drei unbemannte Drohnen über Buschehr abgeschossen worden sein - ein Test mit Blick auf Israel. Laut Quellen aus Israel wären zum Schutz israelischer Soldatenleben vor allem Drohnen das Mittel der Wahl für einen Angriff auf den Iran.


Probleme von Anbeginn

Der Reaktor in Buschehr steht seit Baubeginn in den siebziger Jahren unter einem schlechten Stern. Nach der islamischen Revolution im Jahre 1979 galt das Projekt als unislamisch. Siemens stoppte seine Arbeit während des iranisch-irakischen Kriegs in den Jahren 1980 bis 1988. In dieser Zeit flog der Irak etliche Angriffe mit Ziel Buschehr. Nach dem Krieg stieg Siemens dann aus dem Bauvorhaben aus - auch auf Druck der USA hin.

1995 unterzeichnete der Iran mit Russland ein Abkommen zur Wiederaufnahme der Arbeiten. Sie waren mit einer großen Umstrukturierung nach russischen Spezifikationen verbunden. 1999 sollten die Maßnahmen beendet sein - ein Termin, der sich wegen technischer, finanzieller und politischer Gründe nicht halten ließ. Mehrere Male wurde die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes seither verschoben, das letzte Mal im Frühjahr 2010.

Rosatom-Chef Kirijenko sagte zum aktuellen Stand der Dinge: "Fragen nach dem konkreten Zeitplan muss die iranische Seite beantworten. Die Vorbereitungen laufen nach Plan. Abweichungen von wenigen Tagen sind möglich, spielen aber keine Rolle." (Ende/IPS/hn/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2010