Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/455: Addameer Prisoner Support and Human Rights Association (Der Schlepper)


Der Schlepper Nr. 45 - Herbst 2008
Quartalsmagazin für Migration und Flüchtlingssolidarität in Schleswig-Holstein

Addameer Prisoner Support and Human Rights Association
Seit 1967 haben israelische Behörden 700.000 Personen in den Besetzten Gebieten inhaftiert

Übersetzung: Doris Nedelmann


Im Juni 2008 veröffentlichte die Gefangenenhilfsorganisation Addameer (Gewissen) eine hier gekürzt dokumentierte Protesterklärung zur Situation palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen.


Während der Vernehmungen werden die Inhaftierten vom Schlafen abgehalten, was in einigen Fällen durchgehend bis zu 48 Stunden dauerte. Vernehmungsbeamte zwingen sie, für lange Zeiträume in schmerzhaften Positionen (Shabeh) zu verharren, manchmal 24 Stunden lang hintereinander. Die Inhaftierten werden in Zellen von 1 mal 2,50 Metern eingesperrt und im Winter kalter Zugluft ausgesetzt zusätzlich zu kalten Wassergüssen über die Köpfe. Einige werden von der Toilettenbenutzung abgehalten, während andere bloßgestellt werden und über ärztliche Versorgung verhandeln müssen.

Schläge sind die Routinebegleitung jeder Haft und Vernehmungsprozedur. Eine weitere Praxis ist die Verhaftung von Familienmitgliedern und nahen Verwandten, die zu den Vernehmungszentren gebracht werden, um die Inhaftierten unter Druck zu setzen. Diese und viele andere Praktiken werden in einer breiten systematischen Weise von den Vernehmungsbeamten und dem Militär gegen palästinensische Häftlinge angewandt.

In den Gefängnissen wird eine Serie von Verletzungen der Rechte der Gefangenen verübt. Diese umfassen, sind aber nicht beschränkt auf, die Isolierung in dunklen Zellen, körperlich grausame Betrafungen, Verhinderung von Familienbesuchen, Auferlegung von Geldstrafen, Konfiszierung persönlicher Habe, Verbot von Erholungszeiten etc. Von besonderer Bedeutung bei dieser Verfahrensweise ist die absichtliche Vernachlässigung ausreichender Gesundheitsfürsorge. Allein in 2007/2008 starben insgesamt acht inhaftierte Palästinenser wegen fehlender ärztlicher Versorgung. Die Zunahme der Zahl derer, die hinter Gittern sterben, reflektiert den Kern der grausam harten Realität und der Haftbedingungen zusätzlich zu der Taktik der Vernachlässigung der Gesundheitsfürsorge.

Das Damun Gefängnis in der Nähe von Haifa war 1922 unter britischem Mandat als Tabak-Lagerungsgelände erbaut worden. Heute werden in diesem Gefängnis 77 inhaftierte palästinensische Kinder festgehalten, wo nicht einmal die Minimalstandards für Gesundheit, Hygiene und menschenwürdige Lebensbedingungen vorhanden sind. Dies ist ein einfaches Beispiel für die Haftbedingungen von Palästinensern seitens der israelischen Behörden.

Seit 1967 haben die israelischen Besatzungsmächte mehr als 700.000 Palästinenser verhaftet und inhaftiert. Heute gibt es ca. 9.500 palästinensische Gefangene und Inhaftierte in israelischen Gefängnissen, Haftszentren und Gefangenenlagern. Davon verbrachten 278 mehr als 15 Jahre hinter Gittern, 14 waren über 25 Jahre gefangen und 2 über 30 Jahre lang inhaftiert. Zusätzlich dazu werden 803 Inhaftierte in sogenannter Verwaltunghaft gehalten, 327 inhaftierte Kinder, 75 weibliche Inhaftierte und Gefangene (fünf davon in Verwaltunghaft) und 46 gewählte Parlamentarier.

Das International Humanitarian Law (IHL) benannte und klärte viele der schweren Straftaten, die als "grave breaches" (schwerwiegende Verstöße) beim IHL bekannt sind, wonach Täter vor Gericht gebracht und für ihre Aktionen bestraft werden müssen, seien sie Individuen oder Staaten. Folter und unmenschliche Behandlung von Gefangenen gehören zu diesen schwerwiegenden Verstößen; illegale Inhaftierung und vorsätzlich ungerechtfertigte Zerstörung von Besitzungen sind weitere Beispiele.

Während der Razzien wird von den israelischen Besatzungmächten (IOF) scharfe Munition außerhalb oder in Häuser von Zivilisten abgefeuert, selbst wenn sich keine bewaffneten Palästinenser in der Nachbarschaft befinden. Im Jahr 2007 dokumentierte Addameer 24 Fälle von scharfem Beschuß auf Häuser bei der Festnahme unbewaffneter palästinensischer Zivilisten. In anderen Fällen von Verhaftungsrazzien benutzen die IOF Verwandte und/oder Nachbarn als menschliche Schutzschilde.

Das Entleinen von Hunden ist eine weitere Praxis der ausgebildeten "Polizei" (lies: "Militär"). Das hat in vielen Fällen zu schweren Verletzung von Familienmitgliedern, einschließlich Kindern geführt, die bei zahlreichen Gelegenheiten von Hunden angegriffen und gebissen wurden. Eine weitere Praktik ist die Zerstörung von Häusern und Besitzungen während der Verhaftungsrazzien. Allein im Jahr 2007 dokumentierte Addameer 45 Fälle derartiger Bestrafungen

Addameer ist eine palästinensische Gefangenenhilfsorganisation mit Sitz in Ramallah.


Nachrichtenagentur Ma'an veröffentlichte am 5. Mai 2008 einen Bericht, der die Auswirkungen der israelischen Besatzung in Palästina statistisch festhält.

Statistikbericht palästinensischer Opfer

Seit September 2000 tötete die israelische Besatzungsmacht mehr als 6.000 Palästinenser, allein für das vergangene Jahr belief sich die Anzahl der Opfer der militärischen Aggressionen auf 1.400 Zivilisten.

In dem Zeitraum vom 28.09.2000 bis zum 30.06.2006 wurden 4.464 Tote und 47.440 Verletzte verzeichnet. Unter diesen befanden sich 826 Kinder unter 18 Jahren. Israelische Besatzungstruppen töteten gezielt 455 Einwohner.

Der Bericht dokumentierte weiter, dass in den vergangenen zehn Jahren jeder vierte Palästinenser festgenommen wurde. Israel verhaftete seit 1967 bis zum März 2008 650.000 Palästinenser. Allein seit dem Jahr 2000 wurden 40.000 Zivilisten willkürlich verhaftet, davon sind bis heute noch 9.400 in 30 israelischen Gefängnissen oder Lagern. 421 Häftlinge befinden sich dort seit mehr als 10 Jahren und 7 Inhaftierte seit mehr als 25 Jahren. Wie die Statistik weiter festhält, zerstörten Besatzungstruppen seit 2000 insgesamt 443 Häuser, mehr als 3.000 Personen wurden obdachlos. Für das Jahr 2004 wurden 329 Häuserzerstörungen gemeldet, von diesen befanden sich 154 in Ost-Jerusalem. Bis Mitte Mai 2006 haben militärische Befehlshaber 12 Schulen und Universitäten schließen lassen. 1.125 Schulen und weitere Bildungsinstitutionen mussten zeitweise ihren Betrieb einstellen. Weitere 359 Bildungseinrichtungen wurden bombardiert. Die Besatzungsmacht besetzte insgesamt 43 Schulen und benutzte diese als militärische Stützpunkte.

Israelische Bulldozer vernichteten bis Ende April 2005 mehr als 76.860 Dunum fruchtbares Ackerland, vernichteten 1.355.290 Millionen Bäume, 770 Getreidekammern und 756 Viehställe. Während dieser Angriffe wurden 14.749 Schafe und Ziegen, 12.132 Kühe, 15.256 Bienenstöcke und 403 Brunnen zerstört.

Im Vergleich hierzu sind seit 1840 knapp 3.900 Israelis ums Leben gekommen.

Quelle: Ma'an; 05. Mai 2008


*


Quelle:
Der Schlepper Nr. 45 - Herbst 2008, Seite
Quartalsmagazin für Migration und Flüchtlingssolidarität in
Schleswig-Holstein
Herausgeber: Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Oldenburger Str. 25, 24143 Kiel
Tel.: 0431/73 50 00; Fax: 0431/73 60 77
E-Mail: office@frsh.de
Internet: www.frsh.de
Der Schlepper online im Internet: www.frsh.de/schlepp.htm

Der Schlepper erscheint vierteljährlich als Rundbrief
des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e.V.
Für Vereinsmitglieder ist Der Schlepper kostenlos.
Nichtmitglieder können ihn für 16,50 Euro jährlich
abonnieren.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2009