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LATEINAMERIKA/1490: Kolumbien - Unterbrechung der Friedensgespräche wurde provoziert (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 48 vom 28. November 2014
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Entführung als Vorwand
Die Unterbrechung der Friedensgespräche zwischen kolumbianischer Regierung und FARC wurde provoziert

von Günter Pohl



Von Beginn an waren die Friedensgespräche zwischen kolumbianischer Regierung und Revolutionären Streitkräften in Havanna immer wieder von Störmanövern rechter Kräfte begleitet gewesen. Der Krieg in Kolumbien ist für Waffenhändler und Drogenbosse, aber auch für eine Politikerkaste, die ihr repressives Gesellschaftsmodell angesichts des frischen Windes aus den Nachbarländern rechtfertigen will, zur Notwendigkeit geworden. Die illegalen Geschäfte sind schon lange ganz vorn bei den Branchen, die die Wirtschaft des Landes ankurbeln. Und der Krieg bringt sogar Steuern: Die Regierung nimmt eine Kriegssteuer, die Guerilla eine Friedenssteuer bei den Unternehmen.

Aber auf Seiten der Guerillas (auch des ELN und den Restbeständen des maoistischen EPL) geht es ja nicht um die Erhebung einer Steuer - die sie zur Finanzierung des bewaffneten und politischen Widerstands brauchen -, sondern um gesellschaftliche Veränderungen. Die wären bei entsprechender Chancengleichheit in einem demokratischen Staat am ehesten ohne Waffen zu erreichen, weshalb die FARC immer wieder auf Friedensgespräche orientiert haben. Und weshalb nicht nur die oben genannten Wirtschaftsmächte, sondern eben auch die politische Rechte in Wirklichkeit nicht verhandeln will. Dass diese Angst vor gleichen Bedingungen für alle hat, bewies sie mit der Ermordung von fünftausend Mitgliedern der Patriotischen Union, die sich in den 80er Jahren vor allem aus demobilisierten FARC-Guerilleros gebildet hatte, als damals ein Friedensschluss nahe war. Und sie beweist es heute, wo seit ihrer Gründung vor zwei Jahren mittlerweile siebzig Mitglieder der "Marcha Patriótica" ermordet wurden.

Gespräche aber verlangt die Welt, und mit Unterstützung von Kuba und Norwegen als Garantiemächten begannen vor zwei Jahren konkrete Verhandlungen (zum Stand s. UZ vom 24. Oktober). Nachdem diverse Provokationen an der Gelassenheit der Guerilla und den Manifestationen des Volkes für einen Friedensschluss gescheitert waren, wurde nun ein Köder ausgelegt, der verfangen musste: Brigadegeneral Rubén Alzate wurde in Begleitung eines Gefreiten und einer Rechtsanwältin im Nordwesten Kolumbiens, nahe Quibdó, der Hauptstadt des Departments Chocó von FARC-Einheiten gefangen genommen. Dass ein über Jahrzehnte im Antiguerillakampf erfahrener General - in Bermudashorts wie bei einem Campingausflug - in den Regenwäldern einer der stark umkämpften Zonen des Landes in einem Boot spazieren fährt, kann bei näherer Betrachtung kaum eine Dummheit sein: Entweder ist es seine eigene Berechnung oder eine Falle der eigenen Leute. Da er die Sache durchaus mit dem Leben bezahlen könnte, ist von der zweiten Möglichkeit auszugehen. Der erste, der die Sache per Twitter bekannt machte, war übrigens Ex-Präsident Uribe, der eifrigste Saboteur und Gegner der Verhandlungen.

Jedenfalls ist der General "entführt", wie die Regierung und unisono alle konventionellen nationalen und internationalen Medien trompeten, und die Regierung setzte sofort die Gespräche in Havanna aus. Sie hält es für nicht hinnehmbar, dass einer der ihren inmitten von Verhandlungen zum Kriegsgefangenen wird. Für die Welt offensichtlich ist es aber die Regierung, die im Gegensatz zu den FARC keinen Waffenstillstand wollte, sondern trotz der Gespräche in Havanna weiter Menschen bombardiert, beschießt, verhaftet und in Zellen verrotten lässt. Und als vor drei Jahren bereits die geheimen Vorgespräche mit FARC-Unterhändlern liefen, tötete das Militär den Obersten Kommandanten der FARC, Alfonso Cano, im Departement Cauca. Dennoch haben die FARC damals im Schmerz um den Verlust von Alfonso Cano Geduld bewiesen, bis es letztlich zu den Verhandlungen kam.

Und auch dieses Mal werden es nicht die FARC sein, an denen ein Friedensschluss scheitert. Kommandant Pablo Catatumbo, einer der FARC-Sprecher in Havanna:

"Aufhören muss der Krieg, nicht die Gespräche!" Erst wenn der General freikommt, will die Regierung wieder sprechen. Krieg machen - das darf in ihrer Vorstellung eben nur die Regierung. Das Volk hat nur die Toten zu stellen. Wehren darf es sich nicht.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 46. Jahrgang, Nr. 48 vom 28. November 2014, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2014