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LATEINAMERIKA/1415: Kolumbien - Vertreibungen gehen weiter, vor allem Pazifikseite betroffen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2013

Kolumbien: Vertreibungen gehen weiter - Vor allem Pazifikseite betroffen

von Helda Martínez


Bild: © Jesús Abad Colorado/IPS

Schulkinder in Quibdó, der Hauptstadt von Chocó, einem der Departements, in denen die Vertreibungen zunehmen
Bild: © Jesús Abad Colorado/IPS

Bogotá, 3. Juni 2013 (IPS) - In Kolumbiens Pazifikregion geht die Vertreibung der Menschen unvermindert weiter. Die am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen sind Schwarze und Indigene mit 51.938 beziehungsweise 18.154 Opfern, wie aus dem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation CODHES hervorgeht.

Begünstigt wird der Trend durch die Aktivitäten der lokalen Waffen- und Drogenmafia, der raschen Anbindung ans Meer und einer historischen Abwesenheit des Staates, heißt es in dem neuen Report. Zudem habe der 2008 angelaufene Regierungsplan zur Rohstoffausbeutung das Interesse der bewaffneten Gruppen an der Küstenregion weiter erhöht.

Kolumbien befindet sich seit Anfang der 1960er Jahre im Bürgerkrieg. Derzeit führt die Regierung von Staatspräsident Juan Manuel Santos mit der größten linken Rebellenbewegung Bewaffnete Streitkräfte Kolumbiens (FARC) in Havanna Friedensgespräche. Allerdings gibt es in dem südamerikanischen Land noch weitere bewaffnete Gruppen wie Drogenmafia und ultrarechte Paramilitärs.

Laut dem neuen Bericht von CODHES, der glaubwürdigsten Quelle von Zahlen über die Vertriebenen des Landes, sahen sich im letzten Jahr 92.596 Pazifikbewohner gezwungen, Haus und Hof zu verlassen. Sie stammen weitgehend aus den Küstendepartements Nariño und Cauca im Südosten, Valle del Cauca im Westen und Chocó im Nordwesten und stellten im letzten Jahr 36 Prozent aller kolumbianischen Binnenflüchtlinge.

Seit 1999 sind insgesamt 863.334 Menschen aus den Pazifikgebieten vertrieben worden, wobei das letzte Jahr mit 22 Prozent einen besonders drastischen Anstieg verzeichnete. Landesweit wurden 2012 256.590 Binnenflüchtlinge gezählt, das waren 2.556 weniger als 2011.


Dramatische Zunahme von Massenvertreibungen

Offenbar haben Massenvertreibungen derzeit Hochkonjunktur. Darunter versteht man die kollektive Vertreibung von mindestens zehn Familien oder 50 Menschen im Zuge einer einzigen Gewaltepisode. Die Rate ist landesweit um 45 Prozent gestiegen.

"Vor allem das Schicksal der schwarzen Bevölkerung ist alarmierend", berichtete Ariel Palacios von der Nichtregierungsorganisation Nationale Konferenz der afrokolumbianischen Organisationen. "Die staatlichen Schutzvorkehrungen versagen, und der Rassismus in den Städten ist groß. Das erklärt, warum sich die Mehrheit der Betroffenen in kleinen Gruppen zusammenschließt", so Palacios.

Der CODHES-Bericht weist ferner auf ein neues Vertreibungsphänomen hin. So würden zunehmend mehr Menschen von einer Stadt in eine andere oder von einem Stadtviertel ins nächste vertrieben. Diese Entwicklung führt die Menschenrechtsorganisation nicht zuletzt auf Bandenkriege um die Kontrolle des lokalen Drogenhandels zurück.

CODHES-Chef Marco Romero zufolge mag es paradox erscheinen, dass sich Kolumbien inmitten von Krieg und humanitärer Krise um eine friedliche Lösung des Konflikts und eine Entschädigung der Vertriebenen bemüht. Das Gesetz 1.448 und die Friedensverhandlungen zwischen Regierung und FARC sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.


Landrückgabe schwierig

Das Gesetz 1.448, auch Gesetz für die Opfer und die Rückgabe von Ländereien genannt, findet seit dem letzten Jahr Anwendung und soll eines der schlimmsten Kapitel des Bürgerkriegs - der illegalen Aneignung von Agrarland - zum Stillstand bringen. Zur Umsetzung der Maßnahmen wurden 30 Millionen US-Dollar bereitgestellt. Allerdings gestalte sich die Umsetzung aufgrund von Organisations- und Registrationsschwierigkeiten schwierig.

Kolumbien gehört zu den Ländern mit einer der größten Vertreibungsraten der Welt. Nach offiziellen und inoffiziellen Angaben sind etwa fünf Millionen Menschen seit den 1980er Jahren innerhalb des südamerikanischen Landes auf der Flucht. Das Ausmaß des Problems hat das UN-Flüchtlingshochkommissariat dazu veranlasst, ein ständiges Büro in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá zu eröffnen. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.codhes.org/
http://www.acnur.org/t3/fileadmin/scripts/doc.php?file=t3/fileadmin/Documentos/Publicaciones/2013/9156
http://www.convergenciacnoa.org/
http://www.ipsnoticias.net/2013/05/desplazamiento-no-cede-en-colombia/

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IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2013