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LATEINAMERIKA/1366: Argentinien - Gelobtes Land für Migranten, die meisten kommen aus Nachbarstaaten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. September 2012

Argentinien: Gelobtes Land für Migranten - Die meisten kommen aus Nachbarstaaten

von Marcela Valente

Eine bolivianische Emigrantin kehrt nach Hause zurück und wird am Flughafen in El Alto in der Nähe von La Paz in Empfang genommen - Bild: © Franz Chávez/IPS

Eine bolivianische Emigrantin kehrt nach Hause zurück und wird am Flughafen in El Alto in der Nähe von La Paz in Empfang genommen
Bild: © Franz Chávez/IPS

Buenos Aires, 3. September (IPS) - "Die neuen Gebäude der argentinischen Hauptstadt haben Paraguayer gebaut", sagt Isidro Méndez stolz. Der 60-jährige Besitzer einer Baufirma ist einer von hunderttausenden Einwanderern vor allem aus den Nachbarländern Argentiniens, die sich in dem südamerikanischen Land eine bessere Zukunft erhoffen.

Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch Argentiniens hat sich die Lage seit 2005 wieder merklich normalisiert und die Arbeitslosenzahlen sind gesunken. Dadurch sind zum einen mehr Argentinier in ihrem Land geblieben bzw. aus dem Ausland zurückgekehrt. Zum anderen sind immer mehr Ausländer in das Land der Gauchos und des Tangos gezogen - das ist zwar kein neues Phänomen, doch sind es in den vergangenen Jahren immer mehr geworden. Die meisten von ihnen kommen aus Paraguay und Bolivien.

"Wir wissen, was Leid bedeutet", sagt Méndez gegenüber IPS. Der Paraguayer kam bereits mit 17 Jahren hierher und arbeitete zunächst auf dem Bau. Mittlerweile hat er selbst eine Baufirma, in der er Landsleute beschäftigt.

Einer Studie der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge, die im August veröffentlicht wurde, kommen 77 Prozent der Einwanderer Argentiniens aus anderen südamerikanischen Staaten. Die meisten sind aus den Nachbarstaaten Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay, außerdem aus Peru, zugezogen. Zwischen 2001 und 2010 ist die Zahl der nicht-argentinischen Südamerikaner im Land von einer Million auf 1,4 Millionen angestiegen. Laut IOM haben fast alle eine Arbeitsstelle gefunden.


"Staub und Spaten sind nichts für Argentinier"

Die meisten Einwanderer - 39 Prozent - kommen aus Paraguay. Ein Zensus von 2001 ermittelte 325.000 Personen, 2010 waren es bereits 550.000. Während die Männer in der Mehrheit auf dem Bau arbeiten, sind die meisten Frauen in der Hauswirtschaft tätig. "Alle Einwanderer aus Paraguay haben Arbeit", versichert Méndez. "Staub und Spaten sind nichts für Argentinier - und wenn sie bei Regen Betonsäcke aus LKW räumen müssten wie ich heute, dann würden sie direkt in den Streik treten", fügt er hinzu.

Die IOM hat sich auch mit der Situation der Bauwirtschaft auseinandergesetzt. Demnach wuchs die Branche von 2003 bis 2010 um jährlich 14 Prozent.

Die zweitgrößte Einwanderergruppe sind die Bolivianer. Während 2001 rund 230.000 aus dem südamerikanischen Binnenland kamen, waren es 2010 345.000. Sie stellen 25 Prozent aller Einwanderer. Die Mehrheit der bolivianischen Immigranten ist im Anbau und Verkauf von Obst und Gemüse beschäftigt. So pachten viele Familien Land in den Außenbezirken der größeren argentinischen Städte. Daneben sind Bolivianer außerdem in der Textil- und Schuhindustrie beschäftigt.

Aus diesen beiden Ländern kommen hauptsächlich Menschen aus den unteren Schichten und mit einem niedrigen Bildungsniveau nach Argentinien. 59 Prozent der paraguayischen und 43 Prozent der bolivianischen Immigranten haben gerade einmal die Grundschule abgeschlossen.

Da die meisten der Paraguayer im Land prekär beschäftigt sind, haben sie keine Sozial- und Krankenversicherung und können keine Vorsorge für mögliche Krankheitsfälle treffen. Allerdings hat Argentinien ein öffentliches Gesundheitssystem, das auch die Behandlung von Menschen ohne Krankenversicherung im Krankenhaus zulässt. Auch Schulbildung wird den Einwanderern gewährt.

Von den 1,4 Millionen Südamerikanern, die sich in Argentinien niedergelassen haben, sind 14 Prozent aus Chile, elf Prozent aus Peru, acht aus Uruguay und drei aus Brasilien.


Neues Gesetz erleichtert Zuwanderung

"In kein anderes lateinamerikanisches Land wandern so viele Menschen ein wie in Argentinien", sagt Artola, Vertreter der IOM in Südamerika. "Die Immigranten kommen nach Argentinien, weil es hier Arbeit für sie gibt, und weil es relativ leicht ist, hier eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen." Das ist erst seit 2003 so, als der damalige und mittlerweile verstorbene Präsident Néstor Kirchner das Aufenthaltsrecht reformierte. Er hob das während der Militärdiktatur (1976 bis 1983) erlassene Gesetz auf und erließ ein neues, das die Immigration als Menschenrecht anerkennt.

Das neue Gesetz hat die Bürokratie vereinfacht und spricht den Migranten das Recht auf Gesundheitsversorgung und Bildung zu. Auch Menschen ohne Aufenthaltstitel darf dank des Gesetzes die medizinische Versorgung nicht verwehrt werden. Waren Ärzte und andere Funktionäre früher verpflichtet, Illegale zu melden, ist dies nun nicht mehr der Fall.

2006 wurde darüber hinaus eine Kampagne mit dem Titel "Patria Grande" gestartet, um Immigranten auch dann eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung zu ermöglichen, wenn sie keine Arbeit haben. Seitdem brauchen sie nichts weiter als ihren Pass und ein polizeiliches Führungszeugnis, das besagt, dass sie bisher nicht straffällig geworden sind. (Ende/IPS/jt/2010)


Links:

http://www.iom.int/jahia/webdav/shared/shared/mainsite/published_docs/serial_publications/CM02_Impacto_de_las_Migraciones_en_Argentina.pdf
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101447
http://www.ipsnews.net/2012/08/argentina-the-promised-land-for-south-american-neighbour/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2012