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LATEINAMERIKA/1022: Mexiko - Demokratie und Drogenkrieg (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 21.04.2009

Mexiko: Demokratie und Drogenkrieg


Mexiko ist ein Land der Gegensätze. Auf der einen Seite stehen die reiche Kultur der Azteken und Mayas, die herrlichen Strände und die für ihre Schärfe bekannte Küche. Auf der anderen Seite ufert ein Drogenkrieg aus, der die junge Demokratie in ihren Grundfesten erschüttert. Würzburger Studierende der Politikwissenschaft informierten sich vor Ort über die Lage des Landes.

Der Drogenkrieg in Mexiko eskaliert. Seit dem Amtsantritt des konservativen Präsidenten Felipe Calderón im Dezember 2006 sind über 10.000 Menschen Opfer der Gewalt geworden, vor allem in den Grenzstädten zu den USA. Vier konkurrierende Drogenkartelle liefern sich erbitterte Kämpfe um die Kontrolle des Drogenhandels in die USA; 45.000 Soldaten und Bundespolizisten sind involviert.

Die 108 Millionen Mexikaner spüren die Auswüchse der Kriminalität: Entführungen sind an der Tagesordnung, die Menschen riegeln ihre Wohnviertel mit Stacheldraht und privater Polizei ab. Nur zwei Prozent aller Verbrechen werden überhaupt aufgedeckt und bestraft. Die Ursache dafür liegt im korrupten Justizapparat. Die Bevölkerung sehnt sich nach Sicherheit und Ordnung, und vor allem um diese beiden Punkte geht es auch im Wahlkampf vor den Parlamentswahlen am 5. Juli.

Zwei Universitäten in Mexiko besucht

Über Mexikos Situation informierten sich vor Ort zehn Studierende der Politikwissenschaft von der Universität Würzburg. Sie reisten unter der Leitung von Dr. Thomas Cieslik und mit Unterstützung des Universitätsbundes und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Guadalajara und Mexiko-Stadt, denn mit der staatlichen Universität Guadalajara und der privaten Universität Panamericana (Mexiko-Stadt) hat die Uni Würzburg Austauschabkommen.

Mexikanische Professoren hielten Vorträge über Innen-, Außen- und Wirtschaftspolitik und gaben so den Würzburger Studierenden Einblick in die aktuelle Lage. Demnach ist das Land hochgradig von der US-amerikanischen Wirtschaft abhängig. 85 Prozent aller Exporte gehen in die USA, wegen der Wirtschaftskrise steigt die Arbeitslosigkeit rapide an. Dagegen sinken die Transferleistungen der Mexikaner, die in den USA leben. Und die Auswanderung ist durch den Bau neuer Grenzanlagen schwieriger und gefährlicher geworden.

40 Prozent des Staatshaushaltes stammen von der staatlichen mexikanischen Erdölgesellschaft Pemex. Doch auch deren Einnahmen sinken, wegen des fallenden Erdölpreises und wegen der sich zu Ende neigenden Ölvorkommen im Golf von Mexiko. Für neue Bohrungen fehlt Geld und technologisches Wissen; ausländische Investitionen verhindert ein Verfassungsartikel, den vor allem die mexikanischen Linksparteien aus ideologischen Gründen nicht ändern lassen wollen.

Thomas Cieslik war sieben Jahre lang beruflich in Mexiko tätig. Darum konnte er den Studierenden die Gelegenheit eröffnen, hinter die Kulissen des politischen Alltagsgeschäftes zu blicken. Zum Beispiel vermittelte er in Mexiko-Stadt ein Gespräch mit dem Fraktionsvorsitzenden der liberalen Nueva Alianza-Partei. Dieser ließ es sich nicht nehmen, die Studierenden durch das Parlament zu führen und ihnen die computerunterstützten Abstimmungsmechanismen zu erklären. Die Studierenden durften auch einer Sitzung der Stadtkommission beiwohnen.

Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung erhielten sie Einblick in die politische Arbeit der deutschen Parteienstiftungen. Student Sebastian Graf fand die anschaulichen Beispiele aus der täglichen Arbeit sehr gut: "Dadurch haben wir praxisnahes Wissen über die bürokratischen und politisch-kulturellen Strukturen und Gepflogenheiten Mexikos vermittelt bekommen."

So nahm das Puzzle zur politischen Situation Mexikos nach und nach Gestalt an. Der europäische Handelsattaché Andreas Müller von der Delegation der Europäischen Union (EU) zeigte den Studierenden die europäische Außenwirtschaftspolitik auf. Er informierte sie auch über die wechselseitigen Beziehungen und die Tatsache, dass Mexiko das Freihandelsabkommen mit Europa noch kaum nutzt. Immerhin exportieren die Mexikaner jetzt verstärkt Honig in die EU.

Protest der Tequila-Farmer

Zeit blieb auch für Kultur, etwa für den Besuch der Pyramiden von Teotihuacßn, des neugotischen Hauptpostamtes oder des Palacio de Bellas Artes. Ein Abstecher nach Tequila durfte nicht fehlen: In dem staubigen Ort eine Stunde nördlich von Guadalajara wird der gleichnamige Agavenschnaps für den gesamten Weltmarkt produziert. Die Wirtschaftskrise macht sich auch dort bemerkbar: Einige Straßen waren mit Kaktusstauden blockiert, denn die Tequila-Farmer fordern höhere Abnehmerpreise.

Vielen Studierenden diente der Aufenthalt auch dazu, die beiden mexikanischen Universitäten für ein Auslandssemester kennenzulernen oder Praktikastellen zu finden. Andere verlängerten ihren Aufenthalt, um Material für ihre Abschlussarbeit zu sammeln.

Insgesamt kehrten die Studierenden mit gemischten Gefühlen zurück. Warum? "Die politische Situation ist verfahren, der Drogenkrieg eskaliert. Und voraussichtlich wird die Partei der Institutionellen Revolution, die bis 2000 über 70 Jahre lang diktatorisch regiert hat, mit absoluter Mehrheit ins Parlament zurückgewählt", sagt Thomas Cieslik. Für den Demokratieprozess in Mexiko seien das keine guten Aussichten.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 21.04.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2009