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FRAGEN/054: Kongo - "Dialog ist für uns der Königsweg" (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, November/Dezember 2017

DR Kongo
"Dialog ist für uns der Königsweg"

Interview mit Monseigneur Utembi, dem Erzbischof von Kisangani und Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenz CENCO von Wendy Bashi


Monseigneur Utembi ist Erzbischof von Kisangani und Vorsitzender der nationalen Bischofskonferenz (CENCO). Am 26. September 2017 bat ihn das Europäische Netzwerk Zentralafrika (EURAC) in Brüssel, die politische Entwicklung in der DR Kongo zu bilanzieren und Perspektiven aufzuzeigen. Für afrika süd sprach die kongolesische Journalistin Wendy Bashi mit Monseigneur Utembi.


Wendy Bashi: Sie erwähnten einen Terminkalender für die Wahlen, der von allen akzeptiert wird. Was erwarten Sie davon?

Monseigneur Utembi: Der Präsident der Republik hat persönlich erklärt, dass ein Wahlkalender aus der schwierigen Lage herausführen kann. Vor ihm hatte das der Vorsitzende der unabhängigen nationalen Wahlkommission (Commission Electorale Nationale Indépendantes - CENI) bereits erläutert. Die CENI muss einen Terminkalender für Wahlen vorschlagen, den die anderen Parteien akzeptieren. Das Wichtigste ist, dass wir so schnell wie möglich Wahlen durchführen, auf die das kongolesische Volk seit langem wartet. (Am 5. November 2017 gab die CENI schließlich den lang erwarteten Terminkalender mit dem Wahltermin bekannt: 23. Dezember 2018; d.R.).

Sie haben die Kasai-Provinzen erwähnt, wo der Apostolische Nuntius, also ein Bote des Vatikans, weilte. Was war das Ergebnis seines Besuchs?

Der päpstliche Bote war mit mir - in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Bischofskonferenz - in Kasai, in Kananga und Lwisa. Wir wollten unsere Anteilnahme und Solidarität mit den dortigen Bewohnern zum Ausdruck bringen. Sie haben sehr stark unter der Miliz Kamwina Nsapu (auch Kamuina Nsapu genannt) gelitten. Die Kämpfe zwischen dieser Miliz und den loyalen Kräften der DR Kongo haben eine humanitäre Krise heraufbeschworen: Viele Menschen wurden ermordet oder sie flohen innerhalb des Landes und in die Nachbarländer. Die Infrastruktur wurde zerstört. Daher war es geboten, dass wir als Kirche durch unseren Besuch unser Mitgefühl zeigten.

Bei unserem Aufenthalt haben wir auch einen ranghohen Vertreter der unabhängigen nationalen Wahlkommission getroffen, er begann mit der Wählerregistrierung. Wir waren sehr glücklich, dass kurz nach unserer Abreise am 11. Juli die ersten Wähler ihre Wählerausweise bekamen. Wir hoffen, dass alles rasch vorangeht und viele Menschen sich registrieren lassen, um ihr Wahlrecht ausüben zu können.

In Bunyuka, in der Provinz Nord-Kivu, wurden im Juli zwei Priester entführt, um dort, wie Sie sagten, die Katholische Kirche zum Schweigen zu bringen. Wie können Sie solche Entführungen beenden?

Wir, die Katholische Bischofskonferenz CENCO, haben diesen Angriff auf die Institution Kirche und insbesondere die Entführungen von Dienern Gottes verurteilt. Wenn die Hirten sich öffentlich äußern, so handelt es sich um Appelle im Rahmen unseres patriotischen Engagements, mithin um Bürgerengagement. Denn sie setzen sich für Respekt vor Werten wie Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung ein. Das kann meines Erachtens nicht als politische Aktion angesehen werden. Es gibt aber Feinde der Kirche - Leute, die nicht wollen, dass sich etwas ändert. Wahrscheinlich meinen sie, ihre Interessen würden von den Standpunkten der Kirche bedroht. Aber wir werden weiterhin alle auffordern, die Priester freizulassen, damit sie ihre seelsorgerische Arbeit fortführen können.

Sie haben die Mediation zwischen Regierung und Opposition Ende 2016 geleitet. Nun fordern manche einen neuen Dialog. Welche Rolle würde die Katholische Kirche dabei spielen?

Die Bischofskonferenz CENCO hat den Dialog immer als Königsweg definiert, um den Konfliktparteien zu helfen, Lösungen zu finden. Wir erwarten, dass die Bedingungen umgesetzt werden, die im Abkommen vom Silvester 2016 festgelegt sind. Wenn das nicht geschieht, kann aus Sicht der CENCO kein neuer Dialog stattfinden.

Was haben sie mit Präsident Joseph Kabila besprochen, als Sie ihn Anfang Juli 2017 in Kisangani trafen?

In meinem Amt, als Erzbischof von Kisangani, bin ich wohl eine moralische Autorität, die jederzeit zu konsultieren ist. Da ich auch Vorsitzender der nationalen Bischofskonferenz bin, haben wir über nationale Politik diskutiert. Es ging z.B. um ein Bildungsprogramm über staatsbürgerliche Rechte und Pflichten im Rahmen von Demonstrationen. Details werde ich erst mit anderen Bischöfen erörtern.

Haben Sie noch Vertrauen in Joseph Kabila?

Wir müssen immer Vertrauen in den Menschen haben, der nach Gottes Bild geschaffen ist und sich ändern kann.

Sie sagen, die politische Klasse in der DR Kongo sei geschwächt. Was bedeutet das?

Die politische Klasse hat jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Aber Politikerinnen und Politiker können sich ändern. Wenn wir Staatsbürger über die Wahlen informieren, so gilt das für normale Bürger und für die politische Klasse. Wir sind entschlossen, an deren Einstellungsänderung mitzuwirken. Denn Politiker haben die Aufgabe, für das Wohlergehen des kongolesischen Volkes zu sorgen. Da ist eigentlich die Basis unserer Gesellschaft.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
46. Jahrgang, Nr. 6, November/Dezember 2017, S. 25
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2018

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