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ITALIEN/024: Monti soll's richten (Gerhard Feldbauer)


Monti soll's richten

Italiens Rechte ohne glaubhafte Führerpersönlichkeit

von Gerhard Feldbauer, 4. Oktober 2012



Die Wahrscheinlichkeit eines Sieges der von der Demokratischen Partei angekündigten Neuauflage eines Mitte-Links-Bündnisses zu den Parlamentswahlen im April 2013 löst in Italien hektische Reaktionen der Rechten aus. Auf einem sogenannten Konvent "Mille per l'Italia" versuchten sie am vergangenen Sonntag im Toskanischen Arezzo eine Gegenallianz zusammenzuzimmern. Die "Versammlung der Tausend" eröffnete der frühere Führer der AN-Faschisten und derzeitige Parlamentspräsident Gianfranco Fini. Bis 2010 treuer Parteigänger Silvio Berlusconis formierte er aus den Reihen seiner alten Gefolgschaft eine neue Partei Zukunft und Freiheit. Er schlug vor, "eine große nationale Bürgerliste" gegen Links zu formieren. Der Chef der Union Demokratischer Christen, Pierferdinando Casini, der mit seiner Partei ebenfalls lange Jahre der rechtsextremen Regierung Berlusconi angehörte, schloss sich, wie Medienberichte hervorhoben, "enthusiastisch" an.

Das Treffen verdeutlichte das gegenwärtige Hauptproblem der Rechten, das Fehlen einer glaubhaften Führerpersönlichkeit. Alle hatten sie seit 1994 den faschistoiden Kurs dreier Regierungen des Mediendiktators mitgemacht und meist erst in letzter Minute das sinkende Schiff verlassen. So sehen sie den einzigen Ausweg darin, den nach dem Fall Berlusconis im November 2011 als Übergangs-Premier eines Technikerkabinetts berufenen Wirtschaftsmanager Mario Monti auf ihre Kandidatenliste zu hieven. Der frühere EU-Kommissar hat zwar der wüsten antikommunistischen Hetze Berlusconis Einhalt geboten, aber den von Berlin über Brüssel verordneten Sparkurs in "Reformen" verpackt ohne nennenswerte Abstriche fortgesetzt. Bis 2014 will er weitere 26 Mrd. Euro vor allem bei Sozialleistungen einsparen. Gerade hat er im öffentlichen Dienst die Streichung von 20 Prozent aller Stellen, das sind 24.000 Arbeitsplätze, angekündigt. Ferrari-Chef Cordero di Montezemolo vom größten privaten Industriekonzern Fiat und Agnelli-Erbe, Gründer eines Thinktanks, der auch zur Diskussion stand, lehnte ab, erklärte aber, eine Kandidatur Montis zu unterstützen.


Mitte Links lehnt Monti entschieden ab

Der abgehalfterte Berlusconi hat den Gedanken einer eigenen Kandidatur noch nicht aufgegeben und versucht krampfhaft in der Öffentlichkeit wieder Fuß zu fassen. Gerade ist er mit 400 seiner zusammengeschrumpften Fan-Schar auf dem Luxusliner "Divina" zu einer Publicity-Tour durch das Mittelmeer geschippert. Derweil läuft der Ruby-Prozess gegen ihn, in dem er angeklagt ist, mit einer damals 17jährigen Sex gehabt, damit die Prostitution Minderjähriger gefördert und dann auch noch Amtsmissbrauch begangen zu haben (er ordnete die Freilassung der später von der Polizei Festgenommenen mit der Begründung an, sie sei eine Nichte des damaligen ägyptischen Staatspräsidenten Mubarak). Der Nachfolger an der Spitze seiner Volksfreiheitspartei (PdL), Angelino Alfano, sprach sich ebenfalls für eine Unterstützung Montis als eine "neue und saubere Kandidatur" aus und gab damit zu verstehen, dass in diesem Fall eine Bewerbung Berlusconis ausgeschlossen werden könnte. DP-Chef Pierluigi Bersani lehnte kategorisch "ein Monti nach Monti" ab und verwies darauf, dass die Zustimmung seiner Partei zu Montis Berufung an die Bedingung eines Übergangspremiers geknüpft war. Der Vorsitzende der Linkspartei Umwelt und Freiheit, Nicola Vendola, Hauptverbündeter Bersanis in der Mitte-Links-Koalition, stellte klar, "Ich bin gegen den derzeitigen Monti und erst recht gegen eine Verlängerung Montis".


Monti manövriert

Während Monti noch in der vergangenen Woche erklärt hatte, er würde, sollten "besondere Umstände" eintreten, ein zweites Mal zur Verfügung stehen, um dem Land zu helfen, ruderte er am Montag gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur ANSA mit dem verschwommenen Statement zurück: "Wir werden die Regierung in den kommendem Monaten anderen überlassen". Die "Repubblica", Sprachrohr der DP, nannte das nichts als "ein großes Manöver". Auch Beobachter in Rom sehen das als zur Beruhigung der aufgebrachten Öffentlichkeit angeführt.

Für den Fall, dass es im April 2013 nicht zu einem klaren Wahlausgang kommt, gibt es in Rom, wie in Berlin, bereits Stimmen, die es am besten sähen, wenn eine große Koalition zustande käme. Vendola hat hier jedoch bereits deutlich gemacht, dass seine Linkspartei dabei nicht mitmachen werde. Bersani wies solche Pläne nicht grundsätzlich zurück, erklärte aber, ein Regieren mit der PdL Berlusconis komme auf keinen Fall in Frage.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2012