Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ITALIEN/023: Italiens Demokratische Partei will linkes Profil zurückgewinnen (Gerhard Feldbauer)


Italiens Demokratische Partei will linkes Profil zurückgewinnen

Parteichef Bersani verkündet neue Centro Sinistra

Von Gerhard Feldbauer, 31. August 2012



Als die aus der einstigen IKP hervorgegangenen Linksdemokraten sich 1987 mit der Zentrumspartei Margherita zur Demokratischen Partei vereinigten, wollten sie den linken Geruch loswerden. Alles, was noch an sozialistische oder auch nur sozialdemokratische Traditionen und an ein Zusammengehen mit linken Bewegungen erinnerte, wurde über Bord geworfen, zum Vorbild die Demokraten der USA gekürt. Der populäre Bündnisbegriff Linke Mitte wurde aus dem Wortschatz gestrichen und durch "Union" ersetzt. Ziel war, die bürgerliche Mitte zu besetzen, 2008 die Parlamentswahlen zu gewinnen und führende Regierungspartei zu werden. Der Versuch scheiterte. Während die extreme Rechte auf fast 46 Prozent kam, reichte es bei der DP nur zu 34 Prozent. Viele Wähler der Linksdemokraten hatten sich von der DP abgewendet. Die von der DP von einem Wahlbündnis ausgeschlossene Regenbogenlinke (Arcobaleno) kam mit 3,2 Prozent nicht über die Sperrklausel von vier Prozent.


Absage an Wahlbündnis mit rechter UDC

Zu den im Frühjahr 2013 anstehenden Parlamentswahlen will DP-Chef Luigi Bersani jetzt den Kurs ändern und zur traditionellen Strategie der Centrosinistra (Mitte Links) zurückkehren. Maßgeblich dafür dürften der geradezu überwältigende Erfolg der Mitte Links-Parteien bei den Bürgermeisterwahlen im April/Mai dieses Jahres aber auch die Forderungen der noch immer starken linken Parteibasis gewesen sein. Dem bisherigen Buhlen um eine Wahlkoalition mit dem Chef der rechten UDC (Union Demokratischer Christen), Pierferdinando Casini, erteilte der DP-Chef nun eine Absage. Stattdessen schlug er der 2009 von früheren Kommunisten gebildeten Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) des populären Ministerpräsidenten einer Mitte Links-Regierung in Apulien, Nicola (Nichi) Vendola, ein Wahlbündnis vor. Um dem Kurswechsel die nötige Publizität zu verschaffen, sprach er dazu am Wochenende auf dem Pressefest der Demokraten in Reggio Emilia.


Dafür mit Linkspartei Nichi Vendolas

"Zwischen Vendola e Casini wähle ich Nichi", zitierte die "Repubblica", Sprachrohr der DP, den Parteichef, der präzisierte: "Wir bilden eine Allianz mit den Parteien von Mitte Links", Casini " stelle keine Centrosinistra dar". Eine klare Abfuhr erhielt auch die italienische Piratenpartei Cinque Stelle (fünf Sterne), die Bersani als Parteigänger der Rechten charakterisierte. Obwohl eine Reaktion der Linkspartei noch aussteht, gilt es in Rom als sicher, dass Vendola nach dem Ausschluss der UDC jetzt zustimmen wird. Zumal ihm die "Repubblica" eine "zentrale Position" in der künftigen Koalition bescheinigt. Offen bleibt, ob es zu einigen Kandidaturen der Kommunistischen Neugründungspartei und der Partei der Kommunisten Italiens (PRC und PdCI) auf der Liste der DP kommen wird.


Neues Wahlgesetzt soll Kommunisten gefügig machen

Für einen Wahlsieg setzt Bersani außerdem auf die Modifizierung des Wahlgesetzes. Nach den (offiziell noch nicht vorliegenden Entwürfen) sollen der Siegerpartei (ersten Liste) ein Bonus von 15 Prozent der Mandate zugesprochen und gleichzeitig die Sperrklausel von bisher vier auf fünf Prozent erhöht werden. Das soll einen Wiedereinzug der Kommunisten im Alleingang verhindern und sie den Bedingungen der DP für eine evtl. Kandidatur auf ihrer Liste gefügig machen.

Für die Zeit nach einem Wahlsieg hat sich Bersani nicht festgelegt. Bei fehlender Regierungsmehrheit von Mitte Links will er Koalitionen mit der UDC und der Partei der Werte Italiens (IdV) des früheren Korruptionsermittlers Antonio di Pietro eingehen, die 2008 5,7 bzw. 4,3 Prozent schafften. Da er hier von "moderaten Kräften, von Kräften des Zentrums, aber auch von Kräften einer Zivilgesellschaft spricht", wird nicht ausgeschlossen, dass er auch die vom früheren Führer der AN-Faschisten, dem heutigen Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini, aus seiner früheren Gefolgschaft gegründete Partei Zukunft und Freiheit (FEL) spricht, die sich als "moderate und zivile" Kraft vorstellt. Ob dann die Linkspartei (SEL) und die Wertepartei (IdV) mitspielen werden, wird derzeit für fraglich gehalten.


Deutsche Kanzlerin mischt sich in Wahlkampf ein

Kaum zeichnet sich ein Mitte Links-Wahlsieg in Italien ab, meldete die deutsch-europäische Kanzlerin während des Besuchs des italienischen Regierungschefs Mario Monti in Berlin am Mittwoch mit "Vorbehalten" in den italienischen Wahlkampf ein: "Wir sind sehr beunruhigt, was nach den Wahlen in Italien geschehen könnte", zitiert die "Repubblica" Merkel, die für ein "Verbleiben des Professors" im Palazzo Chigi plädiere. Damit werden unverblümt in diese Richtung gehende Pläne der Rechten in Rom unterstützt, die den Übergangs-Premier zur Kandidatur bewegen wollen.

*

Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2012