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ASIEN/889: Myanmar - Von der Ikone zur Realpolitikerin, Aung Sung Suu Kyi vor schwierigem Wahlkampf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. April 2014

Myanmar: Von der Ikone zur Realpolitikerin - Aung Sung Suu Kyi steht vor schwierigem Wahlkampf

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Aung Sung Suu Kyis Vorgehen wird von der Öffentlichkeit genau verfolgt
Bild: © Amantha Perera/IPS

Rangun, 2. April (IPS) - Seit mehr als einem Vierteljahrhundert steht Uhla Min unter dem Bann von 'The Lady', wie die Friedensnobelpreisträgerin Aung Sung Suu Kyi in ihrer Heimat Myanmar im Volksmund heißt. Min unterstützt die Politikerin und ihre Nationale Liga für Demokratie (NLD), seitdem Suu Kyi in den späten 1980er Jahren eine Kampagne startete, um das südostasiatische Land von der Militärherrschaft zu befreien.

Inzwischen ist Min 75 Jahre alt und erinnert sich noch gut an Suu Kyis Rede in der berühmten Shwedagon-Pagode in Rangun und an seine Flucht vor den Soldaten, die Jagd auf Demonstranten machten. Wegen seines Engagements in der NLD verlor Min seine Arbeit bei der Regierung. Als Suu Kyi im Juli 1989 unter Hausarrest gestellt wurde, kam Min ins Gefängnis.

In den folgenden 25 Jahren trennten sich ihre Wege. Während Suu Kyi ihr Haus in Rangun nicht verlassen durfte, wurde Min mehrmals inhaftiert. Wie viele andere NLD-Aktivisten wurde er gefoltert.

"Das Gefängnis war ein unendlicher Horror. Wir wurden bis zur Bewusstlosigkeit verprügelt", erinnert sich der jetzige Vorsitzende des Organisationskomitees am NDL-Hauptsitz in Rangun. Wie viele andere Mithäftlinge, die einer düsteren Zukunft entgegensahen, fühlte sich Min nie von Suu Kyi verlassen.

Die 'Lady' hat auf viele Einwohner von Myanmar weiterhin eine große Anziehungskraft. Anfang März saß Zaw Linn Oo, Programmdirektor der unabhängigen Entwicklungsorganisation 'Sopyay Myanmar' völlig hingerissen in einer Hotellobby, wo Suu Kyi ihre neue Stiftung vorstellte.


Aura der Ehrlichkeit

Zehn Jahre lang hatte er sie nicht live sprechen hören. "Ich bin so aufgeregt", sagte Oo, nachdem er der Ikone der Demokratie zugehört hatte. Dabei hatte er nie unmittelbar mit der NDL zu tun. Er erinnert sich an große Parteitreffen 1998 und 2008. "Ich war zwar nie ein Vollzeit-Aktivist", bekannte er. "Doch ich weiß, dass sie als Einzige ehrlich mit uns ist."

Im NDL-Büro sitzt U Thein, eine junge Frau Ende 20, die sich seit zehn Jahren ehrenamtlich für die Partei engagiert. Damals war sie gerade mit der Schule fertig. Ihre Familie war gegen ihre Arbeit für die Opposition. "Sie war ihnen zu gefährlich. Das war sie auch. Leute wurden festgenommen und ins Gefängnis gesteckt, nur weil sie öffentlich ihren Namen ausgesprochen hatten."

U Thein fühlte sich von Suu Kyi angesprochen, weil sie es mit einer korrupten und brutalen Führung aufnahm, ohne selbst Gewalt anzuwenden. "Jedes Mal wenn ich ihr Bild sah oder ihre Stimme hörte, verspürte ich Frieden", sagt sie. Als sie sich der im Untergrund operierenden Partei von Suu Kyi anschloss, ließ sie frühere Pläne fallen, sich eine Stelle bei der Regierung zu suchen.

Das Bild der 'Lady', einer Verfechterin der Menschenrechte nach dem Vorbild von Mahatma Gandhi, wird nun aber in Frage gestellt durch das konkretere Bild der Politikerin Suu Kyi. Seit im November 2011 ihr Hausarrest aufgehoben wurde und Myanmar sich unter der Führung von Präsident Thein Sein nach außen öffnet, versucht Suu Kyi durch eine politische Kampagne, das Land von der durch die Armee unterstützte Regierung zu befreien. Die nächsten Wahlen 2015 werden daher eine Herausforderung sein.

Suu Kyi musste in die Welt der Realpolitik eintauchen. "Es gibt keinen anderen Parteiführer mit ihrem Charisma, niemanden mit ihrem Einfluss", meint ein westlicher Diplomat. "Jetzt aber, wo sie sich mit der Straße gemein macht, wird das Bild der unbefleckten Demokratie-Ikone angreifbar."

Suu Kyi wird dafür kritisiert, dass sie nicht härter gegen die rassistisch motivierte Gewalt in Myanmar vorgeht. Andererseits sagen mehrere ihrer Parteigenossen, die jahrelange Isolation habe sie kompromisslos gemacht. Außerdem könnte es ihr aus Verfassungsgründen verwehrt werden, an die Spitze des Staates zu rücken.


Verfassungshürden

Artikel 59 der Verfassung von 2008 besagt, dass niemand die Präsidentschaft übernehmen darf, dessen Ehepartner oder dessen Kinder nicht die Staatsbürgerschaft von Myanmar besitzen. Diese Hürde kann Suu Kyi nicht überwinden. Ihr 1999 verstorbener Mann, der Historiker Michael Aris, war Brite. Das Paar hat zwei Söhne.

Suu Kyi fordert bisher vergeblich eine Verfassungsänderung. Ob sie im kommenden Wahlkampf aufs Ganze gehen will, lässt sie aber offen. "Ein Politiker denkt an die nächsten Wahlen, ein Staatsmann an die nächste Generation", sagte sie bei der Vorstellung ihrer Stiftung. "Wir müssen alle daran denken, dass die Wahlen 2015 nur ein Sprungbrett sind. Das Land steht noch vor einer langen Reise."

Min hat keine Zweifel daran, dass Suu Kyi nach einem Wahlsieg große Schwierigkeiten zu meistern hätte. "Dieses Land, das seit 50 Jahren vom Militär beherrscht wird, ist gespalten. Sie kann das alles nicht über Nacht richten." (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/03/ladys-spell-challenged/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2014