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ASIEN/860: Philippinen - Volksaufmärsche gegen Veruntreuung staatlicher Gelder (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2013

Philippinen: Volksaufmärsche gegen Veruntreuung staatlicher Gelder - Präsident verstärkt Korruptionsbekämpfung

von Richard Heydarian



Manila, 4. Oktober (IPS) - Unter dem Reformkurs des philippinischen Staatspräsidenten Benigno Aquino III., der Initiativen zugunsten einer guten Regierungsführung in den Mittelpunkt seiner Amtsgeschäfte gerückt hat, erlebt die Bevölkerung des südsostasiatischen Landes Wirtschaftswachstum und politische Stabilität.

Aqino greift auch entschieden gegen die systemische Korruption in den höchsten Regierungspositionen durch. Hohe Beamte wurden ihrer Ämter enthoben, was das Vertrauen der Menschen in die staatlichen Institutionen zum Teil wiederhergestellt hat.

Die Philippinen haben sich vom Aschenputtel Asiens zum ökonomischen Vorzeigeland entwickelt. So ist die Wirtschaft im ersten Quartal des laufenden Jahres um 7,8 Prozent gestiegen. Auch die Zukunft sieht rosig aus. Erwartet wird ein durchschnittliches Wachstum von jährlich sechs Prozent.

Dennoch leidet die Mehrheit der Bevölkerung unter Armut und gravierender Ungleichheit. Sie gelten als die Faktoren für die systemische Korruption und Vetternwirtschaft im Land. Den jüngsten Zahlen zufolge kontrollieren die 40 reichsten Familien der Philippinen bis zu 76 Prozent der Wirtschaft. Nirgendwo sonst in Asien ist die Konzentrationsrate des Reichtums höher. Dies wirkt sich auch auf die politische Machtverteilung aus. So dominieren 178 politische Dynastien traditionell 73 der insgesamt 80 philippinischen Provinzen.

Seit einigen Monaten regt sich Zweifel an der Fähigkeit der Aquino-Regierung, der systematischen Korruption Herr zu werden. Im Juli hatten mehrere Whistleblower mit ihren Enthüllungen über einen 220 Millionen Dollar schweren Korruptionsskandal, der von den Medien als "Mutter aller Betrügereien" bezeichnet wurde, die Öffentlichkeit schockiert.


Entwicklungsfonds geplündert

Den bisherigen Untersuchungen zufolge haben sich Dutzende Abgeordnete zur Durchführung von Scheinprojekten mit angeblichen Nichtregierungsorganisationen zusammengetan, um den Prioritäten-Entwicklungshilfefonds (PDAF) zu plündern.

Eigentlich waren die PDAF-Gelder für ländliche und indigene Entwicklungsvorhaben bestimmt. Doch ein Großteil verschwand in den Taschen von Parlamentariern, die auf diese Weise einen unerhörten Reichtum und Einfluss anhäufen konnten.

"Trotz der Reformen, die wir umgesetzt haben, ist uns durch die Ereignisse in der letzten Woche klar geworden, dass viel mehr geschehen muss, um denjenigen das Handwerk zu legen, die das System rücksichtslos für ihre Zwecke missbrauchen", sagte Aquino inmitten zunehmender Proteste. "Es wird Zeit, den PDAF abzuschaffen."

Erbost über den Umfang und die Eindeutigkeit der Korruptionsvorwürfe waren am 26. August, dem Nationalen Tag der Helden, an die 75.000 Philippiner allein auf die Straßen der Hauptstadt Manila gezogen, um die unverzügliche strafrechtliche Verfolgung der korrupten Politiker und die Auflösung des PDAF zu fordern.

"Ärger und Zorn dominieren", meinte dazu Ito Rapadas, einer der Organisatoren der landesweiten Demonstrationen. "Wir Steuerzahler werden uns den Missbrauch nicht gefallen lassen."

"Präsident Aquino hat nun die Möglichkeit, seine Anti-Korruptionsreformen in Übereinstimmung mit den Wünschen der Bevölkerung fortzusetzen", meinte Ramon Casiple, ein führender philippinischer Experte für Fragen der Regierungsführung. "Sollte er dies tun und auch der Forderung nach einer Auflösung des PDAF nachkommen, könnte das System der Vetternwirtschaft auf den Philippinen endlich ausgerottet werden."

Obwohl Aquino den breiten Rückhalt der Bevölkerung genießt, ist ihm durchaus bewusst, dass ihn die Kundgebungen zum Handeln zwingen. Mit dem öffentlichen Druck im Rücken veranlasste er bereits die Überprüfung einer Reihe von Mechanismen zur Vergabe von Regierungsgeldern. Außerdem versprach er, die korrupten Regierungsvertreter vor Gericht zu bringen.

Aquino hat ferner einen behördenübergreifenden Rat zur Koordinierung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption eingesetzt, der Beweismittel zusammentragen und Klage gegen die mutmaßlichen PDAF-Plünderer führen soll. Der philippinische Senat kontrolliert zudem eine Kommission, die Zeugenaussagen von Regierungsvertretern und Whistleblowern zusammenstellt.


Ursachen der Korruption bekämpfen

Doch die meisten Experten sind sich über die Notwendigkeit einig, die auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich zu schließen, um der Korruption Herr zu werden. In Ermangelung sicherer und gut bezahlter Jobs für die Mehrheit der arbeitsfähigen Bevölkerung lassen sich viele Philippiner von Politikern kaufen und versuchen, sich dadurch deren Gunst zu sichern. Dies hat eine Kultur verderblicher Abhängigkeiten geschaffen.

Trotz des fortgesetzten Wirtschaftswachstums sind Billig-Dienstleistungen und ein durch die Auslandsüberweisungen der Emigranten beflügelter Konsum die eigentlichen Wachstumsmotoren. Aufgrund einer wenig diversifizierten Wirtschaft ist es jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Philippiner vom jüngsten Boom profitieren wird.

Auch wenn die jüngsten Enthüllungen eine Fülle von Beweisen und Zeugenaussagen nach sich gezogen haben, die eine Verurteilung einflussreicher Politiker einschließlich dreier möglicher Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen 2016 wahrscheinlich machen, ist damit die Wurzel des Übels noch lange nicht beseitigt. Wichtig sei es nach Ansicht von politischen Beobachtern, für mehr Gleichheit zu sorgen und den Kreislauf aus Armut und Abhängigkeit zu durchbrechen, der der Korruption Tür und Tore öffne. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://business.inquirer.net/110413/philippines-elite-swallow-countrys-new-wealth
http://www.ipsnews.net/2013/10/people-pressure-piles-up-to-cleanse-the-philippines/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2013