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ASIEN/847: Malaysia - Enttäuschte Jugend, Demonstrationen gegen den Frust über Wahlausgang (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Juni 2013

Malaysia: Enttäuschte Jugend - Demonstrationen gegen den Frust über Wahlausgang

von Baradan Kuppusamy



Kuala Lumpur, 10. Juni (IPS) - Sie hatten für 'ubah' gestimmt, für den politischen Wandel. Doch bekommen haben Malaysias Jungwähler eine politische Führung, der sie längst überdrüssig sind. Ihre Enttäuschung über die weitere Amtszeit der seit 56 Jahren regierenden 13-Parteien-Koalition 'Barisan Nasional' (BN) kompensieren viele von ihnen durch die Teilnahme an Demonstrationen, zu der Oppositionsführer Anwar Ibrahim aufruft.

"Ich bin zutiefst enttäuscht", kommentiert Alex Lee, ein 24-jähriger Student an der privaten Universität 'Tunku Abdul Rahman' (UTAR) in der Hauptstadt Kuala Lumpur, den Ausgang der Wahlen vom 5. Mai. Verwaltet wird diese Ausbildungsinstitution von der Vereinigung der malaysischen Chinesen, eine der wichtigsten Parteien in der BN.

"Wir dachten, die Macht des Volkes werde den Wandel bringen. Stattdessen sehen wir, dass dieselbe Regierung wie bisher weitermacht", kritisiert der Student, der nebenbei in einem Restaurant jobbt. Lee steht stellvertretend für zahlreiche Jungwähler des südostasiatischen Landes, die mit einem Anteil von 60 Prozent an den rund 13,5 Millionen Stimmberechtigten des Landes vergeblich auf den Sieg des Drei-Parteien-Bündnisses 'Pakatan Rakyat' (PR) gehofft hatten.

Doch inzwischen hat die BN die Regierung gebildet, nachdem sie 133 der insgesamt 222 Sitze im Parlament gewonnen hatte. Allerdings war das Wahlergebnis das schlechteste in ihrer Geschichte.

Obwohl die PR mehr als 50 Prozent der Mandate auf nationaler Ebene errungen hat, bleibt sie aufgrund des in Malaysia geltenden Wahlsystems in der Opposition. BN konnte seine Vorrangstellung aufgrund der Unterstützung der Wähler in den ländlichen Regionen behaupten. Oppositionsführer Anwar Ibrahim wirft der Regierungskoalition Stimmenklau vor und ruft zu Kundgebungen im ganzen Land auf, die junge Menschen in großen Scharen anziehen. An den Demonstrationen nehmen im Durchschnitt jeweils mehr als 50.000 Menschen teil.


Hohe Lebenshaltungskosten belasten Bevölkerung

"Ich hatte mich so sehr beeilt, um mich mit anderen Kommilitonen als Erstwähler registrieren zu lassen", berichtet Lee. "Wir alle haben die Pakatan Rakyat unterstützt. Doch dann ist alles beim alten geblieben. Die Studiengebühren und Lebenshaltungskosten sind hoch." Der Student hatte kürzlich zusammen mit etwa 70.000 mehrheitlich jungen Menschen in der nahegelegenen Stadt Petaling Jaya an einer Protestkundgebung teilgenommen.

In Malaysia gibt es zwar Vollbeschäftigung, und auch viele Arbeitsmigranten finden eine Beschäftigung. Zumeist handelt es jedoch um Jobs im Niedriglohnsektor. Transportkosten, Miete und andere Ausgaben schlucken einen Großteil des Durchschnittsverdienstes von umgerechnet etwa 970 US-Dollar. Junge Leute, die die Ausbildung abgeschlossen haben, müssen hart arbeiten, um über die Runden zu kommen. So fielen die Wahlversprechen des PR-Bündnisses, das freie Bildung, ein effizientes öffentliches Transportsystem und niedrigere Spritpreise in Aussicht stellte, gerade bei den Jüngeren auf fruchtbaren Boden.

Margaret Lam ist inzwischen ernüchtert. "Dies ist ein Land für die Reichen", erklärt sie und bezieht sich dabei auf die verbreitete Korruption. Günstlinge der Regierung erhalten beispielsweise Sondergenehmigungen, um Luxusautos zu vergünstigten Zollsätzen einzuführen. Ansonsten werden auf Importfahrzeuge hohe Abgaben fällig. Die Regierung rechtfertigt die Regelung mit der Notwendigkeit, die einheimische Autoindustrie zu schützen. Der erste malaysische Automobilhersteller 'Proton' wird seit Langem vom Staat unterstützt.

Die PR hatte für den Fall ihrs Wahlsieges eine Senkung der Importzölle für ausländische Kraftfahrtzeuge angekündigt. Proton wäre damit gezwungen gewesen, wettbewerbsfähiger zu werden, statt sich wie bisher auf die Protektion durch die Regierung verlassen zu können. Experten zufolge sind die geltenden Bestimmungen der breiten Bevölkerung Malaysias in den vergangenen 30 Jahren teuer zu stehen gekommen.


Diskriminierung der Minderheiten

Viele Bürger werfen der BN zudem vor, indisch- und chinesischstämmige Einwohner zu diskriminieren. Diese Ungleichbehandlung müsse endlich ein Ende haben, meint Alan Rajasooriya, der vor kurzem an einer Demonstration in Seremban, etwa 60 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, teilgenommen hat. Die Einheimischen, die so genannten 'bumiputras' ('Söhne der Erde') werden bei Geschäftsabschlüssen und staatlichen Ausschreibungen begünstigt.

Wie viele andere junge Städter stimmt auch Rajasooriya mit den Anschuldigungen von Ibrahim überein, denen zufolge die Wahlkommission bangladeschischen Gastarbeitern nur deshalb das Wahlrecht gegeben hat, um der Regierung zusätzliche Stimmen zu sichern. Die Kommission streitet dies jedoch entschieden ab.

Als Geste der Versöhnung hat die neue Regierung von Ministerpräsident Najib Razak unterdessen angeboten, die Wahlkommission unter parlamentarische Aufsicht zu stellen. Doch weder Anwar Ibrahim noch die jungen Leute lassen sich dadurch beruhigen. "All meine Verwandten, Freunde und Bekannten hatten mir versichert, dass wir mit unseren Stimmen einen Regierungswechsel bewirken können", sagt die junge Demonstrantin Samantha Yow. "Doch obwohl wir für PR gestimmt haben, ist nichts passiert." Sie und ihre Altersgenossen sehen jetzt die Kundgebungen als einzige Möglichkeit, ihrem Unmut Luft zu machen.

In den ländlichen Regionen haben die Wähler hingegen der Barisan Nasional die Treue gehalten. Politischen Beobachtern zufolge beziehen die Dorfbewohner, die etwa 30 Prozent der Bevölkerung stellen, ihre Informationen vor allem aus den staatlichen Medien. In ganz Malaysia haben 60 Prozent der Einwohner Zugang zum Internet. An den jungen Leuten im Hinterland ist die digitale Revolution bisher offensichtlich vorbeigegangen. (Ende/IPS/ck/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/06/a-hope-that-didnt-sail-for-malaysian-youth/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2013