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ASIEN/708: China - Sklaverei, Die dunkle Seite des Wirtschaftswachstums (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Januar 2011

China: Sklaverei - Die dunkle Seite des Wirtschaftswachstums

Von Mitch Moxley


Peking, 14. Januar (IPS) - In der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas wurde im letzten Monat eine Gruppe geistig behinderter Menschen befreit. Die Betreiber eines Obdachlosenheimes hatten sie an eine Fabrik als Arbeitskräfte verkauft. Ihr Schicksal wirft ein Schlaglicht auf die dunkle Seite des chinesischen Wirtschaftswachstums: die Sklaverei.

Festgenommen wurde Li Xinglin, der Chef der Fabrik, die in der autonomen uigurischen Region Xinjiang Baumaterialien herstellt. Nach Angaben der chinesischen Nachrichtenagentur 'Xinhua' hatte er vergeblich versucht, sich seiner Verhaftung zu entziehen, nachdem die Staatsmedien auf den Fall aufmerksam geworden waren.

Berichten zufolge sind mindestens zwölf Personen, unter ihnen acht geistig Behinderte, an die Fabrik verkauft worden. Die Opfer mussten ohne Bezahlung, ohne Schutzkleidung und in den kalten Wintermonaten arbeiten, in denen andere Fabriken ihre Tore schließen. Darüber hinaus erhielten sie die gleiche Nahrung wie der Hund des Fabrikeigentümers. Einige von ihnen lebten bereits vier Jahre lang unter diesen menschenunwürdigen Bedingungen.

Li Xinglins Sohn Li Chenglong konnte ebenfalls gefasst werden. Er wurde in Chengdu festgenommen, der Hauptstadt der südwestlichen Provinz Sichuan, wohin er mit zwölf weiteren geistig behinderten Arbeitern geflohen war.

Im Januar gingen den Fahndern Zeng Lingquan und seine Frau ins Netz, die das Obdachlosenasyl im Sichuan-Landkreis Quxian geführt und die geistig behinderten Menschen an die Fabrik verkauft hatten. Zeitungsberichten zufolge sollen sie seit 1993 in den Menschenhandel verstrickt sein. Etliche Staatsbedienstete wurden wegen unterlassener Sorgfaltspflicht entlassen.


Ausbeutung von Kindern und Behinderten

Berichte über Formen der modernen Sklaverei sorgen immer wieder für Schlagzeilen in einem Land, das im letzten Jahr Japan von der Position der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt auf den dritten Platz verwies. Während sich die Arbeitsbedingungen und Löhne generell verbessert haben, bleibt die Ausbeutung von Kindern und geistig Behinderten ein Problem.

Im Mai 2009 verhaftete die Polizei in der südöstlichen Provinz Anhui zehn Männer, die mehr als 30 geistig behinderte Menschen in Ziegelbrennereien schuften ließen. 2007 wurden hunderte Menschen - darunter viele Kinder und geistig Behinderte - aus etlichen Ziegelbrennereien im Norden Chinas aus der Gefangenschaft erlöst.

Nach Angaben der Chinesischen Vereinigung geistig behinderter Menschen sind solche Delikte seit 2007 bekannt. Eine Tageszeitung berichtete von 20 Fällen, in denen geistig behinderte Arbeiter die Fronarbeit mit ihrem Leben bezahlten. Wie Meng Weina vom Huiling-Gemeindeservice für Menschen mit Lernschwächen berichtet, sind geistig behinderte Menschen in China besonders gefährdet. "Wir haben so viele Missbrauchsfälle gesehen."


Mangel an sozialen Sicherungsnetzen

Im Reich der Mitte, wo soziale Sicherungsnetze fehlen, sind es die Familien, die sich um geistig behinderte Angehörige kümmern. Sterben etwa die Eltern eines behinderten Kindes, bleibt es allein zurück. In den ländlichen Gegenden, wo 70 Prozent aller geistig behinderten Menschen leben, gibt es so gut wie keine Organisationen, die sich der Behinderten annehmen.

Liu Kaiming, Experte für Arbeitsrecht, macht auch inadäquate Gesetze und die verbreitete Straflosigkeit für Beamte, die ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, für das Problem verantwortlich. Den Lokalregierungen wirft er vor, nicht genug zu tun, um die geistig behinderten Arbeiter zu schützen.

Im vergangenen November hatte Luis CdeBaca, Berater des US-amerikanischen Außenamts, bei einem Besuch in Peking erklärt, dass China seine Anstrengungen im Kampf gegen die moderne Sklaverei erhöhen und Zwangsarbeiter und Opfer von Menschenhändlern besser unterstützen müsse. Die Regierung allein werde das Problem kaum lösen können, betonte er gegenüber der Tageszeitung 'China Daily' und empfahl Peking die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2011