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ASIEN/1001: Vietnams Parlamentspräsident Dinh Hue zu Gesprächen in Europa (Gerhard Feldbauer)


Vietnams Präsident der Nationalversammlung Vuong Dinh Hue auf Konferenz der Interparlamentarischen Union in Wien und zu Besuch beim EU-Parlament

von Gerhard Feldbauer, 9. September 2021


Der Präsident der Nationalversammlung Vietnams, Mitglied des Politbüros der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV), Vuong Dinh Hue, hat am Donnerstag in Brüssel einen zweitägigen Arbeitsbesuch beim Europäischen Parlament und in Belgien beendet. Zuvor hatte er am 6./7. September in Wien an der fünften Weltkonferenz der Interparlamentarischen Union (IPU) teilgenommen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA).

In den Gesprächen mit EU-Parlamentspräsident David Sassoli, der zu dem Besuch eingeladen hatte, ging es um eine umfassende Intensivierung der Wirtschafts- und Handels-Zusammenarbeit zur Umsetzung des 2019 geschlossenen EU-Vietnam Free Trade Agreement (EVFTA), das nach seiner Ratifizierung in Brüssel am 1. August 2020 in Kraft trat. Dieselben Themen, darunter Covid 19, standen auch im Mittelpunkt der Gespräche, die der Gast mit dem Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel und dem Vorsitzenden der Internationalen Handelskommission Bernd Lange führte. Dinh Hue hob hervor, dass das gleichzeitig mit EVFTA geschlossene Investitionsschutzabkommen (EVIPA), das bisher aber erst von sechs Mitgliedstaaten ratifiziert worden ist, für die Umsetzung des Freihandelsabkommens eine wichtige Voraussetzung darstelle. David Sassoli würdigte die Schritte, die Vietnam in dieser Angelegenheit bereits unternommen hat.

Vietnam stand 2020 in der Gesamtliste der EU-Handelspartner an 15. Stelle, ist aber im Verband der Südostasiatischen Nationen (ASEAN) der größte. Seine Hauptausfuhren in die EU sind elektronische Produkte, Schuhe, Textilien und Bekleidung, Kaffee, Reis, Meeresfrüchte und Möbel. Hauptexporte der EU nach Vietnam sind Hightech-Produkte, darunter elektrische Maschinen und Ausrüstungen, Flugzeuge, Fahrzeuge und pharmazeutische Erzeugnisse. Mit Direktinvestitionen von 6,1 Mrd. EUR (2019) ist die EU einer der größten ausländischen Investoren in Vietnam. Beide Seiten wollen sowohl das Volumen als auch den Produktrahmen erweitern.

Dinh Hue traf auch mit Belgiens Präsidentin Eliane Tillieux und Premier Alexander De Croo zur Beratung über die Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation zusammen. Vietnam betrachtet Belgien bei einem bilateralen Handelsumsatz von 1,9 Milliarden US-Dollar in den ersten 7 Monaten 2021 als einen der wichtigsten Handelspartner, Belgien ist der sechstgrößte Exporteur auf dem vietnamesischen Markt. Auch hier drängte Dinh Hue auf eine baldige Ratifizierung von EVIPA als Grundlage, damit belgische Unternehmen in Bereichen wie Schifffahrt, Logistik, erneuerbarer Energien und Hightech-Landwirtschaft investieren können.

In Wien führte der vietnamesische Parlamentspräsident Gespräche mit IPU-Präsident Duarte Pacheco und dem Präsidenten des Österreichischen Nationalrats Wolfgang Sobotka. Der IPU-Präsident würdigte den aktiven Beitrag Vietnams bei der Verwirklichung des Planes zur "Förderung des Friedens, Wohlstands und Schutzes unseres Planeten" (Sustainable Development Goals, SDGs). Dinh Hue habe versichert, dass Vietnam weiter aktiv an den SDGs mitwirken und dazu entsprechende Gesetze verabschieden werde. Die Teilnahme an den IPU-Aktivitäten bezeichnete er als wesentlichen Bestandteil der multilateralen Parlamentsdiplomatie Vietnams, berichtete VNA. Dabei vertrete Vietnam seine Interessen bei Fragen von globaler Bedeutung und erhalte Zugang zu den Erfahrungen anderer Parlamente in der Welt, was zur Verbesserung seiner eigenen Kapazitäten beitrage. Die IPU sollte, wie der vietnamesische Parlamentspräsident in seiner Rede auf der Tagung vorschlug, ihre Rolle in aktuellen internationalen Angelegenheiten stärken und besonders ihre Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen vertiefen. Von Brüssel aus flog Dinh Hue nach Helsinki, womit er einer Einladung der Präsidentin des finnischen Parlaments Anu Vehviläinen folgte.

Hanoi kann die Reise, die vom Inhalt der Gespräche her weit über den parlamentarischen Rahmen hinausging, als vollen Erfolg verbuchen. Dinh Hue erwies sich, wie in Brüssel verlautete, als ein kompetenter Partner, der als früherer Finanzminister und Vizepremier bei den Verhandlungen über EVFTA und EVIPA die Feder geführt und dafür wichtige Standards in Vietnam realisiert hatte. Der Besuch gab Vietnam die Gelegenheit, Vorbehalte, wie sie nach dem jüngsten Besuch der US-Vizepräsidentin Kamala Harris in Hanoi aufgekommen waren, nämlich dass die USA bevorzugter Partner Vietnams seien, auszuräumen und seine vielseitige und unabhängige Außen- wie Wirtschaftspolitik zu demonstrieren.

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Quelle:
© 2021 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 14. September 2021

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