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AFRIKA/997: Simbabwes Zukunft heißt auch Citizen Journalism (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2011

Simbabwes Zukunft heißt auch Citizen Journalism

Interview mit Golden Maunganidze vom Masvingo Mirror


Fortschritte in der Presselandschaft Simbabwes gehen "mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte" voran, meinte Golden Maunganidze, Herausgeber des "Masvingo Mirror", in einem Interview mit Frank Gries, das wir in der letzten Ausgabe von "afrika süd" (S/6'2010) veröffentlicht haben. [Im Schattenblick zu finden unter: www.schattenblick.de -> Infopool -> Politik -> Ausland -> AFRIKA/966: Zur Situation der Presse in Simbabwe (afrika süd)]. Im hier abgedruckten zweiten Teil des Interviews äußert sich Maunganidze über die Bedeutung der Neuen Medien, über die Entwicklung von Citizen Journalism, der es den Leuten erlaubt, mit Beiträgen in Blogs, Facebook, Twitter oder über Handys am politischen Geschehen teilzunehmen, sowie über die Herausforderungen für die professionellen Journalisten, Printmedien und Online-Journalismus sinnvoll zu verbinden.


FRANK GRIES: Wie viele Medienhäuser gibt es in Simbabwe?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Zunächst gibt es die staatlichen Zeitungen von Zimpapers mit den Tageszeitungen The Herald aus Harare und den Chronicle aus Bulawayo. Dazu die Wochenzeitung Sunday Mail. Und jetzt gibt es neu H-Metro, ursprünglich für Harare konzipiert, aber nun auch in anderen Städten erhältlich. Sie erscheint täglich im Tabloidformat. Da geht es vornehmlich um Klatschgeschichten.

Dann haben wir mehrere unabhängige Zeitungen, die der Alpha Media Group gehören. Als erstes ist hier die neue Tageszeitung News Day zu nennen. Zu dieser Gruppe gehören auch der Standard und der Independent, die wöchentlich erscheinen.

Eine weitere Wochenzeitung ist die Financial Gazette, die zu einer anderen Gruppe gehört. All diese Zeitungen, erscheinen landesweit. Eine landesweite Monatszeitung ist der Worker, der sich hauptsächlich auf Arbeitsprobleme konzentriert. Dazu kommen mehrere Community Papers.

FRANK GRIES: Die Zeitungen erscheinen meistens in den Städten. Wie einflussreich sind die Printmedien, wenn die Masse der Bevölkerung auf dem Land lebt?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Nun, die Mehrheit der Bevölkerung auf dem Lande hat keinen täglichen - oftmals noch nicht einmal einen wöchentlichen - Zugang zu Zeitungen. Aber alles, was publiziert wird, verbreitet sich schließlich. Die Menschen reisen von der Stadt aufs Land, so dass von einem großen Einfluss auszugehen ist.

Viele Menschen auf dem Land hören Piratensender. Wir haben die "Voice of America" und wir haben "Kurzwelle Radio Afrika" aus Großbritannien. Und wir haben "Voice of Zimbabwe", der aus Südafrika sendet. Kommt man abends nach Hause, sieht man Leute zusammen ums Radio sitzen, diese Sender hörend. Meist senden sie eine Stunde am Abend. Diese Sender sind ebenfalls sehr einflussreich.

Zeitungen sind zwar überwiegend in den Städten erhältlich, aber die Nachrichten verbreiten sich. Manchmal wurde etwas in Harare veröffentlicht, das Papier kommt nach Masvingo und die Community Papers nehmen die Story auf, bringen die Nachricht in die kleineren Städte und Dörfer. Und wenn etwas in einer Zeitung gedruckt ist, glauben es die Menschen.

FRANK GRIES: Noch immer sind die nationalen Sender - TV und Radio - im Besitz der Regierung. Und scheinen noch immer die Zanu-PF zu unterstützen.

GOLDEN MAUNGANIDZE: Ich hörte, dass die MDC bereits über eine Invasion der Sender seitens der Zanu klagt. TV und Radio Jingles der Zanu werden gelegentlich ausgestrahlt. Ich habe auch von einigen Berichten darüber gehört. Aber vielleicht wird man aufgrund der Regierung der nationalen Einheit annehmen, dass niemand von den staatlichen Medien bevorzugt werden darf.

FRANK GRIES: Derzeit besteht auch in Simbabwe eine große Diskussion hinsichtlich kommunaler Radiostationen. Wie weit sind diese?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Nun, wir haben die Media List für das Südliche Afrika. Die Bezeichnung dort lautet MISA Zimbabwe. Dies ist eine NRO, die Medienentwicklung, Demokratie und Pressefreiheit im Südlichen Afrika fördert. Ich selbst bin der Sekretär für die Provinz Masvingo. Wir werben für kommunales Radio. In Masvingo ist bereits eine Radiostation auf der Warteliste, die Washira Community Radio Station.

Wir fuhren letztes Jahr z.B. auch nach Chiredzi, wo wir eine Mobilisierungskampagne durchgeführt haben. Wir diskutierten mit Chief Tsvovani und anderen Personen und organisierten ein Komitee. Momentan gibt es lediglich Komitees, aber wenn Lizenzen vergeben werden sollten, könnten diese einen Sender starten. In Chiredzi konnten wir auch die Shangani Community Radio Station etablieren. Derzeit sind dies jedoch nur Namen. In Bulawayo gibt es eine weitere Radiostation. Aber wie gesagt, im Augenblick ist noch keine wirklich auf Sendung. Wir können lediglich hoffen, dass, wenn Lizenzen vergeben werden, wir auch kommunale Radiosender haben werden. Ich fürchte allerdings, dass diese Stationen sich denselben Schwierigkeiten wie die Community Papers gegenüber sehen werden. Auch die Sender werden Werbung brauchen, sonst werden sie nicht überlebensfähig sein. Die Sender brauchen Technologie und Ausrüstung, deren Kosten sogar die der Zeitungen übersteigt. Ich glaube daher nicht, dass die Sender ohne einen größeren Sponsor überleben werden. Während wir also einige Sender auf der Warteliste haben, wage ich nicht vorherzusagen, ob diese wirklich die Übertragung aufnehmen werden, wenn Lizenzen vergeben werden sollten.


Neue Medien als Chance

FRANK GRIES: Welche Bedeutung kommt in einer solchen Situation den neuen Medien zu? Sie haben gerade einen Kurs für Mulitmedia und Online-Journalismus der InWEnt besucht. Wie sehen Sie das Potenzial für Online-Journalismus?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Es ist eine brillante Idee und Möglichkeit, insbesondere für Entwicklungsländer, die manchmal Defizite im Bereich Demokratie haben. Es ist Multimedia- und Online-Journalismus. Multimedia heißt für mich, verschiedene Techniken einzusetzen, um eine Information zu verbreiten. Blogs sind ein einfaches Beispiel: Alles, was zu tun ist, ist eine Information ins Internet zu setzen. Ich rede nicht über Videos oder Podcasts, speziell nicht in Orten wie Masvingo, wo die Verbindung oft sehr verbesserungswürdig ist. Ich rede davon, einfach eine Story zu publizieren. Oftmals haben wir gute Storys, die sehr wichtig für politische Entscheidungen wären. Diese passieren vielleicht weit abseits, wie z.B. in Chikombezi, und werden daher niemals wahrgenommen. Oder nur von wenigen, weil sie gedruckt sind. Aber wenn die Geschichte im Internet veröffentlicht ist, können sogar Menschen außerhalb Simbabwes sie lesen und anderen Leuten Links schicken. Dies ist wirklich etwas, was noch fehlt. Es ist sehr wichtig, mehr über Multimedia zu lernen.

Wir müssen auch über das Internet Bescheid wissen. Worum geht es? Wem gehört es? Was ist mit Privatsphäre und Sicherheit? Dies sind Fragen, die ein moderner Journalist stellen muss. Es ist wichtig, die Trends zu kennen und zu beurteilen. Jetzt haben wir eine wichtige Debatte darüber, ob die klassischen Printmedien aussterben werden. Wir haben Citizen Journalism: Jeder kann berichten, über sein Handy, über Twitter oder über Facebook. Dies sind wichtige Entwicklungen, die ein Journalist kennen und einsetzen und beurteilen können muss.

FRANK GRIES: Für die Mehrheit der Bevölkerung in Simbabwe ist ein Internetzugang im wahrsten Sinnes des Wortes noch weit entfernt - sowohl zeitlich als auch räumlich. Während also eine große Anzahl Personen außerhalb Simbabwes die Geschichte lesen könnten, wären nur wenige Personen im Lande dazu in der Lage. Wird dies nicht die Idee des Community Journalisms beeinflussen? Der Reporter wird eventuell mehr an die Leser in der Welt denken - aber nicht mehr an die lokale Bevölkerung.

GOLDEN MAUNGANIDZE: Es gibt verschiedene Modelle: Ein Verlag kann sich entscheiden, einen Artikel zu drucken oder Online zu stellen - oder beides gleichzeitig tun. Ich denke, dies ist eine wichtige Option, insbesondere für Simbabwe. Viele Simbabwer haben das Land verlassen und wollen wissen, was zu Hause passiert. Ich denke, auch diese Personen sind noch Mitglieder der lokalen Community. Wir haben also gewissermaßen eine Masvingo-Community außerhalb Masvingos, die lesen und verstehen möchte, was hier passiert. Sie sind versessen darauf, Nachrichten aus der Heimat zu bekommen.

Natürlich können sie den Herald lesen, wenn sie in Großbritannien sind, aber dann erfahren sie kaum etwas über den eigenen Heimatort, über die Menschen, die sie selbst kennen. Aber wenn sie vielleicht einen Blog über Jerera lesen können, dann werden sie vielleicht dranbleiben, um zu erfahren, was in Masvingo-Stadt passiert, was in Mucheke passiert. Ich möchte es so ausdrücken: Sie werden nach Hause gebracht.

Die landesweiten Zeitungen berichten über Politik, die Regierung, die Wirtschaft. Dies ist natürlich sehr wichtig, die Migranten müssen dies wissen. Aber sie möchten auch etwas über ihre Eltern, ihre Verwandten und Freunde erfahren, die sie verlassen haben. Die Entwicklung ihres Herkunftsortes ist ihnen sehr wichtig. Häufig finden sie bei ihrer Rückkehr eine völlig andere Welt vor.

Da die meisten nicht besonders viel verdienen, bleiben sie häufig mehrere Jahre fort - und leiden wirklich unter dem Fehlen von Informationen. Im Grunde verweigern wir ihnen diese Informationen, wenn wir nicht im Internet vertreten sind.

Ich denke, eine Online-Präsenz ist wirklich wichtig. Auch Politiker wären vielleicht vorsichtiger, wenn sie wissen, die Geschichte wurde in Australien gelesen. Sie würden anders reagieren, als wenn sie wüssten, der Artikel wird sowieso nur in Zvishavane und Beitbridge gelesen, aber nicht in Harare, Kariba oder Mutare. Wenn sie wissen, das letzte Mal, als sie nach - vielleicht Zaka-Distrikt - kamen und Jugendliche kommandierten, Leute zusammenzuschlagen und dies im Mirror veröffentlicht wurde und Menschen aus den USA, aus Europa und anderen Teilen der Welt haben auf den Artikel reagiert, dann dürften sie beim nächsten Auftritt in Zaka die Menschen dort wohl anders behandeln.

FRANK GRIES: Wie sieht es mit Qualitätskontrolle solcher Nachrichten aus. Auch Sie werden sich bestimmt noch beispielsweise an die ersten "Wahlergebnisse" 2008 erinnern, die via SMS von mehr oder weniger dubiosen Gruppen versendet wurden und einige Aufregung verursachten. Wie können Qualitätsstandards zum Beispiel im "Citizen Journalism" garantiert werden?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Nun, das Aufkommen der neuen Informationstechnologien auch in Afrika kann eine große Gefahr für den Journalismus bedeuten. Im Citizen Journalism kann jeder in einem Blog etwas publizieren. Andere Personen werden es vielleicht aufgreifen und als authentisch ansehen, da es ja im Internet veröffentlicht war, und dann selbst Artikel darüber schreiben.

Ich denke, Zeitungen mit Logos, mit Büros und mit professionellen Journalisten werden dagegen weiterhin eine verlässliche Quelle zur Verbreitung von Nachrichten sein.

Ansonsten kann man dies kaum kontrollieren, wie auch? Jeder im Mucheke Township mit Internetzugang kann seinen eigenen Blog starten und kennt sich vielleicht sogar sehr gut aus und kann Namen und Geschichten veröffentlichen. Da der Nachrichtenhunger immens ist, werden andere die Geschichte vielleicht aufgreifen und weiter publizieren. Wenn wir aber zum Beispiel den Masvingo Star und den Mirror mit eigenen Homepages haben, könnten diese Nachrichten dort überprüft werden - dann eben herausgegeben von professionellen Journalisten, die Angst hätten, Lügen zu verbreiten. Ich denke, dies wäre ein großer Schritt. Im Moment kann jeder die Situation ausnutzen - jemand aus Chiredzi kann Voice of America anrufen und eine Story angeben - und es gibt dann niemanden, um diese Geschichte zu überprüfen. Die Story wird dann veröffentlicht und die Menschen bekommen manchmal Lügen aufgetischt.

Dies ist nicht nur ein Problem für Simbabwe. In den meisten Entwicklungsländern herrscht diese Situation. Es kann sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, einen Bericht zu verifizieren, selbst wenn man möchte. Ist man nicht zufällig besser informiert als der Autor, dauert es lange, eine Story zu überprüfen.

Aber wenn wir Zeitungen mit Büros und Websites haben, werden die Leute, die Nachrichten per SMS aus zweifelhaften Quellen erhalten, sich wahrscheinlich fragen: Was sagt der Mirror zu dieser Nachricht? So lange wir aber nicht Online sind, haben diese Leute keine Option. Sie müssen den anderen Glauben schenken. Im Grunde wäre das Betrug an diesen Menschen.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2011, S. 28 - 30
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2011