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AFRIKA/919: Gambia - Todesstrafe für Drogen- und Menschenhändler, Gesetz kontrovers diskutiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Dezember 2010

Gambia: Todesstrafe für Drogen- und Menschenhändler - Gesetz kontrovers diskutiert

Von Saikou Jammeh


Banjul, 15. Dezember (IPS) - Gambia gehörte 1981 zu den ersten afrikanischen Ländern, die die Todesstrafe abschafften. Doch 14 Jahre später wurde sie von Staatspräsident Yahya Jammeh wieder eingeführt. Zunächst richtete sie sich gegen Mörder und Landesverräter, seit kurzem aber auch gegen Rauschgift- und Menschenhändler. Erwartet wird eine Lawine von Urteilen, die den Todeszellen einen unerhörten Zulauf bescheren.

Derzeit sitzen mindestens 20 Menschen in den Todestrakten der Landesgefängnisse ein. Zu den prominenten Fällen gehört der ehemalige Armeechef Lang Tombong Tamba, der im Juli wegen Hochverrat zum Tode verurteilt wurde. Sein Berufungsverfahren ist für diesen Monat anberaumt.

Seit der gambischen Unabhängigkeit im Jahre 1965 wurde die Kapitalstrafe nur ein einziges Mal vollstreckt: an Mustapha Danso wegen der Ermordung des Armeekommandanten Ekou Mahoney bei dem gescheiterten Putschversuch 1981.


Morde nehmen zu

Nach Ansicht von Baboucarr Ceesay, Redakteur der gambiaschen Tageszeitung 'The Daily News', sind staatlich verordnete Hinrichtungen als abschreckende Maßnahme gegen Morde gänzlich ungeeignet. "Tatsächlich nimmt die Zahl dieser Gewaltverbrechen erst in den letzten Jahren zu. Vor 1995 waren Morde eher selten", versicherte er. Zudem sei es zwischen 1981 und 1995 zu keinen Putschversuchen gekommen, in den letzten 15 Jahren hingegen zu vieren.

Die seit Oktober geltende Todesstrafe für Drogen- und Menschenhändler ist auch nach Ansicht von Musa Touray, einem ehemaligen Staatsbediensteten, überzogen. Sie sei eine viel zu schwere Strafe. Der Regierung empfahl er stattdessen, die Kontrollmechanismen zu verschärfen.

Das UN-Büro zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hat wiederholt darauf hingewiesen, dass sich Westafrika zunehmend zu einer Drehscheibe für Drogen aus Südamerika entwickelt. Die Rauschgiftmafia profitiere von der Armut der Bevölkerung und lückenreicher Küstenkontrollen. Im Juni hoben die Behörden ein Versteck mit zwei Tonnen Kokain aus. Der Wert der für Europa bestimmten Ware wurde von den Medien des Landes auf eine Milliarde US-Dollar geschätzt.

In Gambia müssen Personen, die im Besitz von mehr als 250 Gramm Kokain sind, mit der Todesstrafe rechnen. Das Gleiche gilt für Menschenhändler. Das organisierte Verbrechen zeige in Gambia immer häufiger sein hässliches Gesicht", erläuterte Generalstaatsanwalt und Justizminister Edward Anthony Gomez die Gründe für die Gesetzesreform. Die negativen Entwicklungen müssten im Keim erstickt werden.

"Sowohl die strategische Lage Gambias als Tor zur westlichen Welt als auch unsere liberale Einwanderungspolitik hat die Aufmerksamkeit skrupelloser Menschen geweckt, die unser Land als Transitroute für den Menschenschmuggel missbrauchen", fügte Gomez hinzu.


Gesetzreform verfassungswidrig

Doch die Ausweitung der Todesstrafe auf Drogen- und Menschenhandel hat Gegner auf den Plan gerufen. So kritisierte der Anwalt Assan Martins, die Abgeordneten hätten mit der Verabschiedung des Gesetzes ihre Befugnisse überschritten. Die Landesverfassung sieht die Todesstrafe ausschließlich für Verbrechen vor, die den Tod eines anderen Menschen zur Folge haben.

Der Oppositionsabgeordnete Babanding Daffeh von der Vereinigten Demokratischen Partei ließ Vorwürfe der Medien, das Gesetz nicht verhindert zu haben, zurück. Da die Regierungspartei die Mehrheit in der Nationalversammlung halte, hätten Gegenstimmen keine Chance. "Ich war gegen die Todesstrafe", betonte er. "Wenn wir den Drogen- und Menschenhandel unterbinden wollen, müssen wir Präventivmaßnahmen ergreifen und versuchen, die Kriminellen in die Gesellschaft zu reintegrieren."

Gambias Staatschef Jammeh hatte zu verschiedenen Anlässen seine Entschlossenheit demonstriert, dem Drogenhandel den Garaus zu machen. So erklärte er zum 16. Jahrestag seiner Präsidentschaft - er selbst hatte sich 1994 ebenfalls durch einen Putsch an die Macht katapultiert-, dass er Drogenschmugglern das Handwerk legen werde. "Ich würde lieber sterben, als solchen irregeleiteten Elementen erlauben, Gambia als Drogenzone zu nutzen", sagte er gegenüber der Presse und kündigte mehr finanzielle Mittel und Ausrüstungen für die staatliche Drogenbehörde an.

Angesichts der immensen Gewinne, die sich durch den Drogenhandel erzielen lassen, sind Rückschläge im Kampf gegen das organisierte Verbrechen programmiert. Davon zeugt auch die Verwicklung hoher Staatsbediensteter in die illegalen Geschäfte. So muss sich neben zwei ranghohen Militärs auch ein ehemaliger Chef der Drogenbehörde vor Gericht verantworten.

Die Erfahrungen, die Länder wie Thailand mit der Todesstrafe für Drogenhändler gemacht haben, konnten von der abschreckenden Wirkung der Todesstrafe kaum überzeugen. Da der Drogenhandel unvermindert weitergeht, erwägt die Regierung in Bangkok nun die Abschaffung der Kapitalstrafe. (Ende/IPS/kb/2010)


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2010