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AFRIKA/879: Malawi - Geplantes Rentengesetz stößt auf Protest (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Oktober 2010

Malawi:
Flucht in den Vorruhestand - Geplantes Rentengesetz stößt auf Protest

Von Lameck Masina


Blantyre, 20. Oktober (IPS) - Die Regierung des südostafrikanischen Staates Malawi will das Renteneintrittsalter erstmals verbindlich festlegen. Frauen sollen ab 55 und Männer ab 60 Jahren Anspruch auf Rente haben. Viele Arbeitnehmer beeilen sich nun, noch vor der erwarteten Verabschiedung des Gesetzes im November in den Vorruhestand zu gehen.

Arbeitsexperten kritisierten die Pläne. In Malawi, wo die durchschnittliche Lebenserwartung nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO lediglich bei 50 Jahren liegt, sei die anvisierte Altersgrenze viel zu hoch angesetzt, lauten ihre Einwände.

Sollte das Gesetz verabschiedet werden, läge die Lebenserwartung der Malawier somit unterhalb ihres Renteneintrittsalters. In den Industriestaaten verhält es sich genau andersrum. Dort ist die Lebenserwartung höher als das Rentenalter - und zwar nicht zu knapp: Die Deutschen beispielsweise gehen derzeit mit 63 in Rente, ihre Lebenserwartung liegt bei 80,1 Jahren.

Bislang ist es in Malawi so, dass Firmen mit ihren Beschäftigten eigene Verabredungen treffen. Die Arbeitnehmer zahlen in einen 'Pensionsfonds' ein, auf den sie jederzeit Zugriff haben. Sollte das Gesetz wie geplant in Kraft treten, kämen die Arbeitnehmer erst mit Erreichen des Rentenalters an ihre Rente heran. Auszahlungsausnahmen sind nur in Krankheitsfällen möglich oder wenn ein Bürger auswandert.

Der Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbandes MCTU, Luther Mambala, gibt zu bedenken, dass das Gesetz die meisten Malawier um die verdiente Rente bringen wird - weil sie das Renteneintrittsalter gar nicht erleben. "Wenn die Leute bis 60 warten müssen, ist das Betrug", sagte er.

Wie Mambala kritisierte, orientiert sich das Gesetz an den Regelungen in Industriestaaten, wo die Lebenserwartung höher ist. Die spezifischen Umstände in Malawi würden dagegen nicht berücksichtigt. Der Gewerkschaftsführer forderte daher, das Renteneintrittsalter höchstens auf 40 Jahre für Frauen und 45 Jahre für Männer zu fixieren.


Regierung zu Nachbesserungen aufgefordert

MCTU hat bereits landesweite Kampagnen durchgeführt, um die Bevölkerung über das umstrittene Gesetz aufzuklären. Arbeitnehmer forderten daraufhin die Regierung auf, den Entwurf zu überarbeiten. Sollten ihre Bedenken nicht ernst genommen werden, will die Gewerkschaft zu Streiks aufrufen.

Auch Billy Banda, der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation 'Malawi Watch', sieht die Arbeitnehmer ihrer Rechte beraubt. "Das Gesetz widerspricht dem eigentlichen Zweck der Rente", betonte er.

Aus Angst vor einer ungewissen Zukunft haben zahlreiche Beschäftigte inzwischen gekündigt, um mit ihren bereits erworbenen Ansprüchen in Rente zu gehen. Auch der 30-jährige Journalist Patrick Lunda, der für den Medienverlag 'Blantyre Newspapers Limited' arbeitet, hat sich lieber gleich aus dem Arbeitsleben zurückgezogen. "Ich wüsste nicht, warum ich noch 30 Jahre auf meine Rente warten sollte", erklärte Lunda, der ohnehin fürchtet, das geplante Renteneintrittsalter gar nicht zu erreichen.

Auch die 45-jährige Sekretärin Mercy Muyaya quittierte ihren Job in einer Bekleidungsfabrik. Sie hat 20 Jahre lang in den Pensionsfonds der Firma eingezahlt. Mit ihrer Rente will sie sich nun selbständig machen. "Wozu soll mir das Geld noch nützen, wenn ich gebrechlich bin?" fragte sie.

Noch bevor das Gesetz überhaupt verabschiedet worden ist, haben die Banken bereits erste Konsequenzen gezogen. Malawier, die einen Kredit beantragen wollten, konnten bisher ihre Rentenansprüche als Sicherheit angeben. Das ist nun nicht mehr möglich.

"Wir verlangen von dem Arbeitgeber eine Bestätigung dafür, dass der Betreffende tatsächlich bei ihm beschäftigt ist. Das Gehalt wird dann direkt an uns überwiesen, damit wir die Kreditrate gleich einbehalten können", sagte die Managerin Anne Magola von der National Bank of Malawi der Zeitung 'Daily Times'.


Staatspräsident soll eingreifen

Gegner des Gesetzes wie Banda appellierten an Staatspräsident Bingu wa Mutharika, sich auf die Seite der Arbeitnehmer zu stellen. Die führende Politikerriege im Land beharrt jedoch darauf, dass die neue Regelung der Bevölkerung Vorteile bringen wird. Arbeitsminister Yunus Mussa erklärte, die Rentner würden auf diese Weise sogar geschützt. Zugleich zeigte er sich aber auch dazu bereit, über die von MCTU vorgebrachten Bedenken zu diskutieren. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2010